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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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19. Muhämmed der IIII
so stark verschanzte Feinde anzugreifen: so entschließet er sich, die Tatarn vor-
her zu erwarten, die noch drey Tagreisen weit von seinem Lager entfernet waren.
Allein, die Wachsamkeit der Russen machte seine Hoffnung zu nichte. Denn
als die Russen von der Annäherung der Tatarn, um sich mit den Türken zu
vereinigen, Nachricht erhalten: so setzen sie sich an einem vortheilhaften Orte
zwischen sie beyde, und greifen die Tatarn, da sie näher herbey kommen, mit
solcher Tapferkeit an, daß innerhalb weniger Stunden das Schlachtfeld mit
dem Blute der Feinde bedecket war. Es blieben in dem Treffen, außer des
Chans Sohne, acht Mirßen, und über zehen tausend gemeine Soldaten: die
übrigen wurden entweder gefangen, oder zerstreuet. Als die Türken eine solche
Niederlage ihrer Bundsgenossen sehen: so werfen sie ihre Waffen samt ihrem
Muthe von sich; und weil sie fürchten, die Russen, nachdem sie durch den er-
haltenen Sieg hochmüthig geworden, möchten itzo auf sie losgehen: so fliehen sie
mit solcher Eile davon, daß sie nicht eher aufhören zu laufen, als bis sie den
Fluß Bug 27 zurückgeleget haben.

[Spaltenumbruch]
gehalten worden: so haben sie die Waffen
niedergeleget; und da sie die christliche Reli-
gion angenommen, habe man ihnen nicht al-
lein das Leben geschenket, sondern auch einen
Platz vergönnet, eine Stadt darauf zu bauen.
Endlich seyen diese Russen gegen den Kaiser
aufrührisch geworden: und da sey ihre Stadt
von den Griechen nach einem blutigen Ge-
fechte erobert, und sie alle ohne Unterschied
niedergehauen worden.
26 Nisna] Ein Handelsplatz in demje-
nigen Theile der Ukraina, der dem Hetmane
der Kosaken unterworfen ist. Er lieget in
einer sehr großen Ebene, nicht weit von dem
Flusse Wüstrow, und wird durch ein noch
ziemlich gutes Schloß beschützet. Es wird
keinem von den russischen Soldaten erlaubet,
in dem Schlosse zu wohnen; die Stadt aber
wird von Kaufleuten von verschiedenen Völ-
kern bewohnet, als Russen, Kosaken und
Moldauern. Der beste Theil derselben beste-
[Spaltenumbruch]
het aus Griechen, denen die vorigen Kaiser
von Rußland viele Freyheiten verliehen haben,
um die Handlung in Aufnehmen zu bringen.
Sie haben nicht allein daselbst zwo Kirchen
erbauet, darinnen der Gottesdienst in ihrer
Muttersprache gehalten wird; sondern sie
haben auch eine griechische Schule gestiftet:
imgleichen eine Brüderschaft oder Gesellschaft,
darein selbst einige russische Fürsten sich zu
begeben, es für ihren Stand nicht zu gering
geschätzet haben. Alle Brüder derselben sind
nach den Gesetzen ihrer Gesellschaft verpflich-
tet, diejenigen, die darein aufgenommen
sind, zu beschützen, ihr Bestes zu befördern,
einander in der Noth beyzustehen; sonderlich
aber, wenn einer von ihnen verstirbet, Sorge
zu tragen, daß seine Güter an seine rechtmä-
ßigen Erben gelangen.
27 Bug*] Vor Alters Hypanis genen-
net: ein sehr bekannter Fluß zwischen dem
Dnjester und Dnjeper, der sich nicht weit von
30. Dieser
* Buga oder Bugasu, der Stierfluß; denn Buga heißet einen Stier.
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19. Muhaͤmmed der IIII
ſo ſtark verſchanzte Feinde anzugreifen: ſo entſchließet er ſich, die Tatarn vor-
her zu erwarten, die noch drey Tagreiſen weit von ſeinem Lager entfernet waren.
Allein, die Wachſamkeit der Ruſſen machte ſeine Hoffnung zu nichte. Denn
als die Ruſſen von der Annaͤherung der Tatarn, um ſich mit den Tuͤrken zu
vereinigen, Nachricht erhalten: ſo ſetzen ſie ſich an einem vortheilhaften Orte
zwiſchen ſie beyde, und greifen die Tatarn, da ſie naͤher herbey kommen, mit
ſolcher Tapferkeit an, daß innerhalb weniger Stunden das Schlachtfeld mit
dem Blute der Feinde bedecket war. Es blieben in dem Treffen, außer des
Chans Sohne, acht Mirßen, und uͤber zehen tauſend gemeine Soldaten: die
uͤbrigen wurden entweder gefangen, oder zerſtreuet. Als die Tuͤrken eine ſolche
Niederlage ihrer Bundsgenoſſen ſehen: ſo werfen ſie ihre Waffen ſamt ihrem
Muthe von ſich; und weil ſie fuͤrchten, die Ruſſen, nachdem ſie durch den er-
haltenen Sieg hochmuͤthig geworden, moͤchten itzo auf ſie losgehen: ſo fliehen ſie
mit ſolcher Eile davon, daß ſie nicht eher aufhoͤren zu laufen, als bis ſie den
Fluß Bug 27 zuruͤckgeleget haben.

[Spaltenumbruch]
gehalten worden: ſo haben ſie die Waffen
niedergeleget; und da ſie die chriſtliche Reli-
gion angenommen, habe man ihnen nicht al-
lein das Leben geſchenket, ſondern auch einen
Platz vergoͤnnet, eine Stadt darauf zu bauen.
Endlich ſeyen dieſe Ruſſen gegen den Kaiſer
aufruͤhriſch geworden: und da ſey ihre Stadt
von den Griechen nach einem blutigen Ge-
fechte erobert, und ſie alle ohne Unterſchied
niedergehauen worden.
26 Nisna] Ein Handelsplatz in demje-
nigen Theile der Ukraina, der dem Hetmane
der Koſaken unterworfen iſt. Er lieget in
einer ſehr großen Ebene, nicht weit von dem
Fluſſe Wuͤſtrow, und wird durch ein noch
ziemlich gutes Schloß beſchuͤtzet. Es wird
keinem von den ruſſiſchen Soldaten erlaubet,
in dem Schloſſe zu wohnen; die Stadt aber
wird von Kaufleuten von verſchiedenen Voͤl-
kern bewohnet, als Ruſſen, Koſaken und
Moldauern. Der beſte Theil derſelben beſte-
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het aus Griechen, denen die vorigen Kaiſer
von Rußland viele Freyheiten verliehen haben,
um die Handlung in Aufnehmen zu bringen.
Sie haben nicht allein daſelbſt zwo Kirchen
erbauet, darinnen der Gottesdienſt in ihrer
Mutterſprache gehalten wird; ſondern ſie
haben auch eine griechiſche Schule geſtiftet:
imgleichen eine Bruͤderſchaft oder Geſellſchaft,
darein ſelbſt einige ruſſiſche Fuͤrſten ſich zu
begeben, es fuͤr ihren Stand nicht zu gering
geſchaͤtzet haben. Alle Bruͤder derſelben ſind
nach den Geſetzen ihrer Geſellſchaft verpflich-
tet, diejenigen, die darein aufgenommen
ſind, zu beſchuͤtzen, ihr Beſtes zu befoͤrdern,
einander in der Noth beyzuſtehen; ſonderlich
aber, wenn einer von ihnen verſtirbet, Sorge
zu tragen, daß ſeine Guͤter an ſeine rechtmaͤ-
ßigen Erben gelangen.
27 Bug*] Vor Alters Hypanis genen-
net: ein ſehr bekannter Fluß zwiſchen dem
Dnjeſter und Dnjeper, der ſich nicht weit von
30. Dieſer
* Buga oder Bugaſu, der Stierfluß; denn Buga heißet einen Stier.
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[443/0551] 19. Muhaͤmmed der IIII ſo ſtark verſchanzte Feinde anzugreifen: ſo entſchließet er ſich, die Tatarn vor- her zu erwarten, die noch drey Tagreiſen weit von ſeinem Lager entfernet waren. Allein, die Wachſamkeit der Ruſſen machte ſeine Hoffnung zu nichte. Denn als die Ruſſen von der Annaͤherung der Tatarn, um ſich mit den Tuͤrken zu vereinigen, Nachricht erhalten: ſo ſetzen ſie ſich an einem vortheilhaften Orte zwiſchen ſie beyde, und greifen die Tatarn, da ſie naͤher herbey kommen, mit ſolcher Tapferkeit an, daß innerhalb weniger Stunden das Schlachtfeld mit dem Blute der Feinde bedecket war. Es blieben in dem Treffen, außer des Chans Sohne, acht Mirßen, und uͤber zehen tauſend gemeine Soldaten: die uͤbrigen wurden entweder gefangen, oder zerſtreuet. Als die Tuͤrken eine ſolche Niederlage ihrer Bundsgenoſſen ſehen: ſo werfen ſie ihre Waffen ſamt ihrem Muthe von ſich; und weil ſie fuͤrchten, die Ruſſen, nachdem ſie durch den er- haltenen Sieg hochmuͤthig geworden, moͤchten itzo auf ſie losgehen: ſo fliehen ſie mit ſolcher Eile davon, daß ſie nicht eher aufhoͤren zu laufen, als bis ſie den Fluß Bug ²⁷ zuruͤckgeleget haben. 30. Dieſer gehalten worden: ſo haben ſie die Waffen niedergeleget; und da ſie die chriſtliche Reli- gion angenommen, habe man ihnen nicht al- lein das Leben geſchenket, ſondern auch einen Platz vergoͤnnet, eine Stadt darauf zu bauen. Endlich ſeyen dieſe Ruſſen gegen den Kaiſer aufruͤhriſch geworden: und da ſey ihre Stadt von den Griechen nach einem blutigen Ge- fechte erobert, und ſie alle ohne Unterſchied niedergehauen worden. ²⁶ Nisna] Ein Handelsplatz in demje- nigen Theile der Ukraina, der dem Hetmane der Koſaken unterworfen iſt. Er lieget in einer ſehr großen Ebene, nicht weit von dem Fluſſe Wuͤſtrow, und wird durch ein noch ziemlich gutes Schloß beſchuͤtzet. Es wird keinem von den ruſſiſchen Soldaten erlaubet, in dem Schloſſe zu wohnen; die Stadt aber wird von Kaufleuten von verſchiedenen Voͤl- kern bewohnet, als Ruſſen, Koſaken und Moldauern. Der beſte Theil derſelben beſte- het aus Griechen, denen die vorigen Kaiſer von Rußland viele Freyheiten verliehen haben, um die Handlung in Aufnehmen zu bringen. Sie haben nicht allein daſelbſt zwo Kirchen erbauet, darinnen der Gottesdienſt in ihrer Mutterſprache gehalten wird; ſondern ſie haben auch eine griechiſche Schule geſtiftet: imgleichen eine Bruͤderſchaft oder Geſellſchaft, darein ſelbſt einige ruſſiſche Fuͤrſten ſich zu begeben, es fuͤr ihren Stand nicht zu gering geſchaͤtzet haben. Alle Bruͤder derſelben ſind nach den Geſetzen ihrer Geſellſchaft verpflich- tet, diejenigen, die darein aufgenommen ſind, zu beſchuͤtzen, ihr Beſtes zu befoͤrdern, einander in der Noth beyzuſtehen; ſonderlich aber, wenn einer von ihnen verſtirbet, Sorge zu tragen, daß ſeine Guͤter an ſeine rechtmaͤ- ßigen Erben gelangen. ²⁷ Bug *] Vor Alters Hypanis genen- net: ein ſehr bekannter Fluß zwiſchen dem Dnjeſter und Dnjeper, der ſich nicht weit von der * Buga oder Bugaſu, der Stierfluß; denn Buga heißet einen Stier. 3 K 2

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 443. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/551>, abgerufen am 22.11.2024.