Geschichte der Regierung Mustäfas des II, zwey und zwanzigsten Kaisers der Türken. Des vierten Buches viertes Hauptstück.
1.
Eben die Sache, die Kjüprili Mustäfa Pascha nach demSultan Mu- stäfa, des Sul- tan Muhäm- meds Sohn, wird zum Kaiser er- wählet. Tode des Sultan Sülejmans unternahm, nämlich Mu- stäfa, Muhämmeds des IIII Sohn, von dem Throne auszuschließen, wurde auch nach Aehmeds Absterben von dem Weßire Scham Tirabolos Ali Pascha versuchet; obgleich nicht mit so glücklichem Erfolge. Um zu diesem Zwecke zu gelangen, berief er eine Rathsversammlung von den vornehmsten Statsbedienten zusam- men, und suchte sie zu bereden, den Sohn des verstorbenen Kaiser Aehmeds, Ibrahim, einen Prinzen von dreyen Jahren, auf den Thron zu setzen: dabey derselbe als einen Bewegungsgrund anführete; es sey ungerecht, den Sohn eines Sultans, der in der kaiserlichen Würde gestorben sey, der ihm gebühren- den Krone zu berauben, und sie seines Bruders Sohne aufzusetzen, der zwar Sultan gewesen, aber hernach abgesetzet worden sey. Dieses war sein öffent- licher Vorwand. In der That aber war seine einzige Ursache, warum er Mustäfa um den Thron bringen wollte, diese: weil er besorgte, er möchte der unumschränkten Gewalt, die er unter Aehmed über den Stat und das Heer genossen hatte, verlustig werden, wenn ein Prinz von Lebhaftigkeit und Er- fahrung in den Statsgeschäfften, wie Mustäfa war, zu der Krone gelangen sollte; daher wollte er lieber ein Kind zum Sultane, und diesen als einen Un- mündigen unter sich haben, in dessen Namen er thun könnte, was ihm beliebte, als unter einem Kaiser von reifen Jahren in beständiger Gefahr leben. Ehe er aber noch die Großen zu seiner Meinung bewegen konnte: so giebt Chäßine-
dar
4 N 3
Geſchichte der Regierung Muſtaͤfas des II‚ zwey und zwanzigſten Kaiſers der Tuͤrken. Des vierten Buches viertes Hauptſtuͤck.
1.
Eben die Sache, die Kjuͤprili Muſtaͤfa Paſcha nach demSultan Mu- ſtaͤfa, des Sul- tan Muhaͤm- meds Sohn, wird zum Kaiſer er- waͤhlet. Tode des Sultan Suͤlejmans unternahm, naͤmlich Mu- ſtaͤfa, Muhaͤmmeds des IIII Sohn, von dem Throne auszuſchließen, wurde auch nach Aehmeds Abſterben von dem Weßire Scham Tirabolos Ali Paſcha verſuchet; obgleich nicht mit ſo gluͤcklichem Erfolge. Um zu dieſem Zwecke zu gelangen, berief er eine Rathsverſammlung von den vornehmſten Statsbedienten zuſam- men, und ſuchte ſie zu bereden, den Sohn des verſtorbenen Kaiſer Aehmeds, Ibrahim, einen Prinzen von dreyen Jahren, auf den Thron zu ſetzen: dabey derſelbe als einen Bewegungsgrund anfuͤhrete; es ſey ungerecht, den Sohn eines Sultans, der in der kaiſerlichen Wuͤrde geſtorben ſey, der ihm gebuͤhren- den Krone zu berauben, und ſie ſeines Bruders Sohne aufzuſetzen, der zwar Sultan geweſen, aber hernach abgeſetzet worden ſey. Dieſes war ſein oͤffent- licher Vorwand. In der That aber war ſeine einzige Urſache, warum er Muſtaͤfa um den Thron bringen wollte, dieſe: weil er beſorgte, er moͤchte der unumſchraͤnkten Gewalt, die er unter Aehmed uͤber den Stat und das Heer genoſſen hatte, verluſtig werden, wenn ein Prinz von Lebhaftigkeit und Er- fahrung in den Statsgeſchaͤfften, wie Muſtaͤfa war, zu der Krone gelangen ſollte; daher wollte er lieber ein Kind zum Sultane, und dieſen als einen Un- muͤndigen unter ſich haben, in deſſen Namen er thun koͤnnte, was ihm beliebte, als unter einem Kaiſer von reifen Jahren in beſtaͤndiger Gefahr leben. Ehe er aber noch die Großen zu ſeiner Meinung bewegen konnte: ſo giebt Chaͤßine-
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Geſchichte
der Regierung Muſtaͤfas des II‚
zwey und zwanzigſten Kaiſers der Tuͤrken.
Des vierten Buches viertes Hauptſtuͤck.
1.
Eben die Sache, die Kjuͤprili Muſtaͤfa Paſcha nach dem
Tode des Sultan Suͤlejmans unternahm, naͤmlich Mu-
ſtaͤfa, Muhaͤmmeds des IIII Sohn, von dem Throne
auszuſchließen, wurde auch nach Aehmeds Abſterben von
dem Weßire Scham Tirabolos Ali Paſcha verſuchet;
obgleich nicht mit ſo gluͤcklichem Erfolge. Um zu dieſem Zwecke zu gelangen,
berief er eine Rathsverſammlung von den vornehmſten Statsbedienten zuſam-
men, und ſuchte ſie zu bereden, den Sohn des verſtorbenen Kaiſer Aehmeds,
Ibrahim, einen Prinzen von dreyen Jahren, auf den Thron zu ſetzen: dabey
derſelbe als einen Bewegungsgrund anfuͤhrete; es ſey ungerecht, den Sohn
eines Sultans, der in der kaiſerlichen Wuͤrde geſtorben ſey, der ihm gebuͤhren-
den Krone zu berauben, und ſie ſeines Bruders Sohne aufzuſetzen, der zwar
Sultan geweſen, aber hernach abgeſetzet worden ſey. Dieſes war ſein oͤffent-
licher Vorwand. In der That aber war ſeine einzige Urſache, warum er
Muſtaͤfa um den Thron bringen wollte, dieſe: weil er beſorgte, er moͤchte der
unumſchraͤnkten Gewalt, die er unter Aehmed uͤber den Stat und das Heer
genoſſen hatte, verluſtig werden, wenn ein Prinz von Lebhaftigkeit und Er-
fahrung in den Statsgeſchaͤfften, wie Muſtaͤfa war, zu der Krone gelangen
ſollte; daher wollte er lieber ein Kind zum Sultane, und dieſen als einen Un-
muͤndigen unter ſich haben, in deſſen Namen er thun koͤnnte, was ihm beliebte,
als unter einem Kaiſer von reifen Jahren in beſtaͤndiger Gefahr leben. Ehe
er aber noch die Großen zu ſeiner Meinung bewegen konnte: ſo giebt Chaͤßine-
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zum Kaiſer er-
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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 653. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/767>, abgerufen am 22.11.2024.
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