die äußern Wälle, und zogen sich in die innere Festung. Weil sie aber auch allda sich nicht sicher achteten: so erboten sie sich, mit Vorbehaltung ihres Lebens und ihrer Freyheit, sich zu ergeben. Dieses wurde ihnen auch zugestanden, und sie zogen daher mit ihrem Hetman nach Polen, und überbrachten dahin die traurige Nachricht von ihrem Verluste. Hierauf nahm Muhämmed, am dritten Tage des Monats Dschemaßiül ewwel, von der Stadt Besitz, verwandelte die größeren Kirchen in Dschami, und die kleinern in Mestschide: und nachdem er die Ausbesserung der Wälle veranstaltet hatte; so ließ er Halil Pascha mit einer starken Besatzung daselbst zurück.
17.
Die Bestürzung, darinnen sich Polen wegen dieses Verlustes be-Es werden Trup- pen gegen Lem- berg geschicket. fand, war unaussprechlich. Eine Festung, von der man glaubte, daß sie sich viele Jahre halten könnte, wurde in zehen Tagen erobert: und itzo schiene es nicht einmal so viel Zeit nöthig zu seyn, das ganze Königreich zu verwüsten. Um nun die Feinde noch mehr zu verwirren, schickte der Sultan den Statthal- ter von Aleppo, Kaplan Mehemmed Pascha, und den Chan der krimischen Ta- tarey, mit den leichten Truppen nach Lemberg: und er selbst lagerte sich inzwi- schen bey Butschatsch, in der Absicht, mit dem vornehmsten Theile des Kriegs- heeres bald zu folgen. Kaplan ziehet daher mit seinen Völkern gegen Lemberg zu, und verwüstet das ganze Land, da er durchkommt. Bey seiner Ankunft daselbst belagert er die Stadt, und thut verschiedene Stürme auf dieselbe.
18.
In dieser Noth, da die Stadt bereits auf das Aeußerste gebrachtDie Polen bitten um Frieden: war, fangen die Polen an, ihr Verfahren zu bereuen, und schicken Gesandten an den Chan der Tatarn in das Lager, die denselben im Namen des Königes und des Reiches anflehen, eine Fürbitte für sie bey dem Sultane einzulegen, und ihn zum Frieden zu bewegen: in Ansehung dessen sie geneigt seyen, acht und vierzig Städte und Dörfer in der Gegend von Kamjenjez abzutreten, einen jährlichen Tribut 15 von zwanzig tausend Reichsthalern zu bezahlen, die Kosaken unter Doroschensko für Freunde zu erkennen, und niemals mehr mit ihnen Streit anzufangen.
19.
Nachdem Selim Gjiraj Chan das Anerbieten der Gesandten ver-welcher auch ge- schlossen wird. nommen hatte: so sendet er dieselben unverzüglich zu dem Kaiser. Dieser ver- williget ihnen auch, nach gehöriger Erwägung des Zustandes der Sachen, den Frieden auf die angebotenen Bedingungen, und bestätiget denselben mittelst [Spaltenumbruch]
15 Tribut] Die Polen sind es selbst nicht in Abrede, daß derselbe versprochen worden: er wurde aber niemals bezahlet; und über [Spaltenumbruch] dieses wurde dieser Punkt mit der Zeit durch den Frieden zu Suranno gänzlich aufgehoben.
Aus-
19. Muhaͤmmed der IIII
die aͤußern Waͤlle, und zogen ſich in die innere Feſtung. Weil ſie aber auch allda ſich nicht ſicher achteten: ſo erboten ſie ſich, mit Vorbehaltung ihres Lebens und ihrer Freyheit, ſich zu ergeben. Dieſes wurde ihnen auch zugeſtanden, und ſie zogen daher mit ihrem Hetman nach Polen, und uͤberbrachten dahin die traurige Nachricht von ihrem Verluſte. Hierauf nahm Muhaͤmmed, am dritten Tage des Monats Dſchemaßiuͤl ewwel, von der Stadt Beſitz, verwandelte die groͤßeren Kirchen in Dſchami, und die kleinern in Mestſchide: und nachdem er die Ausbeſſerung der Waͤlle veranſtaltet hatte; ſo ließ er Halil Paſcha mit einer ſtarken Beſatzung daſelbſt zuruͤck.
17.
Die Beſtuͤrzung, darinnen ſich Polen wegen dieſes Verluſtes be-Es werden Trup- pen gegen Lem- berg geſchicket. fand, war unausſprechlich. Eine Feſtung, von der man glaubte, daß ſie ſich viele Jahre halten koͤnnte, wurde in zehen Tagen erobert: und itzo ſchiene es nicht einmal ſo viel Zeit noͤthig zu ſeyn, das ganze Koͤnigreich zu verwuͤſten. Um nun die Feinde noch mehr zu verwirren, ſchickte der Sultan den Statthal- ter von Aleppo, Kaplan Mehemmed Paſcha, und den Chan der krimiſchen Ta- tarey, mit den leichten Truppen nach Lemberg: und er ſelbſt lagerte ſich inzwi- ſchen bey Butſchatſch, in der Abſicht, mit dem vornehmſten Theile des Kriegs- heeres bald zu folgen. Kaplan ziehet daher mit ſeinen Voͤlkern gegen Lemberg zu, und verwuͤſtet das ganze Land, da er durchkommt. Bey ſeiner Ankunft daſelbſt belagert er die Stadt, und thut verſchiedene Stuͤrme auf dieſelbe.
18.
In dieſer Noth, da die Stadt bereits auf das Aeußerſte gebrachtDie Polen bitten um Frieden: war, fangen die Polen an, ihr Verfahren zu bereuen, und ſchicken Geſandten an den Chan der Tatarn in das Lager, die denſelben im Namen des Koͤniges und des Reiches anflehen, eine Fuͤrbitte fuͤr ſie bey dem Sultane einzulegen, und ihn zum Frieden zu bewegen: in Anſehung deſſen ſie geneigt ſeyen, acht und vierzig Staͤdte und Doͤrfer in der Gegend von Kamjenjez abzutreten, einen jaͤhrlichen Tribut 15 von zwanzig tauſend Reichsthalern zu bezahlen, die Koſaken unter Doroſchenſko fuͤr Freunde zu erkennen, und niemals mehr mit ihnen Streit anzufangen.
19.
Nachdem Selim Gjiraj Chan das Anerbieten der Geſandten ver-welcher auch ge- ſchloſſen wird. nommen hatte: ſo ſendet er dieſelben unverzuͤglich zu dem Kaiſer. Dieſer ver- williget ihnen auch, nach gehoͤriger Erwaͤgung des Zuſtandes der Sachen, den Frieden auf die angebotenen Bedingungen, und beſtaͤtiget denſelben mittelſt [Spaltenumbruch]
15 Tribut] Die Polen ſind es ſelbſt nicht in Abrede, daß derſelbe verſprochen worden: er wurde aber niemals bezahlet; und uͤber [Spaltenumbruch] dieſes wurde dieſer Punkt mit der Zeit durch den Frieden zu Suranno gaͤnzlich aufgehoben.
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19. Muhaͤmmed der IIII
die aͤußern Waͤlle, und zogen ſich in die innere Feſtung. Weil ſie aber auch
allda ſich nicht ſicher achteten: ſo erboten ſie ſich, mit Vorbehaltung ihres Lebens
und ihrer Freyheit, ſich zu ergeben. Dieſes wurde ihnen auch zugeſtanden,
und ſie zogen daher mit ihrem Hetman nach Polen, und uͤberbrachten dahin die
traurige Nachricht von ihrem Verluſte. Hierauf nahm Muhaͤmmed, am dritten
Tage des Monats Dſchemaßiuͤl ewwel, von der Stadt Beſitz, verwandelte die
groͤßeren Kirchen in Dſchami, und die kleinern in Mestſchide: und nachdem
er die Ausbeſſerung der Waͤlle veranſtaltet hatte; ſo ließ er Halil Paſcha mit
einer ſtarken Beſatzung daſelbſt zuruͤck.
17. Die Beſtuͤrzung, darinnen ſich Polen wegen dieſes Verluſtes be-
fand, war unausſprechlich. Eine Feſtung, von der man glaubte, daß ſie ſich
viele Jahre halten koͤnnte, wurde in zehen Tagen erobert: und itzo ſchiene es
nicht einmal ſo viel Zeit noͤthig zu ſeyn, das ganze Koͤnigreich zu verwuͤſten.
Um nun die Feinde noch mehr zu verwirren, ſchickte der Sultan den Statthal-
ter von Aleppo, Kaplan Mehemmed Paſcha, und den Chan der krimiſchen Ta-
tarey, mit den leichten Truppen nach Lemberg: und er ſelbſt lagerte ſich inzwi-
ſchen bey Butſchatſch, in der Abſicht, mit dem vornehmſten Theile des Kriegs-
heeres bald zu folgen. Kaplan ziehet daher mit ſeinen Voͤlkern gegen Lemberg
zu, und verwuͤſtet das ganze Land, da er durchkommt. Bey ſeiner Ankunft
daſelbſt belagert er die Stadt, und thut verſchiedene Stuͤrme auf dieſelbe.
Es werden Trup-
pen gegen Lem-
berg geſchicket.
18. In dieſer Noth, da die Stadt bereits auf das Aeußerſte gebracht
war, fangen die Polen an, ihr Verfahren zu bereuen, und ſchicken Geſandten
an den Chan der Tatarn in das Lager, die denſelben im Namen des Koͤniges
und des Reiches anflehen, eine Fuͤrbitte fuͤr ſie bey dem Sultane einzulegen,
und ihn zum Frieden zu bewegen: in Anſehung deſſen ſie geneigt ſeyen, acht
und vierzig Staͤdte und Doͤrfer in der Gegend von Kamjenjez abzutreten, einen
jaͤhrlichen Tribut
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von zwanzig tauſend Reichsthalern zu bezahlen, die Koſaken
unter Doroſchenſko fuͤr Freunde zu erkennen, und niemals mehr mit ihnen
Streit anzufangen.
Die Polen bitten
um Frieden:
19. Nachdem Selim Gjiraj Chan das Anerbieten der Geſandten ver-
nommen hatte: ſo ſendet er dieſelben unverzuͤglich zu dem Kaiſer. Dieſer ver-
williget ihnen auch, nach gehoͤriger Erwaͤgung des Zuſtandes der Sachen, den
Frieden auf die angebotenen Bedingungen, und beſtaͤtiget denſelben mittelſt
Aus-
¹⁵ Tribut] Die Polen ſind es ſelbſt nicht
in Abrede, daß derſelbe verſprochen worden:
er wurde aber niemals bezahlet; und uͤber
dieſes wurde dieſer Punkt mit der Zeit durch
den Frieden zu Suranno gaͤnzlich aufgehoben.
welcher auch ge-
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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 407. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/515>, abgerufen am 22.11.2024.
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