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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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Osmanische Geschichte
Der Ausschlag
des Treffens
bleibet lange Zeitzweifelhaft.
17.

Die Deutschen fassen itzo aus Verzweifelung einen Muth, und erstei-
gen die türkischen Linien. Die Türken schämen sich wegen des Verlusts des
Sieges, der ihnen aus den Händen gerissen werden wollte, und treiben die Deut-
schen wieder in ihre Verschanzungen zurück, dringen auch über dieselben in ihr
Lager, so daß beyde Theile wechselsweise siegen und überwunden werden.

Endlich, da der
Weßir um das
Leben kommt,
erlanget derFeind den Sieg.
18.

Endlich, als der Sieg sich auf der Türken Seite zu neigen scheinet,
greifet der Weßir, um durch seine Gegenwart diejenigen, die sich noch immer
widersetzten, in Verwirrung zu bringen, mit seinen eigenen Truppen den rechten
Flügel der Deutschen an; weil er sahe, daß daselbst der größte Widerstand
gethan wurde. Allein, in dem hitzigsten Treffen wird derselbe durch eine Mus-
ketenkugel an dem Schlafe verwundet, so daß er vom Pferde fället, und durch
seinen Tod den bereits gewonnenen Sieg den Deutschen zuwendet. Denn seine
Kämmerlinge werden über dem unvermutheten Falle ihres Herrn bestürzt; und
als sie ihn auf der Erde liegen sehen: so rufen sie ihre Mitbedienten und die an-
dern Kriegsbefehlhaber daherum herbey, den Leichnam desselben aufzuheben;
während welcher Zeit die Tabilchane 8 aufhöret zu spielen. Dieses verursachet
eine große Verwirrung unter den türkischen Truppen, die schon den Sieg in Hän-
den hatten. Die Reiterey geräth in ein plötzliches Schrecken, so daß sie das Fuß-
volk verlässet, und zuerst die Flucht nimmt; und die Jeng-itscheri folgen ihr
gar bald nach.

Die Kaiserli-
chen lassen dem
Feinde Zeit, sich
zurück zu ziehen,
und erobern dasLager desselben.
19.

Als die Deutschen (die nicht fochten in der Hoffnung zu siegen,
sondern, um nicht ungerochen zu sterben) die unerwartete Flucht der Feinde
gewahr werden: so rücken sie nur mit langsamen Schritten hinter ihnen drein;
damit die Jeng-itscheri Zeit und Bequemlichkeit haben möchten, sich zurück zu zie-
hen, und nicht genöthiget würden, das Treffen wieder von vorne anzufangen,
als welches sie nach Erschöpfung ihrer Kräfte 9 nicht hätten aushalten können.
So bald das übrige Fußvolk merket, daß die Jeng-itscheri fliehen: so lässet es
[Spaltenumbruch]

8 Tabilchane] die Feldmusik, von der
bereits im ersten Theile Nachricht ist gegeben
worden*. Diese Musik muß in einem Tref-
fen sich allezeit nahe bey dem Weßire aufhal-
ten und beständig fortspielen, um den schla-
genden Soldaten einen Muth zu machen.
Wenn es aber geschiehet, daß dieselbe zu spie-
[Spaltenumbruch]
len aufhöret: so halten die Jeng-itscheri es
gleich für eine Vorbedeutung der Niederlage,
und lassen sich schwerlich von der Flucht zurück
halten.
9 ihrer Kräfte] Ich habe selbst nach
dieser Schlacht einen Jeng-itscheri zu Con-

sein
* 16 S. 8 Anm.
Osmaniſche Geſchichte
Der Ausſchlag
des Treffens
bleibet lange Zeitzweifelhaft.
17.

Die Deutſchen faſſen itzo aus Verzweifelung einen Muth, und erſtei-
gen die tuͤrkiſchen Linien. Die Tuͤrken ſchaͤmen ſich wegen des Verluſts des
Sieges, der ihnen aus den Haͤnden geriſſen werden wollte, und treiben die Deut-
ſchen wieder in ihre Verſchanzungen zuruͤck, dringen auch uͤber dieſelben in ihr
Lager, ſo daß beyde Theile wechſelsweiſe ſiegen und uͤberwunden werden.

Endlich, da der
Weßir um das
Leben kommt,
erlanget derFeind den Sieg.
18.

Endlich, als der Sieg ſich auf der Tuͤrken Seite zu neigen ſcheinet,
greifet der Weßir, um durch ſeine Gegenwart diejenigen, die ſich noch immer
widerſetzten, in Verwirrung zu bringen, mit ſeinen eigenen Truppen den rechten
Fluͤgel der Deutſchen an; weil er ſahe, daß daſelbſt der groͤßte Widerſtand
gethan wurde. Allein, in dem hitzigſten Treffen wird derſelbe durch eine Mus-
ketenkugel an dem Schlafe verwundet, ſo daß er vom Pferde faͤllet, und durch
ſeinen Tod den bereits gewonnenen Sieg den Deutſchen zuwendet. Denn ſeine
Kaͤmmerlinge werden uͤber dem unvermutheten Falle ihres Herrn beſtuͤrzt; und
als ſie ihn auf der Erde liegen ſehen: ſo rufen ſie ihre Mitbedienten und die an-
dern Kriegsbefehlhaber daherum herbey, den Leichnam deſſelben aufzuheben;
waͤhrend welcher Zeit die Tabilchane 8 aufhoͤret zu ſpielen. Dieſes verurſachet
eine große Verwirrung unter den tuͤrkiſchen Truppen, die ſchon den Sieg in Haͤn-
den hatten. Die Reiterey geraͤth in ein ploͤtzliches Schrecken, ſo daß ſie das Fuß-
volk verlaͤſſet, und zuerſt die Flucht nimmt; und die Jeng-itſcheri folgen ihr
gar bald nach.

Die Kaiſerli-
chen laſſen dem
Feinde Zeit, ſich
zuruͤck zu ziehen,
und erobern dasLager deſſelben.
19.

Als die Deutſchen (die nicht fochten in der Hoffnung zu ſiegen,
ſondern, um nicht ungerochen zu ſterben) die unerwartete Flucht der Feinde
gewahr werden: ſo ruͤcken ſie nur mit langſamen Schritten hinter ihnen drein;
damit die Jeng-itſcheri Zeit und Bequemlichkeit haben moͤchten, ſich zuruͤck zu zie-
hen, und nicht genoͤthiget wuͤrden, das Treffen wieder von vorne anzufangen,
als welches ſie nach Erſchoͤpfung ihrer Kraͤfte 9 nicht haͤtten aushalten koͤnnen.
So bald das uͤbrige Fußvolk merket, daß die Jeng-itſcheri fliehen: ſo laͤſſet es
[Spaltenumbruch]

8 Tabilchane] die Feldmuſik, von der
bereits im erſten Theile Nachricht iſt gegeben
worden*. Dieſe Muſik muß in einem Tref-
fen ſich allezeit nahe bey dem Weßire aufhal-
ten und beſtaͤndig fortſpielen, um den ſchla-
genden Soldaten einen Muth zu machen.
Wenn es aber geſchiehet, daß dieſelbe zu ſpie-
[Spaltenumbruch]
len aufhoͤret: ſo halten die Jeng-itſcheri es
gleich fuͤr eine Vorbedeutung der Niederlage,
und laſſen ſich ſchwerlich von der Flucht zuruͤck
halten.
9 ihrer Kraͤfte] Ich habe ſelbſt nach
dieſer Schlacht einen Jeng-itſcheri zu Con-

ſein
* 16 S. 8 Anm.
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[628/0740] Osmaniſche Geſchichte 17. Die Deutſchen faſſen itzo aus Verzweifelung einen Muth, und erſtei- gen die tuͤrkiſchen Linien. Die Tuͤrken ſchaͤmen ſich wegen des Verluſts des Sieges, der ihnen aus den Haͤnden geriſſen werden wollte, und treiben die Deut- ſchen wieder in ihre Verſchanzungen zuruͤck, dringen auch uͤber dieſelben in ihr Lager, ſo daß beyde Theile wechſelsweiſe ſiegen und uͤberwunden werden. 18. Endlich, als der Sieg ſich auf der Tuͤrken Seite zu neigen ſcheinet, greifet der Weßir, um durch ſeine Gegenwart diejenigen, die ſich noch immer widerſetzten, in Verwirrung zu bringen, mit ſeinen eigenen Truppen den rechten Fluͤgel der Deutſchen an; weil er ſahe, daß daſelbſt der groͤßte Widerſtand gethan wurde. Allein, in dem hitzigſten Treffen wird derſelbe durch eine Mus- ketenkugel an dem Schlafe verwundet, ſo daß er vom Pferde faͤllet, und durch ſeinen Tod den bereits gewonnenen Sieg den Deutſchen zuwendet. Denn ſeine Kaͤmmerlinge werden uͤber dem unvermutheten Falle ihres Herrn beſtuͤrzt; und als ſie ihn auf der Erde liegen ſehen: ſo rufen ſie ihre Mitbedienten und die an- dern Kriegsbefehlhaber daherum herbey, den Leichnam deſſelben aufzuheben; waͤhrend welcher Zeit die Tabilchane ⁸ aufhoͤret zu ſpielen. Dieſes verurſachet eine große Verwirrung unter den tuͤrkiſchen Truppen, die ſchon den Sieg in Haͤn- den hatten. Die Reiterey geraͤth in ein ploͤtzliches Schrecken, ſo daß ſie das Fuß- volk verlaͤſſet, und zuerſt die Flucht nimmt; und die Jeng-itſcheri folgen ihr gar bald nach. 19. Als die Deutſchen (die nicht fochten in der Hoffnung zu ſiegen, ſondern, um nicht ungerochen zu ſterben) die unerwartete Flucht der Feinde gewahr werden: ſo ruͤcken ſie nur mit langſamen Schritten hinter ihnen drein; damit die Jeng-itſcheri Zeit und Bequemlichkeit haben moͤchten, ſich zuruͤck zu zie- hen, und nicht genoͤthiget wuͤrden, das Treffen wieder von vorne anzufangen, als welches ſie nach Erſchoͤpfung ihrer Kraͤfte ⁹ nicht haͤtten aushalten koͤnnen. So bald das uͤbrige Fußvolk merket, daß die Jeng-itſcheri fliehen: ſo laͤſſet es ſein ⁸ Tabilchane] die Feldmuſik, von der bereits im erſten Theile Nachricht iſt gegeben worden *. Dieſe Muſik muß in einem Tref- fen ſich allezeit nahe bey dem Weßire aufhal- ten und beſtaͤndig fortſpielen, um den ſchla- genden Soldaten einen Muth zu machen. Wenn es aber geſchiehet, daß dieſelbe zu ſpie- len aufhoͤret: ſo halten die Jeng-itſcheri es gleich fuͤr eine Vorbedeutung der Niederlage, und laſſen ſich ſchwerlich von der Flucht zuruͤck halten. ⁹ ihrer Kraͤfte] Ich habe ſelbſt nach dieſer Schlacht einen Jeng-itſcheri zu Con- ſtan- * 16 S. 8 Anm.

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 628. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/740>, abgerufen am 22.11.2024.