unverzüglich Abgeordneten in das kaiserliche Lager sendet, wegen ihres Verbre- chens um Vergebung bittet, und auf das künftige dem Kaiser Gehorsam zusa- get. Ihre Anerbietungen werden auch angenommen; und die Abgeordneten kehren wieder in die Stadt zurück, und verkündigen den Einwohnern des Kai- sers Gnade. Als die von der Besatzung hiervon Nachricht bekommen: so öff- nen dieselben am sechs und zwanzigsten des Monats Ssülkäde die Stadtthore, leisten den Eid der Treue, und werden unter die übrigen kaiserlichen Truppen gesteckt; da sie dann nach aller ihrer Mühseligkeit wieder einige Ruhe genießen.
119.
Allein, die Polen hatten ganz das gegenseitige Schicksal in Moldau.Der König in Polen bemühet sich zur Unzeit, den Fürsten von Moldau auf sei- ne Seite zu zie- hen. Der König hatte aus dem schlechten Ablaufe des letztern Feldzuges gelernet, daß nichts zu Polens Vortheile in den dasigen Ländern ausgerichtet werden könne; es sey dann, daß er die Einwohner auf seine Seite brächte. Daher bemühete er sich den ganzen Winter hindurch, den Fürsten in Moldau, Con- stantin Kantemir, zu gewinnen, und reizte denselben durch öftere Briefe und abgeschickte Boten an, von den Türken abfällig zu werden. Kantemir gab dem Könige zur Antwort: "er sey nicht allein von der Religion wegen, "zu der er sich bekenne, verbunden; sondern werde so gar von der stärksten "Neigung angetrieben, alles das Seinige zur Dämpfung des Feindes des christ- "lichen Namens zu wagen: wenn er nur sehen könnte, daß durch seinen Ab- "fall der Christenheit der mindeste Vortheil zuwachsen würde. Da aber "der gegenwärtige Zustand der Sachen also beschaffen sey, daß, aller Vermu- "thung nach, sein Abfall demjenigen, dessen Partey er ergreifen sollte, mehr "nachtheilig als vortheilhaft seyn würde: so sey er gezwungen, die Vollzie- "hung seines Vorhabens bis auf eine günstigere Gelegenheit auszusetzen. "Denn, weil nicht allein sein ältester Sohn, sondern auch die Söhne der vor- "nehmsten Edelleute, als Geißel zu Constantinopel verwahret werden: so "glaube er, wenn er auch für sich darein willigen wollte, die Landstände wür- "den nicht dazu beweget werden können, daß sie den Verlust, nicht allein ihres "Vermögens, sondern auch, das meistentheils noch schmerzlicher sey, ihrer Kin- "der, erduldeten, ihr Vaterland mit dem Rücken ansähen, und als Vertriebene "sich in einem fremden Lande aufhielten."
120.
Als Sobjeski befindet, daß der Fürst bey allen seinen ZuredungenKantemir giebt den Polen herr- liche Anschläge: unbeweglich bleibet: so lässet er im Anfange des Sommers seine Völker, unter Potozkis und Jablonowskis Anführung, gegen die Moldau anrücken. Auf erhaltene Nachricht hiervon, giebt Kantemir den Feldherren durch Briefe noch- mals den Rath: "sie sollten nicht in Moldau einfallen; sondern vorher "Kamjenjez wegnehmen, ehe sie versuchten, über den Dnjester zu gehen.
"Denn
3 S 3
19. Muhaͤmmed der IIII
unverzuͤglich Abgeordneten in das kaiſerliche Lager ſendet, wegen ihres Verbre- chens um Vergebung bittet, und auf das kuͤnftige dem Kaiſer Gehorſam zuſa- get. Ihre Anerbietungen werden auch angenommen; und die Abgeordneten kehren wieder in die Stadt zuruͤck, und verkuͤndigen den Einwohnern des Kai- ſers Gnade. Als die von der Beſatzung hiervon Nachricht bekommen: ſo oͤff- nen dieſelben am ſechs und zwanzigſten des Monats Sſuͤlkaͤde die Stadtthore, leiſten den Eid der Treue, und werden unter die uͤbrigen kaiſerlichen Truppen geſteckt; da ſie dann nach aller ihrer Muͤhſeligkeit wieder einige Ruhe genießen.
119.
Allein, die Polen hatten ganz das gegenſeitige Schickſal in Moldau.Der Koͤnig in Polen bemuͤhet ſich zur Unzeit, den Fuͤrſten von Moldau auf ſei- ne Seite zu zie- hen. Der Koͤnig hatte aus dem ſchlechten Ablaufe des letztern Feldzuges gelernet, daß nichts zu Polens Vortheile in den daſigen Laͤndern ausgerichtet werden koͤnne; es ſey dann, daß er die Einwohner auf ſeine Seite braͤchte. Daher bemuͤhete er ſich den ganzen Winter hindurch, den Fuͤrſten in Moldau, Con- ſtantin Kantemir, zu gewinnen, und reizte denſelben durch oͤftere Briefe und abgeſchickte Boten an, von den Tuͤrken abfaͤllig zu werden. Kantemir gab dem Koͤnige zur Antwort: “er ſey nicht allein von der Religion wegen, “zu der er ſich bekenne, verbunden; ſondern werde ſo gar von der ſtaͤrkſten “Neigung angetrieben, alles das Seinige zur Daͤmpfung des Feindes des chriſt- “lichen Namens zu wagen: wenn er nur ſehen koͤnnte, daß durch ſeinen Ab- “fall der Chriſtenheit der mindeſte Vortheil zuwachſen wuͤrde. Da aber “der gegenwaͤrtige Zuſtand der Sachen alſo beſchaffen ſey, daß, aller Vermu- “thung nach, ſein Abfall demjenigen, deſſen Partey er ergreifen ſollte, mehr “nachtheilig als vortheilhaft ſeyn wuͤrde: ſo ſey er gezwungen, die Vollzie- “hung ſeines Vorhabens bis auf eine guͤnſtigere Gelegenheit auszuſetzen. “Denn, weil nicht allein ſein aͤlteſter Sohn, ſondern auch die Soͤhne der vor- “nehmſten Edelleute, als Geißel zu Conſtantinopel verwahret werden: ſo “glaube er, wenn er auch fuͤr ſich darein willigen wollte, die Landſtaͤnde wuͤr- “den nicht dazu beweget werden koͤnnen, daß ſie den Verluſt, nicht allein ihres “Vermoͤgens, ſondern auch, das meiſtentheils noch ſchmerzlicher ſey, ihrer Kin- “der, erduldeten, ihr Vaterland mit dem Ruͤcken anſaͤhen, und als Vertriebene “ſich in einem fremden Lande aufhielten.„
120.
Als Sobjeſki befindet, daß der Fuͤrſt bey allen ſeinen ZuredungenKantemir giebt den Polen herr- liche Anſchlaͤge: unbeweglich bleibet: ſo laͤſſet er im Anfange des Sommers ſeine Voͤlker, unter Potozkis und Jablonowſkis Anfuͤhrung, gegen die Moldau anruͤcken. Auf erhaltene Nachricht hiervon, giebt Kantemir den Feldherren durch Briefe noch- mals den Rath: “ſie ſollten nicht in Moldau einfallen; ſondern vorher “Kamjenjez wegnehmen, ehe ſie verſuchten, uͤber den Dnjeſter zu gehen.
“Denn
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19. Muhaͤmmed der IIII
unverzuͤglich Abgeordneten in das kaiſerliche Lager ſendet, wegen ihres Verbre-
chens um Vergebung bittet, und auf das kuͤnftige dem Kaiſer Gehorſam zuſa-
get. Ihre Anerbietungen werden auch angenommen; und die Abgeordneten
kehren wieder in die Stadt zuruͤck, und verkuͤndigen den Einwohnern des Kai-
ſers Gnade. Als die von der Beſatzung hiervon Nachricht bekommen: ſo oͤff-
nen dieſelben am ſechs und zwanzigſten des Monats Sſuͤlkaͤde die Stadtthore,
leiſten den Eid der Treue, und werden unter die uͤbrigen kaiſerlichen Truppen
geſteckt; da ſie dann nach aller ihrer Muͤhſeligkeit wieder einige Ruhe genießen.
119. Allein, die Polen hatten ganz das gegenſeitige Schickſal in Moldau.
Der Koͤnig hatte aus dem ſchlechten Ablaufe des letztern Feldzuges gelernet,
daß nichts zu Polens Vortheile in den daſigen Laͤndern ausgerichtet werden
koͤnne; es ſey dann, daß er die Einwohner auf ſeine Seite braͤchte. Daher
bemuͤhete er ſich den ganzen Winter hindurch, den Fuͤrſten in Moldau, Con-
ſtantin Kantemir, zu gewinnen, und reizte denſelben durch oͤftere Briefe und
abgeſchickte Boten an, von den Tuͤrken abfaͤllig zu werden. Kantemir gab
dem Koͤnige zur Antwort: “er ſey nicht allein von der Religion wegen,
“zu der er ſich bekenne, verbunden; ſondern werde ſo gar von der ſtaͤrkſten
“Neigung angetrieben, alles das Seinige zur Daͤmpfung des Feindes des chriſt-
“lichen Namens zu wagen: wenn er nur ſehen koͤnnte, daß durch ſeinen Ab-
“fall der Chriſtenheit der mindeſte Vortheil zuwachſen wuͤrde. Da aber
“der gegenwaͤrtige Zuſtand der Sachen alſo beſchaffen ſey, daß, aller Vermu-
“thung nach, ſein Abfall demjenigen, deſſen Partey er ergreifen ſollte, mehr
“nachtheilig als vortheilhaft ſeyn wuͤrde: ſo ſey er gezwungen, die Vollzie-
“hung ſeines Vorhabens bis auf eine guͤnſtigere Gelegenheit auszuſetzen.
“Denn, weil nicht allein ſein aͤlteſter Sohn, ſondern auch die Soͤhne der vor-
“nehmſten Edelleute, als Geißel zu Conſtantinopel verwahret werden: ſo
“glaube er, wenn er auch fuͤr ſich darein willigen wollte, die Landſtaͤnde wuͤr-
“den nicht dazu beweget werden koͤnnen, daß ſie den Verluſt, nicht allein ihres
“Vermoͤgens, ſondern auch, das meiſtentheils noch ſchmerzlicher ſey, ihrer Kin-
“der, erduldeten, ihr Vaterland mit dem Ruͤcken anſaͤhen, und als Vertriebene
“ſich in einem fremden Lande aufhielten.„
Der Koͤnig in
Polen bemuͤhet
ſich zur Unzeit,
den Fuͤrſten von
Moldau auf ſei-
ne Seite zu zie-
hen.
120. Als Sobjeſki befindet, daß der Fuͤrſt bey allen ſeinen Zuredungen
unbeweglich bleibet: ſo laͤſſet er im Anfange des Sommers ſeine Voͤlker, unter
Potozkis und Jablonowſkis Anfuͤhrung, gegen die Moldau anruͤcken. Auf
erhaltene Nachricht hiervon, giebt Kantemir den Feldherren durch Briefe noch-
mals den Rath: “ſie ſollten nicht in Moldau einfallen; ſondern vorher
“Kamjenjez wegnehmen, ehe ſie verſuchten, uͤber den Dnjeſter zu gehen.
“Denn
Kantemir giebt
den Polen herr-
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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 509. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/617>, abgerufen am 22.11.2024.
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