hatte dessen Gemalinn, die Heldinn unserer Zeit, so viel Truppen, als ihr mög- lich war, daselbst versammelt, und den Ort mit einer großen Menge Lebens- mittel versehen; in Hoffnung, denselben so lange zu vertheidigen, bis der Krieg geendiget wäre, oder das türkische Heer zu dessen Entsatze herbey käme.
13.
Nachdem nun die türkischen Völker von den benachbarten Gegen-Die Kaiserli- chen erobern Mongatsch, und bekommen Teö- keölis Gemalinn gefangen. den vertrieben waren: so trachtete der Graf Merci, im Jahre 1098, auch dieses ihr Schloß unter seine Gewalt zu bringen, und ließ demselben einige Monate hindurch mit Geschütz und Bomben stark zusetzen. Weil er aber sahe, daß er damit wenig ausrichtete; wegen der heldenmäßigen Tapferkeit und sonderbaren Standhaftigkeit dieses Frauenzimmers (das da Lob verdienete, wenn es seine großen Eigenschaften zur Vertheidigung seines Vaterlandes angewendet hätte): so hielte er die Festung in einer gewissen Weite so genau eingeschlossen, und schnitte derselben alle Zufuhre dergestalt ab, daß Teökeölis Gemalinn mehr durch Hunger, als durch das feindliche Schwert, überwunden und genöthiget wurde, am vierzehenten des Monats Rebiül ewwel im Jahre 1099*, sich und das Schloß dem Kaiser auf Gnade und Ungnade zu ergeben.
14.
Als die Zeitungen von diesen unglücklichen Begebenheiten nach Con-Die unruhige Gemüthsart der Türken drohet einen neuen Auf- stand. stantinopel kamen: so erregten sie bey dem gemeinen Volke und den Soldaten aufs neue aufrührische Gedanken. Sie hatten nämlich insgesammt die Hoff- nung geschöpfet, nachdem der Sultan Muhämmed, als Urheber des ungerech- ten Krieges, abgesetzet und die Regierung Sülejman übertragen sey; das ist, einem Fürsten von besonderer Heiligkeit, wie sie sich ihn einbildeten: so würde der göttliche Zorn gestillet, und die Feinde, die den innern Ländern des Reiches zu drohen schienen, zurück getrieben werden. Als sie aber sich in ihrer Erwar- tung betrogen sahen: so streueten sie allerhand anzügliche Schriften in die Dschami und den Diwan, darinnen Vorwürfe gegen des Sultans Nachlässigkeit enthalten waren, und noch mancherley andere spitzigen Aufsätze sowol in unge- bundener, als gebundener Schreibart; darinnen nicht allein der Weßir und die vornehmsten Bedienten, sondern auch der Sultan selbst, scharf durchgehechelt wurden. Der Weßir hatte auf diese Dinge ein sehr wachsames Auge, ließ die [Spaltenumbruch]
der Meerbusen von Nikomedia genennet, der von dem Meere von Marmora bis in das schwarze Meer gehet. Den Namen Gjetschid oder Ueberfahrt hat er daher bekommen, weil [Spaltenumbruch] der Weg, der aus Asien nach Constantinopel herüber führet, nahe an diesem Meerbusen lieget.
Wachen
* am sechsten Januar, 1688.
4 C 3
20. Suͤlejman der II
hatte deſſen Gemalinn, die Heldinn unſerer Zeit, ſo viel Truppen, als ihr moͤg- lich war, daſelbſt verſammelt, und den Ort mit einer großen Menge Lebens- mittel verſehen; in Hoffnung, denſelben ſo lange zu vertheidigen, bis der Krieg geendiget waͤre, oder das tuͤrkiſche Heer zu deſſen Entſatze herbey kaͤme.
13.
Nachdem nun die tuͤrkiſchen Voͤlker von den benachbarten Gegen-Die Kaiſerli- chen erobern Mongatſch, und bekommen Teoͤ- keoͤlis Gemalinn gefangen. den vertrieben waren: ſo trachtete der Graf Merci, im Jahre 1098, auch dieſes ihr Schloß unter ſeine Gewalt zu bringen, und ließ demſelben einige Monate hindurch mit Geſchuͤtz und Bomben ſtark zuſetzen. Weil er aber ſahe, daß er damit wenig ausrichtete; wegen der heldenmaͤßigen Tapferkeit und ſonderbaren Standhaftigkeit dieſes Frauenzimmers (das da Lob verdienete, wenn es ſeine großen Eigenſchaften zur Vertheidigung ſeines Vaterlandes angewendet haͤtte): ſo hielte er die Feſtung in einer gewiſſen Weite ſo genau eingeſchloſſen, und ſchnitte derſelben alle Zufuhre dergeſtalt ab, daß Teoͤkeoͤlis Gemalinn mehr durch Hunger, als durch das feindliche Schwert, uͤberwunden und genoͤthiget wurde, am vierzehenten des Monats Rebiuͤl ewwel im Jahre 1099*, ſich und das Schloß dem Kaiſer auf Gnade und Ungnade zu ergeben.
14.
Als die Zeitungen von dieſen ungluͤcklichen Begebenheiten nach Con-Die unruhige Gemuͤthsart der Tuͤrken drohet einen neuen Auf- ſtand. ſtantinopel kamen: ſo erregten ſie bey dem gemeinen Volke und den Soldaten aufs neue aufruͤhriſche Gedanken. Sie hatten naͤmlich insgeſammt die Hoff- nung geſchoͤpfet, nachdem der Sultan Muhaͤmmed, als Urheber des ungerech- ten Krieges, abgeſetzet und die Regierung Suͤlejman uͤbertragen ſey; das iſt, einem Fuͤrſten von beſonderer Heiligkeit, wie ſie ſich ihn einbildeten: ſo wuͤrde der goͤttliche Zorn geſtillet, und die Feinde, die den innern Laͤndern des Reiches zu drohen ſchienen, zuruͤck getrieben werden. Als ſie aber ſich in ihrer Erwar- tung betrogen ſahen: ſo ſtreueten ſie allerhand anzuͤgliche Schriften in die Dſchami und den Diwan, darinnen Vorwuͤrfe gegen des Sultans Nachlaͤſſigkeit enthalten waren, und noch mancherley andere ſpitzigen Aufſaͤtze ſowol in unge- bundener, als gebundener Schreibart; darinnen nicht allein der Weßir und die vornehmſten Bedienten, ſondern auch der Sultan ſelbſt, ſcharf durchgehechelt wurden. Der Weßir hatte auf dieſe Dinge ein ſehr wachſames Auge, ließ die [Spaltenumbruch]
der Meerbuſen von Nikomedia genennet, der von dem Meere von Marmora bis in das ſchwarze Meer gehet. Den Namen Gjetſchid oder Ueberfahrt hat er daher bekommen, weil [Spaltenumbruch] der Weg, der aus Aſien nach Conſtantinopel heruͤber fuͤhret, nahe an dieſem Meerbuſen lieget.
Wachen
* am ſechsten Januar, 1688.
4 C 3
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[573/0683]
20. Suͤlejman der II
hatte deſſen Gemalinn, die Heldinn unſerer Zeit, ſo viel Truppen, als ihr moͤg-
lich war, daſelbſt verſammelt, und den Ort mit einer großen Menge Lebens-
mittel verſehen; in Hoffnung, denſelben ſo lange zu vertheidigen, bis der Krieg
geendiget waͤre, oder das tuͤrkiſche Heer zu deſſen Entſatze herbey kaͤme.
13. Nachdem nun die tuͤrkiſchen Voͤlker von den benachbarten Gegen-
den vertrieben waren: ſo trachtete der Graf Merci, im Jahre 1098, auch dieſes
ihr Schloß unter ſeine Gewalt zu bringen, und ließ demſelben einige Monate
hindurch mit Geſchuͤtz und Bomben ſtark zuſetzen. Weil er aber ſahe, daß er
damit wenig ausrichtete; wegen der heldenmaͤßigen Tapferkeit und ſonderbaren
Standhaftigkeit dieſes Frauenzimmers (das da Lob verdienete, wenn es ſeine
großen Eigenſchaften zur Vertheidigung ſeines Vaterlandes angewendet haͤtte):
ſo hielte er die Feſtung in einer gewiſſen Weite ſo genau eingeſchloſſen, und
ſchnitte derſelben alle Zufuhre dergeſtalt ab, daß Teoͤkeoͤlis Gemalinn mehr durch
Hunger, als durch das feindliche Schwert, uͤberwunden und genoͤthiget wurde,
am vierzehenten des Monats Rebiuͤl ewwel im Jahre 1099 *, ſich und das
Schloß dem Kaiſer auf Gnade und Ungnade zu ergeben.
Die Kaiſerli-
chen erobern
Mongatſch, und
bekommen Teoͤ-
keoͤlis Gemalinn
gefangen.
14. Als die Zeitungen von dieſen ungluͤcklichen Begebenheiten nach Con-
ſtantinopel kamen: ſo erregten ſie bey dem gemeinen Volke und den Soldaten
aufs neue aufruͤhriſche Gedanken. Sie hatten naͤmlich insgeſammt die Hoff-
nung geſchoͤpfet, nachdem der Sultan Muhaͤmmed, als Urheber des ungerech-
ten Krieges, abgeſetzet und die Regierung Suͤlejman uͤbertragen ſey; das iſt,
einem Fuͤrſten von beſonderer Heiligkeit, wie ſie ſich ihn einbildeten: ſo wuͤrde
der goͤttliche Zorn geſtillet, und die Feinde, die den innern Laͤndern des Reiches
zu drohen ſchienen, zuruͤck getrieben werden. Als ſie aber ſich in ihrer Erwar-
tung betrogen ſahen: ſo ſtreueten ſie allerhand anzuͤgliche Schriften in die
Dſchami und den Diwan, darinnen Vorwuͤrfe gegen des Sultans Nachlaͤſſigkeit
enthalten waren, und noch mancherley andere ſpitzigen Aufſaͤtze ſowol in unge-
bundener, als gebundener Schreibart; darinnen nicht allein der Weßir und die
vornehmſten Bedienten, ſondern auch der Sultan ſelbſt, ſcharf durchgehechelt
wurden. Der Weßir hatte auf dieſe Dinge ein ſehr wachſames Auge, ließ die
Wachen
der Meerbuſen von Nikomedia genennet, der
von dem Meere von Marmora bis in das
ſchwarze Meer gehet. Den Namen Gjetſchid
oder Ueberfahrt hat er daher bekommen, weil
der Weg, der aus Aſien nach Conſtantinopel
heruͤber fuͤhret, nahe an dieſem Meerbuſen
lieget.
Die unruhige
Gemuͤthsart der
Tuͤrken drohet
einen neuen Auf-
ſtand.
* am ſechsten Januar, 1688.
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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 573. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/683>, abgerufen am 22.11.2024.
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