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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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Osmanische Geschichte
unter der Befehlhabung seines Kjihaja in den Linien, um die Stadt während
der Zeit zu bestürmen. Ungeachtet es nun schiene, daß die Häupter des Heeres
diese Befehle mit besonderer Munterkeit vollzögen: so befand doch der Weßir
bald hernach, daß dasjenige, was Ibrahim Pascha ihm gesagt hatte, wahr sey,
und bereuete es zu spät, daß er seinem Rathe nicht gefolget hatte.

Die Jeng-itsche-
ri verlassen ihreLaufgräben.
77.

Nämlich gleich bey dem ersten Angriffe der Deutschen treten diejeni-
gen, die auf beyde Flügel gestellet waren, aus ihren Gliedern, und weigern
sich, den Befehlen ihrer Feldherren zu gehorchen. Die Jeng-itscheri, die in
den Schanzen und Werken zurück geblieben waren, beobachten, was in der
Schlacht vorging, verlassen die Belagerung von freyen Stücken, und ziehen
aus ihren Linien heraus: zwar unter dem Vorwande, ihren Mitbrüdern, die
in Noth wären, beyzuspringen; in der That aber, sich aus der Gefahr wegzu-
schleichen. Als daher kurz hernach die polnischen Völker näher herbey kommen
und den Haupttheil des Heeres angreifen: so ist derselbe gänzlich ohne Unter-
stützung. Die übrigen Jeng-itscheri und Sipahi nebst ihren Befehlhabern den-
ken nicht sowol an das Fechten, als an das Fliehen, und bemühen sich mit äu-
ßerster Geschwindigkeit, aus der Gefahr zu entrinnen.

Die Türken
werden geschla-
gen und in die
Flucht getrie-ben.
78.

Als Kara Mustäfa Pascha seine Soldaten auf allen Seiten zer-
streuet erblicket, und die Unmöglichkeit vor Augen siehet, das Treffen wieder
zu erneuern: so kehret er endlich selbst in das Lager zurück; und da er keinen
Menschen mehr in seinem Zelte antrifft: so beklaget er sein widriges Glück mit
einer ganzen Flut von Threnen, nimmt die Standarte Muhämmeds ganz al-
lein zu sich, und folget dem Reste seines Heeres mit aller möglichen Eilfertigkeit
nach. Bey Eindringung der Nacht wurden die Flüchtigen durch die Dunkel-
heit zwar vor dem Schwerte des Feindes bedecket; sie wurden aber dadurch
nicht von der Furcht befreyet, als die dieselben dergestalt stark eingenommen
[Spaltenumbruch]

55 geflohen seyen] Glückselig ist derje-
nige christliche Feldherr, der von den Türken
den ersten, andern und dritten Angriff aus-
hält. Denn wenn er sie zum dritten, oder
höchstens zum viertenmale zurückgetrieben
hat: so wird er alsdann gewiß wahrnehmen,
daß sie ihm den Rücken zukehren. Wenn er
nur hierauf mit langsamen Schritten auf sie
losgehet; wie ich angemerket, daß die Deut-
[Spaltenumbruch]
schen einigemale gethan haben: so wird er
sehen, daß sie nicht allein ihr Lager und Ge-
schütz verlassen und sich auf die weite Flucht
begeben; sondern auch durch ihr verwirrtes
Geschrey: Gjawr gjeldi, die Unglaubigen
kommen; das ganze Heer in Unordnung
bringen. Zwar haben dieselben einmal, näm-
lich im Jahre 1711, in einer Schlacht mit den
Russen, ihren Angriff siebenmal erneuert:

hatte,

Osmaniſche Geſchichte
unter der Befehlhabung ſeines Kjihaja in den Linien, um die Stadt waͤhrend
der Zeit zu beſtuͤrmen. Ungeachtet es nun ſchiene, daß die Haͤupter des Heeres
dieſe Befehle mit beſonderer Munterkeit vollzoͤgen: ſo befand doch der Weßir
bald hernach, daß dasjenige, was Ibrahim Paſcha ihm geſagt hatte, wahr ſey,
und bereuete es zu ſpaͤt, daß er ſeinem Rathe nicht gefolget hatte.

Die Jeng-itſche-
ri verlaſſen ihreLaufgraͤben.
77.

Naͤmlich gleich bey dem erſten Angriffe der Deutſchen treten diejeni-
gen, die auf beyde Fluͤgel geſtellet waren, aus ihren Gliedern, und weigern
ſich, den Befehlen ihrer Feldherren zu gehorchen. Die Jeng-itſcheri, die in
den Schanzen und Werken zuruͤck geblieben waren, beobachten, was in der
Schlacht vorging, verlaſſen die Belagerung von freyen Stuͤcken, und ziehen
aus ihren Linien heraus: zwar unter dem Vorwande, ihren Mitbruͤdern, die
in Noth waͤren, beyzuſpringen; in der That aber, ſich aus der Gefahr wegzu-
ſchleichen. Als daher kurz hernach die polniſchen Voͤlker naͤher herbey kommen
und den Haupttheil des Heeres angreifen: ſo iſt derſelbe gaͤnzlich ohne Unter-
ſtuͤtzung. Die uͤbrigen Jeng-itſcheri und Sipahi nebſt ihren Befehlhabern den-
ken nicht ſowol an das Fechten, als an das Fliehen, und bemuͤhen ſich mit aͤu-
ßerſter Geſchwindigkeit, aus der Gefahr zu entrinnen.

Die Tuͤrken
werden geſchla-
gen und in die
Flucht getrie-ben.
78.

Als Kara Muſtaͤfa Paſcha ſeine Soldaten auf allen Seiten zer-
ſtreuet erblicket, und die Unmoͤglichkeit vor Augen ſiehet, das Treffen wieder
zu erneuern: ſo kehret er endlich ſelbſt in das Lager zuruͤck; und da er keinen
Menſchen mehr in ſeinem Zelte antrifft: ſo beklaget er ſein widriges Gluͤck mit
einer ganzen Flut von Threnen, nimmt die Standarte Muhaͤmmeds ganz al-
lein zu ſich, und folget dem Reſte ſeines Heeres mit aller moͤglichen Eilfertigkeit
nach. Bey Eindringung der Nacht wurden die Fluͤchtigen durch die Dunkel-
heit zwar vor dem Schwerte des Feindes bedecket; ſie wurden aber dadurch
nicht von der Furcht befreyet, als die dieſelben dergeſtalt ſtark eingenommen
[Spaltenumbruch]

55 geflohen ſeyen] Gluͤckſelig iſt derje-
nige chriſtliche Feldherr, der von den Tuͤrken
den erſten, andern und dritten Angriff aus-
haͤlt. Denn wenn er ſie zum dritten, oder
hoͤchſtens zum viertenmale zuruͤckgetrieben
hat: ſo wird er alsdann gewiß wahrnehmen,
daß ſie ihm den Ruͤcken zukehren. Wenn er
nur hierauf mit langſamen Schritten auf ſie
losgehet; wie ich angemerket, daß die Deut-
[Spaltenumbruch]
ſchen einigemale gethan haben: ſo wird er
ſehen, daß ſie nicht allein ihr Lager und Ge-
ſchuͤtz verlaſſen und ſich auf die weite Flucht
begeben; ſondern auch durch ihr verwirrtes
Geſchrey: Gjawr gjeldi, die Unglaubigen
kommen; das ganze Heer in Unordnung
bringen. Zwar haben dieſelben einmal, naͤm-
lich im Jahre 1711, in einer Schlacht mit den
Ruſſen, ihren Angriff ſiebenmal erneuert:

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[482/0590] Osmaniſche Geſchichte unter der Befehlhabung ſeines Kjihaja in den Linien, um die Stadt waͤhrend der Zeit zu beſtuͤrmen. Ungeachtet es nun ſchiene, daß die Haͤupter des Heeres dieſe Befehle mit beſonderer Munterkeit vollzoͤgen: ſo befand doch der Weßir bald hernach, daß dasjenige, was Ibrahim Paſcha ihm geſagt hatte, wahr ſey, und bereuete es zu ſpaͤt, daß er ſeinem Rathe nicht gefolget hatte. 77. Naͤmlich gleich bey dem erſten Angriffe der Deutſchen treten diejeni- gen, die auf beyde Fluͤgel geſtellet waren, aus ihren Gliedern, und weigern ſich, den Befehlen ihrer Feldherren zu gehorchen. Die Jeng-itſcheri, die in den Schanzen und Werken zuruͤck geblieben waren, beobachten, was in der Schlacht vorging, verlaſſen die Belagerung von freyen Stuͤcken, und ziehen aus ihren Linien heraus: zwar unter dem Vorwande, ihren Mitbruͤdern, die in Noth waͤren, beyzuſpringen; in der That aber, ſich aus der Gefahr wegzu- ſchleichen. Als daher kurz hernach die polniſchen Voͤlker naͤher herbey kommen und den Haupttheil des Heeres angreifen: ſo iſt derſelbe gaͤnzlich ohne Unter- ſtuͤtzung. Die uͤbrigen Jeng-itſcheri und Sipahi nebſt ihren Befehlhabern den- ken nicht ſowol an das Fechten, als an das Fliehen, und bemuͤhen ſich mit aͤu- ßerſter Geſchwindigkeit, aus der Gefahr zu entrinnen. 78. Als Kara Muſtaͤfa Paſcha ſeine Soldaten auf allen Seiten zer- ſtreuet erblicket, und die Unmoͤglichkeit vor Augen ſiehet, das Treffen wieder zu erneuern: ſo kehret er endlich ſelbſt in das Lager zuruͤck; und da er keinen Menſchen mehr in ſeinem Zelte antrifft: ſo beklaget er ſein widriges Gluͤck mit einer ganzen Flut von Threnen, nimmt die Standarte Muhaͤmmeds ganz al- lein zu ſich, und folget dem Reſte ſeines Heeres mit aller moͤglichen Eilfertigkeit nach. Bey Eindringung der Nacht wurden die Fluͤchtigen durch die Dunkel- heit zwar vor dem Schwerte des Feindes bedecket; ſie wurden aber dadurch nicht von der Furcht befreyet, als die dieſelben dergeſtalt ſtark eingenommen hatte, ⁵⁵ geflohen ſeyen] Gluͤckſelig iſt derje- nige chriſtliche Feldherr, der von den Tuͤrken den erſten, andern und dritten Angriff aus- haͤlt. Denn wenn er ſie zum dritten, oder hoͤchſtens zum viertenmale zuruͤckgetrieben hat: ſo wird er alsdann gewiß wahrnehmen, daß ſie ihm den Ruͤcken zukehren. Wenn er nur hierauf mit langſamen Schritten auf ſie losgehet; wie ich angemerket, daß die Deut- ſchen einigemale gethan haben: ſo wird er ſehen, daß ſie nicht allein ihr Lager und Ge- ſchuͤtz verlaſſen und ſich auf die weite Flucht begeben; ſondern auch durch ihr verwirrtes Geſchrey: Gjawr gjeldi, die Unglaubigen kommen; das ganze Heer in Unordnung bringen. Zwar haben dieſelben einmal, naͤm- lich im Jahre 1711, in einer Schlacht mit den Ruſſen, ihren Angriff ſiebenmal erneuert: allein,

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 482. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/590>, abgerufen am 22.11.2024.