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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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19. Muhämmed der IIII
scha lernet aus diesem unglücklichen Erfolge, daß alle Unternehmungen gegen
eine so starke Festung vergebens seyen, wenn man dieselbe nicht förmlich bela-
gere; und giebt daher Befehl, ehe seine Soldaten noch einmal ihre Zelten auf-
geschlagen hatten, die Stadt zu umringen, Laufgräben zu machen, Schanzen
aufzuwerfen und Stückbette anzulegen. Da aber auch dieses, wegen des san-
digen Bodens, nicht vonstatten gehen will: so lässet er, auf Anrathen eines
Polaken, auf der andern Seite, da die Stadt durch einen Morast beschützet
wurde, Brücken bauen, und giebt Kjörhäsen Pascha die Aufsicht über dieses
Werk. Aber auch dieses hatte nicht den erwünschten Fortgang.

35.

Um eben diese Zeit näherte sich ein russisches Kriegesheer, unterDie Russen
schlagen einen
Theil des türki-
schen Heeres.

Befehlhabung Romadonowskis, und war schon über den Dnjeper gekommen,
ehe noch der Weßir die mindeste Nachricht davon erlangen konnte. Er hatte
zwar, den Absichten desselben vorzubeugen, den Statthalter von Aleppo, Kara
Mehemmed Pascha, mit einem großen Theile seines Heeres abgeschicket, und
ihm Freyheit gegeben, dem Feinde eine Schlacht zu liefern, wenn er Gelegen-
heit dazu haben würde. Weil aber derselbe die Russen, ungeachtet sie ihm an
Anzahl der Truppen überlegen waren, zu keiner Schlacht bringen konnte: so
merket der Weßir, daß des Feindes Absicht sey, das osmanische Kriegesheer
durch Verzögerung zu verderben, oder auch die Besatzung zu Tschehrin zu ver-
stärken; und giebt daher Kaplan Pascha 31 Befehl, mit dem übrigen Heere sich
[Spaltenumbruch]

so siehet man es eben so an, als wenn er ver-
wiesen würde. Außer diesem Kjihaja haben
der Weßir und die Paschen ein ieder noch ei-
nen besondern, der nur bloß die Aufsicht über
ihre Hofhaltung hat. Einen solchen muß
man nicht mit dem Kjetchudabegj vermengen,
wie er dann auch eigentlich Ewkjetchudasi*
genennet wird.
31 Kaplan Pascha] Ein Feldhaupt-
mann in dem türkischen Heere, der sich in den
polnischen Kriegen durch seine Tapferkeit be-
rühmt gemacht, und ein so großes Ansehen
unter den Türken erlanget hat, daß der We-
ßir, ungeachtet er sein Todfeind war, ihn
niemals stürzen konnte. Der Name Kaplan
[Spaltenumbruch]
scheinet ihm wegen seines beherzten Muthes
beygeleget worden zu seyn; denn er bedeutet
eigentlich einen Tiger. Nämlich ungeachtet
die Türken überhaupt sich allein gerne nach
den Namen der Propheten nennen lassen: so
hassen sie doch auch nicht die Namen der
zweyen grimmigsten Thiere; die da sind,
Arslan, Löw, und Kaplan, Tiger. Ja des
Sultans Mutter nennet ihren Sohn, unge-
achtet derselbe Kaiser ist, nicht anders, als
Arslanüm, mein Löw. Denn es wird für
eine Beschimpfung angesehen, wenn iemand
anderes, als des Sultans Vater, denselben
bey seinem eigenen Namen nennen wollte.
Im Gegentheile schiene der Titel Padischah,
der ihm sonst von iedermann gegeben wird,

zwischen
* Hausverwalter.

19. Muhaͤmmed der IIII
ſcha lernet aus dieſem ungluͤcklichen Erfolge, daß alle Unternehmungen gegen
eine ſo ſtarke Feſtung vergebens ſeyen, wenn man dieſelbe nicht foͤrmlich bela-
gere; und giebt daher Befehl, ehe ſeine Soldaten noch einmal ihre Zelten auf-
geſchlagen hatten, die Stadt zu umringen, Laufgraͤben zu machen, Schanzen
aufzuwerfen und Stuͤckbette anzulegen. Da aber auch dieſes, wegen des ſan-
digen Bodens, nicht vonſtatten gehen will: ſo laͤſſet er, auf Anrathen eines
Polaken, auf der andern Seite, da die Stadt durch einen Moraſt beſchuͤtzet
wurde, Bruͤcken bauen, und giebt Kjoͤrhaͤſen Paſcha die Aufſicht uͤber dieſes
Werk. Aber auch dieſes hatte nicht den erwuͤnſchten Fortgang.

35.

Um eben dieſe Zeit naͤherte ſich ein ruſſiſches Kriegesheer, unterDie Ruſſen
ſchlagen einen
Theil des tuͤrki-
ſchen Heeres.

Befehlhabung Romadonowſkis, und war ſchon uͤber den Dnjeper gekommen,
ehe noch der Weßir die mindeſte Nachricht davon erlangen konnte. Er hatte
zwar, den Abſichten deſſelben vorzubeugen, den Statthalter von Aleppo, Kara
Mehemmed Paſcha, mit einem großen Theile ſeines Heeres abgeſchicket, und
ihm Freyheit gegeben, dem Feinde eine Schlacht zu liefern, wenn er Gelegen-
heit dazu haben wuͤrde. Weil aber derſelbe die Ruſſen, ungeachtet ſie ihm an
Anzahl der Truppen uͤberlegen waren, zu keiner Schlacht bringen konnte: ſo
merket der Weßir, daß des Feindes Abſicht ſey, das osmaniſche Kriegesheer
durch Verzoͤgerung zu verderben, oder auch die Beſatzung zu Tſchehrin zu ver-
ſtaͤrken; und giebt daher Kaplan Paſcha 31 Befehl, mit dem uͤbrigen Heere ſich
[Spaltenumbruch]

ſo ſiehet man es eben ſo an, als wenn er ver-
wieſen wuͤrde. Außer dieſem Kjihaja haben
der Weßir und die Paſchen ein ieder noch ei-
nen beſondern, der nur bloß die Aufſicht uͤber
ihre Hofhaltung hat. Einen ſolchen muß
man nicht mit dem Kjetchudabegj vermengen,
wie er dann auch eigentlich Ewkjetchudaſi*
genennet wird.
31 Kaplan Paſcha] Ein Feldhaupt-
mann in dem tuͤrkiſchen Heere, der ſich in den
polniſchen Kriegen durch ſeine Tapferkeit be-
ruͤhmt gemacht, und ein ſo großes Anſehen
unter den Tuͤrken erlanget hat, daß der We-
ßir, ungeachtet er ſein Todfeind war, ihn
niemals ſtuͤrzen konnte. Der Name Kaplan
[Spaltenumbruch]
ſcheinet ihm wegen ſeines beherzten Muthes
beygeleget worden zu ſeyn; denn er bedeutet
eigentlich einen Tiger. Naͤmlich ungeachtet
die Tuͤrken uͤberhaupt ſich allein gerne nach
den Namen der Propheten nennen laſſen: ſo
haſſen ſie doch auch nicht die Namen der
zweyen grimmigſten Thiere; die da ſind,
Arslan, Loͤw, und Kaplan, Tiger. Ja des
Sultans Mutter nennet ihren Sohn, unge-
achtet derſelbe Kaiſer iſt, nicht anders, als
Arslanuͤm, mein Loͤw. Denn es wird fuͤr
eine Beſchimpfung angeſehen, wenn iemand
anderes, als des Sultans Vater, denſelben
bey ſeinem eigenen Namen nennen wollte.
Im Gegentheile ſchiene der Titel Padiſchah,
der ihm ſonſt von iedermann gegeben wird,

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* Hausverwalter.
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[447/0555] 19. Muhaͤmmed der IIII ſcha lernet aus dieſem ungluͤcklichen Erfolge, daß alle Unternehmungen gegen eine ſo ſtarke Feſtung vergebens ſeyen, wenn man dieſelbe nicht foͤrmlich bela- gere; und giebt daher Befehl, ehe ſeine Soldaten noch einmal ihre Zelten auf- geſchlagen hatten, die Stadt zu umringen, Laufgraͤben zu machen, Schanzen aufzuwerfen und Stuͤckbette anzulegen. Da aber auch dieſes, wegen des ſan- digen Bodens, nicht vonſtatten gehen will: ſo laͤſſet er, auf Anrathen eines Polaken, auf der andern Seite, da die Stadt durch einen Moraſt beſchuͤtzet wurde, Bruͤcken bauen, und giebt Kjoͤrhaͤſen Paſcha die Aufſicht uͤber dieſes Werk. Aber auch dieſes hatte nicht den erwuͤnſchten Fortgang. 35. Um eben dieſe Zeit naͤherte ſich ein ruſſiſches Kriegesheer, unter Befehlhabung Romadonowſkis, und war ſchon uͤber den Dnjeper gekommen, ehe noch der Weßir die mindeſte Nachricht davon erlangen konnte. Er hatte zwar, den Abſichten deſſelben vorzubeugen, den Statthalter von Aleppo, Kara Mehemmed Paſcha, mit einem großen Theile ſeines Heeres abgeſchicket, und ihm Freyheit gegeben, dem Feinde eine Schlacht zu liefern, wenn er Gelegen- heit dazu haben wuͤrde. Weil aber derſelbe die Ruſſen, ungeachtet ſie ihm an Anzahl der Truppen uͤberlegen waren, zu keiner Schlacht bringen konnte: ſo merket der Weßir, daß des Feindes Abſicht ſey, das osmaniſche Kriegesheer durch Verzoͤgerung zu verderben, oder auch die Beſatzung zu Tſchehrin zu ver- ſtaͤrken; und giebt daher Kaplan Paſcha ³¹ Befehl, mit dem uͤbrigen Heere ſich zwiſchen ſo ſiehet man es eben ſo an, als wenn er ver- wieſen wuͤrde. Außer dieſem Kjihaja haben der Weßir und die Paſchen ein ieder noch ei- nen beſondern, der nur bloß die Aufſicht uͤber ihre Hofhaltung hat. Einen ſolchen muß man nicht mit dem Kjetchudabegj vermengen, wie er dann auch eigentlich Ewkjetchudaſi * genennet wird. ³¹ Kaplan Paſcha] Ein Feldhaupt- mann in dem tuͤrkiſchen Heere, der ſich in den polniſchen Kriegen durch ſeine Tapferkeit be- ruͤhmt gemacht, und ein ſo großes Anſehen unter den Tuͤrken erlanget hat, daß der We- ßir, ungeachtet er ſein Todfeind war, ihn niemals ſtuͤrzen konnte. Der Name Kaplan ſcheinet ihm wegen ſeines beherzten Muthes beygeleget worden zu ſeyn; denn er bedeutet eigentlich einen Tiger. Naͤmlich ungeachtet die Tuͤrken uͤberhaupt ſich allein gerne nach den Namen der Propheten nennen laſſen: ſo haſſen ſie doch auch nicht die Namen der zweyen grimmigſten Thiere; die da ſind, Arslan, Loͤw, und Kaplan, Tiger. Ja des Sultans Mutter nennet ihren Sohn, unge- achtet derſelbe Kaiſer iſt, nicht anders, als Arslanuͤm, mein Loͤw. Denn es wird fuͤr eine Beſchimpfung angeſehen, wenn iemand anderes, als des Sultans Vater, denſelben bey ſeinem eigenen Namen nennen wollte. Im Gegentheile ſchiene der Titel Padiſchah, der ihm ſonſt von iedermann gegeben wird, dem Die Ruſſen ſchlagen einen Theil des tuͤrki- ſchen Heeres. * Hausverwalter.

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 447. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/555>, abgerufen am 22.11.2024.