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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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20. Sülejman der II
tan erreget werden möchte: so redete er demselben zu, daß er sich im Frühjahre
nach Adrianopel begeben sollte. Von hier trat der Weßir, gegen den Anfang
des Monats Schewwal des Jahres 1101, mit dem gesammten Heere, das vollH. 1101.


J. C. 1689.

Hoffnung zu siegen war, den Zug nach Belgrad an. Als er über das Ge-
birge Hömus ging, welchen Weg die Türken Kiß Derbend 21 nennen: so erhielte
er durch seine Parteyen Nachricht, daß einige tausend Deutschen von Belgrad
her auf dem Wege seyen, die Besatzung zu Nissa zu verstärken.

[Spaltenumbruch]
rem Dorfe, die in einem verfallenen Stande
war, ausbessern dürften. Er setzet daher
seine Hand über die gewöhnliche Formel, und
befiehlet dem Büjürildi Teßkjeredschi*, diese
Vergünstigung durch einen eigenen Befehl zu
bestätigen. Als nun der Sekretär das Fer-
man in der alten Formel, die in diesem Falle
gewöhnlich war, ausfertiget; nämlich, daß
die Leute ihre Kirche mit eben demselben Holze,
Steinen und Kalche ausbessern sollten: so
giebet ihm Kjüprili darüber einen derben
Verweis, und heißet ihn einen unverständi-
gen dummen Menschen. Der Teßkjeredschi
erschrickt darüber, so daß er für Furcht zit-
tert und bebet, und berufet sich auf die alte
Formel, nach der er den Befehl aufgesetzet
habe. Der Weßir wird dadurch noch mehr
aufgebracht, und versetzet darauf: Das waren
Narren, die diese Formel zuerst gemacht ha-
ben, und diejenigen sind nicht klüger gewe-
sen, die ihnen dieselbe nachgeschrieben haben.
Denn wie kann doch ein Stück Holz, wann
es verfaulet ist, wieder zu seiner vorigen Stärke
gebracht werden, daß es geschickt ist, dasje-
nige zu unterstützen, was einfallen will?
oder wie kann der Kalch, nachdem er durch
die Länge der Zeit ausgefressen ist, wieder so
zugerichtet werden, daß er zureichet, nicht
allein ein neues Gebäude aufzuführen, son-
dern auch die Ritzen gegen die Beschädigun-
gen des Wetters zu verwahren? Wenn wir
[Spaltenumbruch]
daher unsern Unterthanen die Freyheit ver-
statten, ihre Kirchen auszubessern: so müssen
wir ihnen auch vergönnen, es auf die Weise
zu thun, wie die Vernunft an die Hand giebt,
daß es möglicher Weise geschehen kann.
Man soll ihnen also wissen lassen, daß sie
ihre Kirche so gut ausbessern mögen, als sie
können; und wenn sie so sehr verfallen ist,
daß sie nicht kann ausgebessert werden: so
mögen sie eine neue bauen. Nur lasset uns
dahin sehen, daß sie dieselbe nicht mit dem
müsülmanischen Gelde, sondern mit ihrem
eigenen, bauen, und daß sie dabey ihren auf-
erlegten Tribut ordentlich bezahlen. Dieses
hat das Sprichwort veranlasset, das die Grie-
chen noch heutiges Tages unter sich haben:
Kjüprili habe mehr Kirchen gebauet, als Ju-
stinian.
21 Kiß Derbend] das ist, der Jung-
fernpaß. Es sind zween Pässe über die lange
Reihe des Gebirges Hömus gegen Belgrad zu:
Kiß Derbend, der Jungfernpaß, der, wie die
Türken sagen, durch eine gewisse Jungfer, eine
königliche Prinzessinn, die ungefähr auf die-
sem Gebirge herum geirret, soll entdecket wor-
den seyn; und Kapuli Derbend, der Thorpaß.
An dem östlichen Eintritte dieses Passes sind
noch heutiges Tages die Trümmer eines sehr
alten und schönen Thores zu sehen, das von
vielen für ein Werk Trajans gehalten wird.
46. Um
* Dieses ist der Sekretär der auszufertigenden Befehle bey den Paschen und Weßiren.

20. Suͤlejman der II
tan erreget werden moͤchte: ſo redete er demſelben zu, daß er ſich im Fruͤhjahre
nach Adrianopel begeben ſollte. Von hier trat der Weßir, gegen den Anfang
des Monats Schewwal des Jahres 1101, mit dem geſammten Heere, das vollH. 1101.


J. C. 1689.

Hoffnung zu ſiegen war, den Zug nach Belgrad an. Als er uͤber das Ge-
birge Hoͤmus ging, welchen Weg die Tuͤrken Kiß Derbend 21 nennen: ſo erhielte
er durch ſeine Parteyen Nachricht, daß einige tauſend Deutſchen von Belgrad
her auf dem Wege ſeyen, die Beſatzung zu Niſſa zu verſtaͤrken.

[Spaltenumbruch]
rem Dorfe, die in einem verfallenen Stande
war, ausbeſſern duͤrften. Er ſetzet daher
ſeine Hand uͤber die gewoͤhnliche Formel, und
befiehlet dem Buͤjuͤrildi Teßkjeredſchi*, dieſe
Verguͤnſtigung durch einen eigenen Befehl zu
beſtaͤtigen. Als nun der Sekretaͤr das Fer-
man in der alten Formel, die in dieſem Falle
gewoͤhnlich war, ausfertiget; naͤmlich, daß
die Leute ihre Kirche mit eben demſelben Holze,
Steinen und Kalche ausbeſſern ſollten: ſo
giebet ihm Kjuͤprili daruͤber einen derben
Verweis, und heißet ihn einen unverſtaͤndi-
gen dummen Menſchen. Der Teßkjeredſchi
erſchrickt daruͤber, ſo daß er fuͤr Furcht zit-
tert und bebet, und berufet ſich auf die alte
Formel, nach der er den Befehl aufgeſetzet
habe. Der Weßir wird dadurch noch mehr
aufgebracht, und verſetzet darauf: Das waren
Narren, die dieſe Formel zuerſt gemacht ha-
ben, und diejenigen ſind nicht kluͤger gewe-
ſen, die ihnen dieſelbe nachgeſchrieben haben.
Denn wie kann doch ein Stuͤck Holz, wann
es verfaulet iſt, wieder zu ſeiner vorigen Staͤrke
gebracht werden, daß es geſchickt iſt, dasje-
nige zu unterſtuͤtzen, was einfallen will?
oder wie kann der Kalch, nachdem er durch
die Laͤnge der Zeit ausgefreſſen iſt, wieder ſo
zugerichtet werden, daß er zureichet, nicht
allein ein neues Gebaͤude aufzufuͤhren, ſon-
dern auch die Ritzen gegen die Beſchaͤdigun-
gen des Wetters zu verwahren? Wenn wir
[Spaltenumbruch]
daher unſern Unterthanen die Freyheit ver-
ſtatten, ihre Kirchen auszubeſſern: ſo muͤſſen
wir ihnen auch vergoͤnnen, es auf die Weiſe
zu thun, wie die Vernunft an die Hand giebt,
daß es moͤglicher Weiſe geſchehen kann.
Man ſoll ihnen alſo wiſſen laſſen, daß ſie
ihre Kirche ſo gut ausbeſſern moͤgen, als ſie
koͤnnen; und wenn ſie ſo ſehr verfallen iſt,
daß ſie nicht kann ausgebeſſert werden: ſo
moͤgen ſie eine neue bauen. Nur laſſet uns
dahin ſehen, daß ſie dieſelbe nicht mit dem
muͤſuͤlmaniſchen Gelde, ſondern mit ihrem
eigenen, bauen, und daß ſie dabey ihren auf-
erlegten Tribut ordentlich bezahlen. Dieſes
hat das Sprichwort veranlaſſet, das die Grie-
chen noch heutiges Tages unter ſich haben:
Kjuͤprili habe mehr Kirchen gebauet, als Ju-
ſtinian.
21 Kiß Derbend] das iſt, der Jung-
fernpaß. Es ſind zween Paͤſſe uͤber die lange
Reihe des Gebirges Hoͤmus gegen Belgrad zu:
Kiß Derbend, der Jungfernpaß, der, wie die
Tuͤrken ſagen, durch eine gewiſſe Jungfer, eine
koͤnigliche Prinzeſſinn, die ungefaͤhr auf die-
ſem Gebirge herum geirret, ſoll entdecket wor-
den ſeyn; und Kapuli Derbend, der Thorpaß.
An dem oͤſtlichen Eintritte dieſes Paſſes ſind
noch heutiges Tages die Truͤmmer eines ſehr
alten und ſchoͤnen Thores zu ſehen, das von
vielen fuͤr ein Werk Trajans gehalten wird.
46. Um
* Dieſes iſt der Sekretaͤr der auszufertigenden Befehle bey den Paſchen und Weßiren.
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[599/0709] 20. Suͤlejman der II tan erreget werden moͤchte: ſo redete er demſelben zu, daß er ſich im Fruͤhjahre nach Adrianopel begeben ſollte. Von hier trat der Weßir, gegen den Anfang des Monats Schewwal des Jahres 1101, mit dem geſammten Heere, das voll Hoffnung zu ſiegen war, den Zug nach Belgrad an. Als er uͤber das Ge- birge Hoͤmus ging, welchen Weg die Tuͤrken Kiß Derbend ²¹ nennen: ſo erhielte er durch ſeine Parteyen Nachricht, daß einige tauſend Deutſchen von Belgrad her auf dem Wege ſeyen, die Beſatzung zu Niſſa zu verſtaͤrken. H. 1101. J. C. 1689. 46. Um rem Dorfe, die in einem verfallenen Stande war, ausbeſſern duͤrften. Er ſetzet daher ſeine Hand uͤber die gewoͤhnliche Formel, und befiehlet dem Buͤjuͤrildi Teßkjeredſchi *, dieſe Verguͤnſtigung durch einen eigenen Befehl zu beſtaͤtigen. Als nun der Sekretaͤr das Fer- man in der alten Formel, die in dieſem Falle gewoͤhnlich war, ausfertiget; naͤmlich, daß die Leute ihre Kirche mit eben demſelben Holze, Steinen und Kalche ausbeſſern ſollten: ſo giebet ihm Kjuͤprili daruͤber einen derben Verweis, und heißet ihn einen unverſtaͤndi- gen dummen Menſchen. Der Teßkjeredſchi erſchrickt daruͤber, ſo daß er fuͤr Furcht zit- tert und bebet, und berufet ſich auf die alte Formel, nach der er den Befehl aufgeſetzet habe. Der Weßir wird dadurch noch mehr aufgebracht, und verſetzet darauf: Das waren Narren, die dieſe Formel zuerſt gemacht ha- ben, und diejenigen ſind nicht kluͤger gewe- ſen, die ihnen dieſelbe nachgeſchrieben haben. Denn wie kann doch ein Stuͤck Holz, wann es verfaulet iſt, wieder zu ſeiner vorigen Staͤrke gebracht werden, daß es geſchickt iſt, dasje- nige zu unterſtuͤtzen, was einfallen will? oder wie kann der Kalch, nachdem er durch die Laͤnge der Zeit ausgefreſſen iſt, wieder ſo zugerichtet werden, daß er zureichet, nicht allein ein neues Gebaͤude aufzufuͤhren, ſon- dern auch die Ritzen gegen die Beſchaͤdigun- gen des Wetters zu verwahren? Wenn wir daher unſern Unterthanen die Freyheit ver- ſtatten, ihre Kirchen auszubeſſern: ſo muͤſſen wir ihnen auch vergoͤnnen, es auf die Weiſe zu thun, wie die Vernunft an die Hand giebt, daß es moͤglicher Weiſe geſchehen kann. Man ſoll ihnen alſo wiſſen laſſen, daß ſie ihre Kirche ſo gut ausbeſſern moͤgen, als ſie koͤnnen; und wenn ſie ſo ſehr verfallen iſt, daß ſie nicht kann ausgebeſſert werden: ſo moͤgen ſie eine neue bauen. Nur laſſet uns dahin ſehen, daß ſie dieſelbe nicht mit dem muͤſuͤlmaniſchen Gelde, ſondern mit ihrem eigenen, bauen, und daß ſie dabey ihren auf- erlegten Tribut ordentlich bezahlen. Dieſes hat das Sprichwort veranlaſſet, das die Grie- chen noch heutiges Tages unter ſich haben: Kjuͤprili habe mehr Kirchen gebauet, als Ju- ſtinian. ²¹ Kiß Derbend] das iſt, der Jung- fernpaß. Es ſind zween Paͤſſe uͤber die lange Reihe des Gebirges Hoͤmus gegen Belgrad zu: Kiß Derbend, der Jungfernpaß, der, wie die Tuͤrken ſagen, durch eine gewiſſe Jungfer, eine koͤnigliche Prinzeſſinn, die ungefaͤhr auf die- ſem Gebirge herum geirret, ſoll entdecket wor- den ſeyn; und Kapuli Derbend, der Thorpaß. An dem oͤſtlichen Eintritte dieſes Paſſes ſind noch heutiges Tages die Truͤmmer eines ſehr alten und ſchoͤnen Thores zu ſehen, das von vielen fuͤr ein Werk Trajans gehalten wird. Es * Dieſes iſt der Sekretaͤr der auszufertigenden Befehle bey den Paſchen und Weßiren.

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 599. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/709>, abgerufen am 22.11.2024.