lassen haben, darinnen einig, daß diejenigen tatarischen Fürsten, die Dschingjiß Chans Nachfolger waren, im Jahre der Hidschret 656, und Christi 1258 (vier und vierzig Jahre vor Osman) von dem Könige in Persien Ebubekjr, Sädis Sohne, bezwungen und ihre Länder dem persischen Reiche einverleibet worden sind; ausgenommen diejenigen, die einige Satrapen inne hatten, die bey dem Zuge der Tatarn (wie ich bereits erwähnet habe) die Gelegenheit ergriffen, sich zu unumschränkten Herren aufzuwerfen, unter denen Aeladdin, Sultan von Ikonien, und Sülejman, Osmans Großvater, waren. Hieraus ist also offenbar, daß das tatarische Reich in Asien von den Persern lange vor dem Anfange des osmanischen Reichs über einen Haufen geworfen worden ist, und daher dieses von jenem nicht entstanden seyn kann.
2.
Es giebt noch andere christliche Geschichtschreiber, die, vielleicht aus Neide, sagen: Osman, der erste Kaiser der Türken, sey ein Mensch von gerin- ger Abkunft gewesen, der eine Bande Räuber und Mörder zusammengebracht, damit seine Nachbarn angefallen, und sie allesammt, sowol seine eigenen als andere Völker, entweder mit Gewalt oder List unterdrücket habe. Dieser Meinung (obgleich dieselbe, meines Erachtens, keine Widerlegung bedarf; indem sie für sich selbst unwahrscheinlich ist) wird es nicht undienlich seyn, das Ansehen Chalkokondylas entgegen zu setzen, der unter allen griechischen Geschichtschreibern, die von türkischen Sachen etwas hinterlassen haben, fast allein Glauben verdienet. Dieser saget im ersten Buche: "Osman, der erste "Kaiser der Türken, beydes von seinem Vater Erdogrul, und von seinem "Großvater Soliman her, sey unter den Türken sowol wegen seiner Geburt, "als wegen seiner Tugenden, berühmt gewesen."
3.
Andere sind, die etwas rühmlichere Gedanken von einem so großen Hause haben, und zugeben, daß es von einem edlen Geschlechte der ogußischen Tatarn herstamme. Sie gehen aber den wahren Stammvater desselben, den Fürsten von Nere Sülejman Schah, vorbey, und führen andere Namen von Stämmen ein, die in den türkischen Jahrbüchern ganz unbekannt sind;
als
Vorrede
laſſen haben, darinnen einig, daß diejenigen tatariſchen Fuͤrſten, die Dſchingjiß Chans Nachfolger waren, im Jahre der Hidſchret 656, und Chriſti 1258 (vier und vierzig Jahre vor Osman) von dem Koͤnige in Perſien Ebubekjr, Saͤdis Sohne, bezwungen und ihre Laͤnder dem perſiſchen Reiche einverleibet worden ſind; ausgenommen diejenigen, die einige Satrapen inne hatten, die bey dem Zuge der Tatarn (wie ich bereits erwaͤhnet habe) die Gelegenheit ergriffen, ſich zu unumſchraͤnkten Herren aufzuwerfen, unter denen Aeladdin, Sultan von Ikonien, und Suͤlejman, Osmans Großvater, waren. Hieraus iſt alſo offenbar, daß das tatariſche Reich in Aſien von den Perſern lange vor dem Anfange des osmaniſchen Reichs uͤber einen Haufen geworfen worden iſt, und daher dieſes von jenem nicht entſtanden ſeyn kann.
2.
Es giebt noch andere chriſtliche Geſchichtſchreiber, die, vielleicht aus Neide, ſagen: Osman, der erſte Kaiſer der Tuͤrken, ſey ein Menſch von gerin- ger Abkunft geweſen, der eine Bande Raͤuber und Moͤrder zuſammengebracht, damit ſeine Nachbarn angefallen, und ſie alleſammt, ſowol ſeine eigenen als andere Voͤlker, entweder mit Gewalt oder Liſt unterdruͤcket habe. Dieſer Meinung (obgleich dieſelbe, meines Erachtens, keine Widerlegung bedarf; indem ſie fuͤr ſich ſelbſt unwahrſcheinlich iſt) wird es nicht undienlich ſeyn, das Anſehen Chalkokondylas entgegen zu ſetzen, der unter allen griechiſchen Geſchichtſchreibern, die von tuͤrkiſchen Sachen etwas hinterlaſſen haben, faſt allein Glauben verdienet. Dieſer ſaget im erſten Buche: “Osman, der erſte “Kaiſer der Tuͤrken, beydes von ſeinem Vater Erdogrul, und von ſeinem “Großvater Soliman her, ſey unter den Tuͤrken ſowol wegen ſeiner Geburt, “als wegen ſeiner Tugenden, beruͤhmt geweſen.„
3.
Andere ſind, die etwas ruͤhmlichere Gedanken von einem ſo großen Hauſe haben, und zugeben, daß es von einem edlen Geſchlechte der ogußiſchen Tatarn herſtamme. Sie gehen aber den wahren Stammvater deſſelben, den Fuͤrſten von Nere Suͤlejman Schah, vorbey, und fuͤhren andere Namen von Staͤmmen ein, die in den tuͤrkiſchen Jahrbuͤchern ganz unbekannt ſind;
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[46/0052]
Vorrede
laſſen haben, darinnen einig, daß diejenigen tatariſchen Fuͤrſten, die Dſchingjiß
Chans Nachfolger waren, im Jahre der Hidſchret 656, und Chriſti 1258
(vier und vierzig Jahre vor Osman) von dem Koͤnige in Perſien Ebubekjr,
Saͤdis Sohne, bezwungen und ihre Laͤnder dem perſiſchen Reiche einverleibet
worden ſind; ausgenommen diejenigen, die einige Satrapen inne hatten, die
bey dem Zuge der Tatarn (wie ich bereits erwaͤhnet habe) die Gelegenheit
ergriffen, ſich zu unumſchraͤnkten Herren aufzuwerfen, unter denen Aeladdin,
Sultan von Ikonien, und Suͤlejman, Osmans Großvater, waren. Hieraus
iſt alſo offenbar, daß das tatariſche Reich in Aſien von den Perſern lange vor
dem Anfange des osmaniſchen Reichs uͤber einen Haufen geworfen worden iſt,
und daher dieſes von jenem nicht entſtanden ſeyn kann.
2. Es giebt noch andere chriſtliche Geſchichtſchreiber, die, vielleicht aus
Neide, ſagen: Osman, der erſte Kaiſer der Tuͤrken, ſey ein Menſch von gerin-
ger Abkunft geweſen, der eine Bande Raͤuber und Moͤrder zuſammengebracht,
damit ſeine Nachbarn angefallen, und ſie alleſammt, ſowol ſeine eigenen als
andere Voͤlker, entweder mit Gewalt oder Liſt unterdruͤcket habe. Dieſer
Meinung (obgleich dieſelbe, meines Erachtens, keine Widerlegung bedarf;
indem ſie fuͤr ſich ſelbſt unwahrſcheinlich iſt) wird es nicht undienlich ſeyn,
das Anſehen Chalkokondylas entgegen zu ſetzen, der unter allen griechiſchen
Geſchichtſchreibern, die von tuͤrkiſchen Sachen etwas hinterlaſſen haben, faſt
allein Glauben verdienet. Dieſer ſaget im erſten Buche: “Osman, der erſte
“Kaiſer der Tuͤrken, beydes von ſeinem Vater Erdogrul, und von ſeinem
“Großvater Soliman her, ſey unter den Tuͤrken ſowol wegen ſeiner Geburt,
“als wegen ſeiner Tugenden, beruͤhmt geweſen.„
3. Andere ſind, die etwas ruͤhmlichere Gedanken von einem ſo großen
Hauſe haben, und zugeben, daß es von einem edlen Geſchlechte der ogußiſchen
Tatarn herſtamme. Sie gehen aber den wahren Stammvater deſſelben,
den Fuͤrſten von Nere Suͤlejman Schah, vorbey, und fuͤhren andere Namen
von Staͤmmen ein, die in den tuͤrkiſchen Jahrbuͤchern ganz unbekannt ſind;
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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/52>, abgerufen am 24.11.2024.
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