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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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19. Muhämmed der IIII
11.

Damit aber doch der König seiner Pflicht, als Vater des Vater-Die Polen bela-
gern Kamjenjez.
Die Türken ei-
len herbey, es
zu entsetzen.

landes, Genüge leisten möchte: so trachtete er den Feind mit List zu überwin-
den, weil er dieses wegen des Neides seiner Landesleute nicht mit Gewalt thun
konnte. Er hatte also so viel Mannschaft, als er bey der Hand hatte, gegen
Kamjenjez geschicket, selbiges einzuschließen; und diese Stadt auch bereits
zu solcher Dürftigkeit gebracht, daß die Besatzung kaum noch für wenige Wo-
chen Lebensmittel übrig hatte. Als aber der Kaiser von dieser ihrer Noth
Nachricht bekam: so versammelte er seine Truppen mit größerer Behendigkeit,
als das vorigemal, ging gegen das Ende des Monats Rebiül ewwel, im Jahre
1085, bey Sakije über die Donau, und setzte seinen Zug mit solcher Eilfertig-H. 108[5].



J. C. 1674.
keit fort, daß in zehen Tagen seine Vortruppen sich schon um Chotin herum
sehen ließen.

12.

Die Polen, die der Türken kaum innerhalb zweener bis dreyer Mo-Die Polen wer-
den von einem
Schrecken über-
fallen, und lassen
die Belagerung
fahren.

nate gewärtig gewesen waren, erstauneten über die Zeitung von der Annäherung
des Sultans; und weil sie in der Einbildung stunden, daß eine Schar leichter
Mannschaft vorausgesendet worden wäre: so schickten sie gewisse Personen 9,
die der türkischen Sprache kundig waren, in das osmanische Lager, um sich
nach der Anzahl und Stärke des Feindes desto genauer zu erkundigen. Als
diese die Nachricht zurück brachten, daß der Kaiser nebst dem Weßire mit einem
mächtigen Kriegesheere nicht weit von Chotin gelagert stünden: so wurden die
Polen von einer solchen unnatürlichen Furcht überfallen, daß sie davon liefen
und die Belagerung fahren ließen.

[Spaltenumbruch]
ein iedes ungefähr aus zehen Personen, mehr
oder weniger, bestehet. Die Mirßen zählen
ihre Unterthanen nach Kaßanen; und wann
sie zu Felde ziehen sollen: so saget ihnen der
Chan, wie viel Soldaten sie aus iedem Kaßan
mitbringen sollen. Man saget, daß die kri-
mische Tatarey ungefähr siebenzig tausend der-
selben in sich fasse. Ihre Zahl aber ist nicht
allezeit gleich groß; sondern manchmal sind
ihrer mehr, und manchmal weniger. Denn,
wenn das Haupt eines Kaßans die Erbinn
von einem andern Kaßan heiratet: so wer-
den beyde Kaßane in einen zusammen gezogen.
Im Gegentheile, wenn ein Vater mehrere
[Spaltenumbruch]
Söhne hat, als in einem Hause gemächlich
beysammen leben können: so ziehen sie aus,
und ein ieder richtet seinen eigenen Kaßan an.
9 gewisse Personen] Man erzählet,
daß einer von diesen Kundschaftern ertappet
und vor den Sultan gebracht worden sey.
Als er nun demselben die Ursache seiner An-
kunft aufrichtig gestanden: so habe der Sul-
tan befohlen, denselben in dem Lager herum
zu führen, und ihn hierauf mit einem Ge-
schenke von zwanzig Goldkronen wieder fort
zu schicken.
13. Der
3 G 3
19. Muhaͤmmed der IIII
11.

Damit aber doch der Koͤnig ſeiner Pflicht, als Vater des Vater-Die Polen bela-
gern Kamjenjez.
Die Tuͤrken ei-
len herbey, es
zu entſetzen.

landes, Genuͤge leiſten moͤchte: ſo trachtete er den Feind mit Liſt zu uͤberwin-
den, weil er dieſes wegen des Neides ſeiner Landesleute nicht mit Gewalt thun
konnte. Er hatte alſo ſo viel Mannſchaft, als er bey der Hand hatte, gegen
Kamjenjez geſchicket, ſelbiges einzuſchließen; und dieſe Stadt auch bereits
zu ſolcher Duͤrftigkeit gebracht, daß die Beſatzung kaum noch fuͤr wenige Wo-
chen Lebensmittel uͤbrig hatte. Als aber der Kaiſer von dieſer ihrer Noth
Nachricht bekam: ſo verſammelte er ſeine Truppen mit groͤßerer Behendigkeit,
als das vorigemal, ging gegen das Ende des Monats Rebiuͤl ewwel, im Jahre
1085, bey Sakije uͤber die Donau, und ſetzte ſeinen Zug mit ſolcher Eilfertig-H. 108[5].



J. C. 1674.
keit fort, daß in zehen Tagen ſeine Vortruppen ſich ſchon um Chotin herum
ſehen ließen.

12.

Die Polen, die der Tuͤrken kaum innerhalb zweener bis dreyer Mo-Die Polen wer-
den von einem
Schrecken uͤber-
fallen, und laſſen
die Belagerung
fahren.

nate gewaͤrtig geweſen waren, erſtauneten uͤber die Zeitung von der Annaͤherung
des Sultans; und weil ſie in der Einbildung ſtunden, daß eine Schar leichter
Mannſchaft vorausgeſendet worden waͤre: ſo ſchickten ſie gewiſſe Perſonen 9,
die der tuͤrkiſchen Sprache kundig waren, in das osmaniſche Lager, um ſich
nach der Anzahl und Staͤrke des Feindes deſto genauer zu erkundigen. Als
dieſe die Nachricht zuruͤck brachten, daß der Kaiſer nebſt dem Weßire mit einem
maͤchtigen Kriegesheere nicht weit von Chotin gelagert ſtuͤnden: ſo wurden die
Polen von einer ſolchen unnatuͤrlichen Furcht uͤberfallen, daß ſie davon liefen
und die Belagerung fahren ließen.

[Spaltenumbruch]
ein iedes ungefaͤhr aus zehen Perſonen, mehr
oder weniger, beſtehet. Die Mirßen zaͤhlen
ihre Unterthanen nach Kaßanen; und wann
ſie zu Felde ziehen ſollen: ſo ſaget ihnen der
Chan, wie viel Soldaten ſie aus iedem Kaßan
mitbringen ſollen. Man ſaget, daß die kri-
miſche Tatarey ungefaͤhr ſiebenzig tauſend der-
ſelben in ſich faſſe. Ihre Zahl aber iſt nicht
allezeit gleich groß; ſondern manchmal ſind
ihrer mehr, und manchmal weniger. Denn,
wenn das Haupt eines Kaßans die Erbinn
von einem andern Kaßan heiratet: ſo wer-
den beyde Kaßane in einen zuſammen gezogen.
Im Gegentheile, wenn ein Vater mehrere
[Spaltenumbruch]
Soͤhne hat, als in einem Hauſe gemaͤchlich
beyſammen leben koͤnnen: ſo ziehen ſie aus,
und ein ieder richtet ſeinen eigenen Kaßan an.
9 gewiſſe Perſonen] Man erzaͤhlet,
daß einer von dieſen Kundſchaftern ertappet
und vor den Sultan gebracht worden ſey.
Als er nun demſelben die Urſache ſeiner An-
kunft aufrichtig geſtanden: ſo habe der Sul-
tan befohlen, denſelben in dem Lager herum
zu fuͤhren, und ihn hierauf mit einem Ge-
ſchenke von zwanzig Goldkronen wieder fort
zu ſchicken.
13. Der
3 G 3
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[421/0529] 19. Muhaͤmmed der IIII 11. Damit aber doch der Koͤnig ſeiner Pflicht, als Vater des Vater- landes, Genuͤge leiſten moͤchte: ſo trachtete er den Feind mit Liſt zu uͤberwin- den, weil er dieſes wegen des Neides ſeiner Landesleute nicht mit Gewalt thun konnte. Er hatte alſo ſo viel Mannſchaft, als er bey der Hand hatte, gegen Kamjenjez geſchicket, ſelbiges einzuſchließen; und dieſe Stadt auch bereits zu ſolcher Duͤrftigkeit gebracht, daß die Beſatzung kaum noch fuͤr wenige Wo- chen Lebensmittel uͤbrig hatte. Als aber der Kaiſer von dieſer ihrer Noth Nachricht bekam: ſo verſammelte er ſeine Truppen mit groͤßerer Behendigkeit, als das vorigemal, ging gegen das Ende des Monats Rebiuͤl ewwel, im Jahre 1085, bey Sakije uͤber die Donau, und ſetzte ſeinen Zug mit ſolcher Eilfertig- keit fort, daß in zehen Tagen ſeine Vortruppen ſich ſchon um Chotin herum ſehen ließen. Die Polen bela- gern Kamjenjez. Die Tuͤrken ei- len herbey, es zu entſetzen. H. 1085. J. C. 1674. 12. Die Polen, die der Tuͤrken kaum innerhalb zweener bis dreyer Mo- nate gewaͤrtig geweſen waren, erſtauneten uͤber die Zeitung von der Annaͤherung des Sultans; und weil ſie in der Einbildung ſtunden, daß eine Schar leichter Mannſchaft vorausgeſendet worden waͤre: ſo ſchickten ſie gewiſſe Perſonen ⁹ , die der tuͤrkiſchen Sprache kundig waren, in das osmaniſche Lager, um ſich nach der Anzahl und Staͤrke des Feindes deſto genauer zu erkundigen. Als dieſe die Nachricht zuruͤck brachten, daß der Kaiſer nebſt dem Weßire mit einem maͤchtigen Kriegesheere nicht weit von Chotin gelagert ſtuͤnden: ſo wurden die Polen von einer ſolchen unnatuͤrlichen Furcht uͤberfallen, daß ſie davon liefen und die Belagerung fahren ließen. Die Polen wer- den von einem Schrecken uͤber- fallen, und laſſen die Belagerung fahren. 13. Der ein iedes ungefaͤhr aus zehen Perſonen, mehr oder weniger, beſtehet. Die Mirßen zaͤhlen ihre Unterthanen nach Kaßanen; und wann ſie zu Felde ziehen ſollen: ſo ſaget ihnen der Chan, wie viel Soldaten ſie aus iedem Kaßan mitbringen ſollen. Man ſaget, daß die kri- miſche Tatarey ungefaͤhr ſiebenzig tauſend der- ſelben in ſich faſſe. Ihre Zahl aber iſt nicht allezeit gleich groß; ſondern manchmal ſind ihrer mehr, und manchmal weniger. Denn, wenn das Haupt eines Kaßans die Erbinn von einem andern Kaßan heiratet: ſo wer- den beyde Kaßane in einen zuſammen gezogen. Im Gegentheile, wenn ein Vater mehrere Soͤhne hat, als in einem Hauſe gemaͤchlich beyſammen leben koͤnnen: ſo ziehen ſie aus, und ein ieder richtet ſeinen eigenen Kaßan an. ⁹ gewiſſe Perſonen] Man erzaͤhlet, daß einer von dieſen Kundſchaftern ertappet und vor den Sultan gebracht worden ſey. Als er nun demſelben die Urſache ſeiner An- kunft aufrichtig geſtanden: ſo habe der Sul- tan befohlen, denſelben in dem Lager herum zu fuͤhren, und ihn hierauf mit einem Ge- ſchenke von zwanzig Goldkronen wieder fort zu ſchicken. 3 G 3

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 421. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/529>, abgerufen am 22.11.2024.