Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

Bild:
<< vorherige Seite

Osmanische Geschichte
diese wären in das äußerste Schrecken gerathen, und wüßten sonst niemanden,
dem sie die Schuld ihres herannahenden Unglücks beymessen sollten. Allein,
eben diese Sache war die Veranlassung, daß die Venetianer glücklich entwi-
scheten. Denn weil der Seräskjer sich einbildete, es wäre eine Kriegeslist dar-
unter verborgen: so entschloß er sich, um eine unvermuthete Niederlage zu ver-
hüten, die Sache vorher zu untersuchen, ehe er die Belagerung unternähme.
Solchergestalt ließ derselbe den Venetianern Zeit, daß sie ihre Sachen zu Schif-
fe bringen und nach Beraubung der Einwohner und Kirchen mit ihren Schif-
fen, die in dem Hafen lagen, entrinnen konnten.

Die Türken
bekommen end-
lich die Stadt
Chios ein, und
zwingen die
Römischkatholi-
schen, sich zu der
griechischen Re-
ligion zu beque-men.
14.

Am folgenden Morgen, als der Seräskjer die Flucht der Venetia-
ner gewahr wird, nimmt derselbe die Stadt in Besitz, und lässet diejenigen Ve-
netianer, die ihre Schiffe nicht fassen konnten, aus ihren Schlupflöchern her-
vorziehen und umbringen. Hierauf zwinget er diejenigen Chier, die der rö-
mischkatholischen Religion zugethan waren, entweder sich zu der griechischen Re-
ligion zu bequemen oder zu Gefangenen zu ergeben; räumet den Griechen die
ihnen abgenommenen Kirchen wieder ein, und schließet dagegen die Kirchen der
Römischkatholischen zu: und vergilt solchergestalt, nicht ohne göttliche Schickung,
den Venetianern alle Arten der Tiranney, die sie gegen die Griechen ausge-
übet hatten.

Die Venetia-
ner erhalten ei-nen Sieg.
15.

Dieses Unglück wurde in etwas gemildert durch einen Sieg, den
die Venetianer bey Argos erhielten, dabey vier hundert Türken sollen erschla-
gen worden seyn. Jedoch, dieses war kein großer Verlust für die Türken,
und auch kein großer Vortheil für die Venetianer.

Die aufrühri-
schen Araber fal-
len die nach Mek-
ka reisende Kjar-
wan an; werdenaber geschlagen.
16.

In Arabien wurde der Aufrührer, Schejch Emir Muhämmed, von
den Pilgern, die der Statthalter von Tripoli, Arslan Pascha, mit einigen Trup-
pen begleitete, geschlagen und seine Anhänger in die Flucht getrieben. Auf
diese Weise war nun diese innerliche und gefährliche Wunde des osmanischen
Reiches geheilet; wiewol nur auf eine Zeitlang.

Der Sultan
hält wegen sei-
ner Siege einen
öffentlichen Tri-
umph, und trä-
get Mezzomorto
die Befehlha-
bung über dieFlote auf.
17.

Der Sultan Mustäfa, der diese Siege als glückliche Vorbedeu-
tungen seiner Regierung ansahe, feierte dieselben nach seiner Rückkunft zu Adria-
nopel mit großem Prachte. Mezzomorto, durch dessen Anführung Chios wie-
der erobert worden war, machte er zum Admiral, und belohnte die übrigen,
die sich in diesem Feldzuge besonders hervorgethan hatten, mit anständigen Eh-
renstellen und Aemtern.

18. Als

Osmaniſche Geſchichte
dieſe waͤren in das aͤußerſte Schrecken gerathen, und wuͤßten ſonſt niemanden,
dem ſie die Schuld ihres herannahenden Ungluͤcks beymeſſen ſollten. Allein,
eben dieſe Sache war die Veranlaſſung, daß die Venetianer gluͤcklich entwi-
ſcheten. Denn weil der Seraͤskjer ſich einbildete, es waͤre eine Kriegesliſt dar-
unter verborgen: ſo entſchloß er ſich, um eine unvermuthete Niederlage zu ver-
huͤten, die Sache vorher zu unterſuchen, ehe er die Belagerung unternaͤhme.
Solchergeſtalt ließ derſelbe den Venetianern Zeit, daß ſie ihre Sachen zu Schif-
fe bringen und nach Beraubung der Einwohner und Kirchen mit ihren Schif-
fen, die in dem Hafen lagen, entrinnen konnten.

Die Tuͤrken
bekommen end-
lich die Stadt
Chios ein, und
zwingen die
Roͤmiſchkatholi-
ſchen, ſich zu der
griechiſchen Re-
ligion zu beque-men.
14.

Am folgenden Morgen, als der Seraͤskjer die Flucht der Venetia-
ner gewahr wird, nimmt derſelbe die Stadt in Beſitz, und laͤſſet diejenigen Ve-
netianer, die ihre Schiffe nicht faſſen konnten, aus ihren Schlupfloͤchern her-
vorziehen und umbringen. Hierauf zwinget er diejenigen Chier, die der roͤ-
miſchkatholiſchen Religion zugethan waren, entweder ſich zu der griechiſchen Re-
ligion zu bequemen oder zu Gefangenen zu ergeben; raͤumet den Griechen die
ihnen abgenommenen Kirchen wieder ein, und ſchließet dagegen die Kirchen der
Roͤmiſchkatholiſchen zu: und vergilt ſolchergeſtalt, nicht ohne goͤttliche Schickung,
den Venetianern alle Arten der Tiranney, die ſie gegen die Griechen ausge-
uͤbet hatten.

Die Venetia-
ner erhalten ei-nen Sieg.
15.

Dieſes Ungluͤck wurde in etwas gemildert durch einen Sieg, den
die Venetianer bey Argos erhielten, dabey vier hundert Tuͤrken ſollen erſchla-
gen worden ſeyn. Jedoch, dieſes war kein großer Verluſt fuͤr die Tuͤrken,
und auch kein großer Vortheil fuͤr die Venetianer.

Die aufruͤhri-
ſchen Araber fal-
len die nach Mek-
ka reiſende Kjar-
wan an; werdenaber geſchlagen.
16.

In Arabien wurde der Aufruͤhrer, Schejch Emir Muhaͤmmed, von
den Pilgern, die der Statthalter von Tripoli, Arslan Paſcha, mit einigen Trup-
pen begleitete, geſchlagen und ſeine Anhaͤnger in die Flucht getrieben. Auf
dieſe Weiſe war nun dieſe innerliche und gefaͤhrliche Wunde des osmaniſchen
Reiches geheilet; wiewol nur auf eine Zeitlang.

Der Sultan
haͤlt wegen ſei-
ner Siege einen
oͤffentlichen Tri-
umph, und traͤ-
get Mezzomorto
die Befehlha-
bung uͤber dieFlote auf.
17.

Der Sultan Muſtaͤfa, der dieſe Siege als gluͤckliche Vorbedeu-
tungen ſeiner Regierung anſahe, feierte dieſelben nach ſeiner Ruͤckkunft zu Adria-
nopel mit großem Prachte. Mezzomorto, durch deſſen Anfuͤhrung Chios wie-
der erobert worden war, machte er zum Admiral, und belohnte die uͤbrigen,
die ſich in dieſem Feldzuge beſonders hervorgethan hatten, mit anſtaͤndigen Eh-
renſtellen und Aemtern.

18. Als
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0778" n="664"/><fw place="top" type="header">Osmani&#x017F;che Ge&#x017F;chichte</fw><lb/>
die&#x017F;e wa&#x0364;ren in das a&#x0364;ußer&#x017F;te Schrecken gerathen, und wu&#x0364;ßten &#x017F;on&#x017F;t niemanden,<lb/>
dem &#x017F;ie die Schuld ihres herannahenden Unglu&#x0364;cks beyme&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ollten. Allein,<lb/>
eben die&#x017F;e Sache war die Veranla&#x017F;&#x017F;ung, daß die Venetianer glu&#x0364;cklich entwi-<lb/>
&#x017F;cheten. Denn weil der Sera&#x0364;skjer &#x017F;ich einbildete, es wa&#x0364;re eine Kriegesli&#x017F;t dar-<lb/>
unter verborgen: &#x017F;o ent&#x017F;chloß er &#x017F;ich, um eine unvermuthete Niederlage zu ver-<lb/>
hu&#x0364;ten, die Sache vorher zu unter&#x017F;uchen, ehe er die Belagerung unterna&#x0364;hme.<lb/>
Solcherge&#x017F;talt ließ der&#x017F;elbe den Venetianern Zeit, daß &#x017F;ie ihre Sachen zu Schif-<lb/>
fe bringen und nach Beraubung der Einwohner und Kirchen mit ihren Schif-<lb/>
fen, die in dem Hafen lagen, entrinnen konnten.</p><lb/>
            <note place="left">Die Tu&#x0364;rken<lb/>
bekommen end-<lb/>
lich die Stadt<lb/>
Chios ein, und<lb/>
zwingen die<lb/>
Ro&#x0364;mi&#x017F;chkatholi-<lb/>
&#x017F;chen, &#x017F;ich zu der<lb/>
griechi&#x017F;chen Re-<lb/>
ligion zu beque-men.</note>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>14.</head>
            <p>Am folgenden Morgen, als der Sera&#x0364;skjer die Flucht der Venetia-<lb/>
ner gewahr wird, nimmt der&#x017F;elbe die Stadt in Be&#x017F;itz, und la&#x0364;&#x017F;&#x017F;et diejenigen Ve-<lb/>
netianer, die ihre Schiffe nicht fa&#x017F;&#x017F;en konnten, aus ihren Schlupflo&#x0364;chern her-<lb/>
vorziehen und umbringen. Hierauf zwinget er diejenigen Chier, die der ro&#x0364;-<lb/>
mi&#x017F;chkatholi&#x017F;chen Religion zugethan waren, entweder &#x017F;ich zu der griechi&#x017F;chen Re-<lb/>
ligion zu bequemen oder zu Gefangenen zu ergeben; ra&#x0364;umet den Griechen die<lb/>
ihnen abgenommenen Kirchen wieder ein, und &#x017F;chließet dagegen die Kirchen der<lb/>
Ro&#x0364;mi&#x017F;chkatholi&#x017F;chen zu: und vergilt &#x017F;olcherge&#x017F;talt, nicht ohne go&#x0364;ttliche Schickung,<lb/>
den Venetianern alle Arten der Tiranney, die &#x017F;ie gegen die Griechen ausge-<lb/>
u&#x0364;bet hatten.</p><lb/>
            <note place="left">Die Venetia-<lb/>
ner erhalten ei-nen Sieg.</note>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>15.</head>
            <p>Die&#x017F;es Unglu&#x0364;ck wurde in etwas gemildert durch einen Sieg, den<lb/>
die Venetianer bey Argos erhielten, dabey vier hundert Tu&#x0364;rken &#x017F;ollen er&#x017F;chla-<lb/>
gen worden &#x017F;eyn. Jedoch, die&#x017F;es war kein großer Verlu&#x017F;t fu&#x0364;r die Tu&#x0364;rken,<lb/>
und auch kein großer Vortheil fu&#x0364;r die Venetianer.</p><lb/>
            <note place="left">Die aufru&#x0364;hri-<lb/>
&#x017F;chen Araber fal-<lb/>
len die nach Mek-<lb/>
ka rei&#x017F;ende Kjar-<lb/>
wan an; werdenaber ge&#x017F;chlagen.</note>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>16.</head>
            <p>In Arabien wurde der Aufru&#x0364;hrer, Schejch Emir Muha&#x0364;mmed, von<lb/>
den Pilgern, die der Statthalter von Tripoli, Arslan Pa&#x017F;cha, mit einigen Trup-<lb/>
pen begleitete, ge&#x017F;chlagen und &#x017F;eine Anha&#x0364;nger in die Flucht getrieben. Auf<lb/>
die&#x017F;e Wei&#x017F;e war nun die&#x017F;e innerliche und gefa&#x0364;hrliche Wunde des osmani&#x017F;chen<lb/>
Reiches geheilet; wiewol nur auf eine Zeitlang.</p><lb/>
            <note place="left">Der Sultan<lb/>
ha&#x0364;lt wegen &#x017F;ei-<lb/>
ner Siege einen<lb/>
o&#x0364;ffentlichen Tri-<lb/>
umph, und tra&#x0364;-<lb/>
get Mezzomorto<lb/>
die Befehlha-<lb/>
bung u&#x0364;ber dieFlote auf.</note>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>17.</head>
            <p>Der Sultan Mu&#x017F;ta&#x0364;fa, der die&#x017F;e Siege als glu&#x0364;ckliche Vorbedeu-<lb/>
tungen &#x017F;einer Regierung an&#x017F;ahe, feierte die&#x017F;elben nach &#x017F;einer Ru&#x0364;ckkunft zu Adria-<lb/>
nopel mit großem Prachte. Mezzomorto, durch de&#x017F;&#x017F;en Anfu&#x0364;hrung Chios wie-<lb/>
der erobert worden war, machte er zum Admiral, und belohnte die u&#x0364;brigen,<lb/>
die &#x017F;ich in die&#x017F;em Feldzuge be&#x017F;onders hervorgethan hatten, mit an&#x017F;ta&#x0364;ndigen Eh-<lb/>
ren&#x017F;tellen und Aemtern.</p>
          </div><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">18. Als</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[664/0778] Osmaniſche Geſchichte dieſe waͤren in das aͤußerſte Schrecken gerathen, und wuͤßten ſonſt niemanden, dem ſie die Schuld ihres herannahenden Ungluͤcks beymeſſen ſollten. Allein, eben dieſe Sache war die Veranlaſſung, daß die Venetianer gluͤcklich entwi- ſcheten. Denn weil der Seraͤskjer ſich einbildete, es waͤre eine Kriegesliſt dar- unter verborgen: ſo entſchloß er ſich, um eine unvermuthete Niederlage zu ver- huͤten, die Sache vorher zu unterſuchen, ehe er die Belagerung unternaͤhme. Solchergeſtalt ließ derſelbe den Venetianern Zeit, daß ſie ihre Sachen zu Schif- fe bringen und nach Beraubung der Einwohner und Kirchen mit ihren Schif- fen, die in dem Hafen lagen, entrinnen konnten. 14. Am folgenden Morgen, als der Seraͤskjer die Flucht der Venetia- ner gewahr wird, nimmt derſelbe die Stadt in Beſitz, und laͤſſet diejenigen Ve- netianer, die ihre Schiffe nicht faſſen konnten, aus ihren Schlupfloͤchern her- vorziehen und umbringen. Hierauf zwinget er diejenigen Chier, die der roͤ- miſchkatholiſchen Religion zugethan waren, entweder ſich zu der griechiſchen Re- ligion zu bequemen oder zu Gefangenen zu ergeben; raͤumet den Griechen die ihnen abgenommenen Kirchen wieder ein, und ſchließet dagegen die Kirchen der Roͤmiſchkatholiſchen zu: und vergilt ſolchergeſtalt, nicht ohne goͤttliche Schickung, den Venetianern alle Arten der Tiranney, die ſie gegen die Griechen ausge- uͤbet hatten. 15. Dieſes Ungluͤck wurde in etwas gemildert durch einen Sieg, den die Venetianer bey Argos erhielten, dabey vier hundert Tuͤrken ſollen erſchla- gen worden ſeyn. Jedoch, dieſes war kein großer Verluſt fuͤr die Tuͤrken, und auch kein großer Vortheil fuͤr die Venetianer. 16. In Arabien wurde der Aufruͤhrer, Schejch Emir Muhaͤmmed, von den Pilgern, die der Statthalter von Tripoli, Arslan Paſcha, mit einigen Trup- pen begleitete, geſchlagen und ſeine Anhaͤnger in die Flucht getrieben. Auf dieſe Weiſe war nun dieſe innerliche und gefaͤhrliche Wunde des osmaniſchen Reiches geheilet; wiewol nur auf eine Zeitlang. 17. Der Sultan Muſtaͤfa, der dieſe Siege als gluͤckliche Vorbedeu- tungen ſeiner Regierung anſahe, feierte dieſelben nach ſeiner Ruͤckkunft zu Adria- nopel mit großem Prachte. Mezzomorto, durch deſſen Anfuͤhrung Chios wie- der erobert worden war, machte er zum Admiral, und belohnte die uͤbrigen, die ſich in dieſem Feldzuge beſonders hervorgethan hatten, mit anſtaͤndigen Eh- renſtellen und Aemtern. 18. Als

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/778
Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 664. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/778>, abgerufen am 22.11.2024.