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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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Osmanische Geschichte
Das Angefan-
gene wird von
den Kosaken wie-
der eingerissen,
und die Werk-
leute umge-bracht.
40.

Allein, dieses listige Vorhaben des Weßirs wird durch einen plötzli-
chen und unvermutheten Zufall zernichtet. Denn, kaum ist die erste Grund-
legung davon geschehen: so kommt der Feldherr der saporowischen Kosaken,
Zirko, in der Rückkehre von einem Zuge in die Tatarey, mit funfzehen tausend
Mann von ungefähr in dasiger Nachbarschaft vorbey; und da er höret, daß
in der Nähe daselbst eine neue Festung gebauet werde, aber nicht weis, von wem:
so nähert er sich, um den Augenschein davon einzunehmen. Da er nun befindet,
daß es Türken sind: so umringet er dieselben; und ungeachtet sie sich mit großer
Herzhaftigkeit vertheidigen: so tödtet er doch alle die Werkleute und Arbeiter,
samt ihrer Wache, und samt Kjemjelniski, den die Türken zum Hetman der Ko-
saken gemachet hatten. Hierauf schläget er sein Lager auf demselben Platze auf,
und sendet unverzüglich einen Boten an den Zar ab, um ihm von dem Vorge-
gangenen Nachricht zu geben; und dieser schicket Befehl an Dolhoruki, der
Romadonowski als Oberbefehlhaber des Kriegsheeres nachgefolget war, daß
derselbe alle seine Völker, so bald als es möglich sey, zu Zirkos Truppen stoßen
lassen, und sie beyderseits mit vereinigten Kräften und Rathschlägen sich allen
Unternehmungen der Türken widersetzen sollten.

[Spaltenumbruch]
daß sie nicht höher geführet werden, als es
verstattet ist. Er hat die Aufsicht über alle
gemeinen Baumeister, insgemein Kalfa oder
Chälife genennet, und kann dieselben am Leibe
oder am Gelde strafen, wenn sie ein Gebäude
nur einen Finger breit weiter, als es seyn
soll, auf die Straße heraus setzen: imglei-
chen, wenn sie einen schiefen Winkel machen,
oder allzuliederlich bauen; gesetzt auch, daß
der Eigener nicht einmal darüber Beschwerde
führet. Es träget sich oft zu, daß der Mi-
mar Aga nicht einmal weis, was ein Fuß ist,
oder nur das mindeste von der Baukunst ver-
stehet: denn weil es eine einträgliche Stelle
ist; so wird sie nicht dem besten Baumeister,
sondern demjenigen zu Theile, der bey dem
Weßire die größte Gunst hat. Es kann da
niemand bauen, wie es ihm beliebet, wenn
er nicht vorher den Mimar Aga durch Ge-
schenke bestochen hat. Denn, ungeachtet das
Maß von allen Gebäuden durch besondere
Verordnungen von dem Sultane bestimmet
[Spaltenumbruch]
ist; so daß eines Christen Haus dreyzehen,
und eines Türken Haus funfzehen dreyfüßige
Ruthen hoch seyn soll: dennoch, da Constan-
tinopel meistentheils auf Hügeln gebauet ist,
kann der Mimar Aga, wenn man ihn wohl
bestochen hat, erlauben, daß ein Gebäude zu
einer sehr ansehnlichen Höhe aufgeführet wird;
nämlich so, daß er das Maß von dem Gipfel
des Hügels an nimmt. Denn auf diese Weise
kann es geschehen, daß ein Haus, das an
der hintern Seite das gesetzte Maß hat, an
der vördern Seite eine Höhe von dreyßig drey-
füßigen Ruthen und drüber bekommen kann.
Eben so gehet es auch zu, wenn die Christen
vorhabens sind, ihre alten Kirchen wieder neu
aufzubauen. Denn dieses ist ihnen zwar ver-
stattet; aber unter solchen harten Einschrän-
kungen, daß sie zu dem alten Bauzeuge weder
einen neuen Stein, noch ein neues Stück
Zimmerholz hinzu thun dürfen. Daher wird
der Mimar Aga mit einer guten Summe Gel-
des bestochen, daß er mehr Steine und mehr
41. Weil
Osmaniſche Geſchichte
Das Angefan-
gene wird von
den Koſaken wie-
der eingeriſſen,
und die Werk-
leute umge-bracht.
40.

Allein, dieſes liſtige Vorhaben des Weßirs wird durch einen ploͤtzli-
chen und unvermutheten Zufall zernichtet. Denn, kaum iſt die erſte Grund-
legung davon geſchehen: ſo kommt der Feldherr der ſaporowiſchen Koſaken,
Zirko, in der Ruͤckkehre von einem Zuge in die Tatarey, mit funfzehen tauſend
Mann von ungefaͤhr in daſiger Nachbarſchaft vorbey; und da er hoͤret, daß
in der Naͤhe daſelbſt eine neue Feſtung gebauet werde, aber nicht weis, von wem:
ſo naͤhert er ſich, um den Augenſchein davon einzunehmen. Da er nun befindet,
daß es Tuͤrken ſind: ſo umringet er dieſelben; und ungeachtet ſie ſich mit großer
Herzhaftigkeit vertheidigen: ſo toͤdtet er doch alle die Werkleute und Arbeiter,
ſamt ihrer Wache, und ſamt Kjemjelniſki, den die Tuͤrken zum Hetman der Ko-
ſaken gemachet hatten. Hierauf ſchlaͤget er ſein Lager auf demſelben Platze auf,
und ſendet unverzuͤglich einen Boten an den Zar ab, um ihm von dem Vorge-
gangenen Nachricht zu geben; und dieſer ſchicket Befehl an Dolhoruki, der
Romadonowſki als Oberbefehlhaber des Kriegsheeres nachgefolget war, daß
derſelbe alle ſeine Voͤlker, ſo bald als es moͤglich ſey, zu Zirkos Truppen ſtoßen
laſſen, und ſie beyderſeits mit vereinigten Kraͤften und Rathſchlaͤgen ſich allen
Unternehmungen der Tuͤrken widerſetzen ſollten.

[Spaltenumbruch]
daß ſie nicht hoͤher gefuͤhret werden, als es
verſtattet iſt. Er hat die Aufſicht uͤber alle
gemeinen Baumeiſter, insgemein Kalfa oder
Chaͤlife genennet, und kann dieſelben am Leibe
oder am Gelde ſtrafen, wenn ſie ein Gebaͤude
nur einen Finger breit weiter, als es ſeyn
ſoll, auf die Straße heraus ſetzen: imglei-
chen, wenn ſie einen ſchiefen Winkel machen,
oder allzuliederlich bauen; geſetzt auch, daß
der Eigener nicht einmal daruͤber Beſchwerde
fuͤhret. Es traͤget ſich oft zu, daß der Mi-
mar Aga nicht einmal weis, was ein Fuß iſt,
oder nur das mindeſte von der Baukunſt ver-
ſtehet: denn weil es eine eintraͤgliche Stelle
iſt; ſo wird ſie nicht dem beſten Baumeiſter,
ſondern demjenigen zu Theile, der bey dem
Weßire die groͤßte Gunſt hat. Es kann da
niemand bauen, wie es ihm beliebet, wenn
er nicht vorher den Mimar Aga durch Ge-
ſchenke beſtochen hat. Denn, ungeachtet das
Maß von allen Gebaͤuden durch beſondere
Verordnungen von dem Sultane beſtimmet
[Spaltenumbruch]
iſt; ſo daß eines Chriſten Haus dreyzehen,
und eines Tuͤrken Haus funfzehen dreyfuͤßige
Ruthen hoch ſeyn ſoll: dennoch, da Conſtan-
tinopel meiſtentheils auf Huͤgeln gebauet iſt,
kann der Mimar Aga, wenn man ihn wohl
beſtochen hat, erlauben, daß ein Gebaͤude zu
einer ſehr anſehnlichen Hoͤhe aufgefuͤhret wird;
naͤmlich ſo, daß er das Maß von dem Gipfel
des Huͤgels an nimmt. Denn auf dieſe Weiſe
kann es geſchehen, daß ein Haus, das an
der hintern Seite das geſetzte Maß hat, an
der voͤrdern Seite eine Hoͤhe von dreyßig drey-
fuͤßigen Ruthen und druͤber bekommen kann.
Eben ſo gehet es auch zu, wenn die Chriſten
vorhabens ſind, ihre alten Kirchen wieder neu
aufzubauen. Denn dieſes iſt ihnen zwar ver-
ſtattet; aber unter ſolchen harten Einſchraͤn-
kungen, daß ſie zu dem alten Bauzeuge weder
einen neuen Stein, noch ein neues Stuͤck
Zimmerholz hinzu thun duͤrfen. Daher wird
der Mimar Aga mit einer guten Summe Gel-
des beſtochen, daß er mehr Steine und mehr
41. Weil
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[450/0558] Osmaniſche Geſchichte 40.Allein, dieſes liſtige Vorhaben des Weßirs wird durch einen ploͤtzli- chen und unvermutheten Zufall zernichtet. Denn, kaum iſt die erſte Grund- legung davon geſchehen: ſo kommt der Feldherr der ſaporowiſchen Koſaken, Zirko, in der Ruͤckkehre von einem Zuge in die Tatarey, mit funfzehen tauſend Mann von ungefaͤhr in daſiger Nachbarſchaft vorbey; und da er hoͤret, daß in der Naͤhe daſelbſt eine neue Feſtung gebauet werde, aber nicht weis, von wem: ſo naͤhert er ſich, um den Augenſchein davon einzunehmen. Da er nun befindet, daß es Tuͤrken ſind: ſo umringet er dieſelben; und ungeachtet ſie ſich mit großer Herzhaftigkeit vertheidigen: ſo toͤdtet er doch alle die Werkleute und Arbeiter, ſamt ihrer Wache, und ſamt Kjemjelniſki, den die Tuͤrken zum Hetman der Ko- ſaken gemachet hatten. Hierauf ſchlaͤget er ſein Lager auf demſelben Platze auf, und ſendet unverzuͤglich einen Boten an den Zar ab, um ihm von dem Vorge- gangenen Nachricht zu geben; und dieſer ſchicket Befehl an Dolhoruki, der Romadonowſki als Oberbefehlhaber des Kriegsheeres nachgefolget war, daß derſelbe alle ſeine Voͤlker, ſo bald als es moͤglich ſey, zu Zirkos Truppen ſtoßen laſſen, und ſie beyderſeits mit vereinigten Kraͤften und Rathſchlaͤgen ſich allen Unternehmungen der Tuͤrken widerſetzen ſollten. 41. Weil daß ſie nicht hoͤher gefuͤhret werden, als es verſtattet iſt. Er hat die Aufſicht uͤber alle gemeinen Baumeiſter, insgemein Kalfa oder Chaͤlife genennet, und kann dieſelben am Leibe oder am Gelde ſtrafen, wenn ſie ein Gebaͤude nur einen Finger breit weiter, als es ſeyn ſoll, auf die Straße heraus ſetzen: imglei- chen, wenn ſie einen ſchiefen Winkel machen, oder allzuliederlich bauen; geſetzt auch, daß der Eigener nicht einmal daruͤber Beſchwerde fuͤhret. Es traͤget ſich oft zu, daß der Mi- mar Aga nicht einmal weis, was ein Fuß iſt, oder nur das mindeſte von der Baukunſt ver- ſtehet: denn weil es eine eintraͤgliche Stelle iſt; ſo wird ſie nicht dem beſten Baumeiſter, ſondern demjenigen zu Theile, der bey dem Weßire die groͤßte Gunſt hat. Es kann da niemand bauen, wie es ihm beliebet, wenn er nicht vorher den Mimar Aga durch Ge- ſchenke beſtochen hat. Denn, ungeachtet das Maß von allen Gebaͤuden durch beſondere Verordnungen von dem Sultane beſtimmet iſt; ſo daß eines Chriſten Haus dreyzehen, und eines Tuͤrken Haus funfzehen dreyfuͤßige Ruthen hoch ſeyn ſoll: dennoch, da Conſtan- tinopel meiſtentheils auf Huͤgeln gebauet iſt, kann der Mimar Aga, wenn man ihn wohl beſtochen hat, erlauben, daß ein Gebaͤude zu einer ſehr anſehnlichen Hoͤhe aufgefuͤhret wird; naͤmlich ſo, daß er das Maß von dem Gipfel des Huͤgels an nimmt. Denn auf dieſe Weiſe kann es geſchehen, daß ein Haus, das an der hintern Seite das geſetzte Maß hat, an der voͤrdern Seite eine Hoͤhe von dreyßig drey- fuͤßigen Ruthen und druͤber bekommen kann. Eben ſo gehet es auch zu, wenn die Chriſten vorhabens ſind, ihre alten Kirchen wieder neu aufzubauen. Denn dieſes iſt ihnen zwar ver- ſtattet; aber unter ſolchen harten Einſchraͤn- kungen, daß ſie zu dem alten Bauzeuge weder einen neuen Stein, noch ein neues Stuͤck Zimmerholz hinzu thun duͤrfen. Daher wird der Mimar Aga mit einer guten Summe Gel- des beſtochen, daß er mehr Steine und mehr Stuͤcke

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 450. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/558>, abgerufen am 22.11.2024.