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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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Osmanische Geschichte
Mustäfa lässet
auf Gutbefinden
des Kriegsraths
seine Völker ge-gen Titul ziehen.
33.

Der Sultan hieß diesen Anschlag gut; ging daher über die Donau,
und ließ sein Heer gegen Temischwar ziehen. Weil er aber auf diesem Zuge
gleich den andern Tag darauf hörete, daß die Deutschen gegen Titul angerücket
seyen: so berief er abermals einen Gälebe Diwan zusammen, und trug in dem-
selben vor; ob es rathsam sey, den Schluß des vorigen Kriegsraths ins Werk
zu richten und in Siebenbürgen einzufallen, den Feind aber hinter sich zu lassen?
oder ob man gegen den Feind anrücken, und denselben im offenen Felde, wo
man ihn auch antreffe, angreifen solle? Die erstere Meinung schiene den mei-
sten bey den gegenwärtigen Umständen eine sehr misliche Sache zu seyn; weil
man Ursache habe zu befürchten, die Deutschen möchten während der Zeit, da
die osmanischen Truppen in Siebenbürgen beschäfftiget wären, Belgrad belagern,
und diese Stadt, ungeachtet sie stark befestiget und besetzet sey, wegnehmen,
wenn man ihr keine Hülfe zuschicken könne. Der Weßir stellete dieses insbeson-
dere nachdrücklich vor, und führete zum Grunde an: daß die osmanischen Völ-
ker ohne äußerste Gefahr nichts unternehmen könnten, bis das feindliche Heer
über einen Haufen geworfen sey. Im Gegentheile, wenn die Deutschen ein-
mal aus dem Felde geschlagen wären: so würde hernach ganz Ungarn den tür-
kischen Waffen offen stehen. Weil nun dieser Rathschlag bey dem Sultane
wegen des Ansehens dessen, der ihn gegeben hatte, Eingang fande: so wurde
einhällig beschlossen, den Feind anzugreifen; zu welchem Ende der Sultan
nicht allein seine Landtruppen gegen Titul anführete, sondern auch seine Flote
auf der Donau mit den Lastschiffen bis an die Theiße segeln ließe. Indessen
wurden die Deutschen oben von dem hohen Berge, darauf Titul lieget, den An-
zug der Türken gewahr; und ungeachtet ihr Heer nur aus sechs tausend Mann
Reiterey bestunde: so fasseten sie dennoch den Entschluß, tapfern Widerstand
zu thun, und dem Feinde den Uebergang über die Theiße nicht ohne Blutver-
gießen zu verkaufen.

Der Sultan
kehret um nach
der Theiße zu,
und leidet da-
selbst großenVerlust.
34.

In dieser Absicht befestigen die Kaiserlichen das Ufer der Theiße,
das sich in einer Ebene unter der Festung hin erstrecket, mit Schanzen und
Stücken, und zeigen sich voll Muths dem Nachzuge der Feinde von einer Höhe.
Der Sultan kommt bald darauf daselbst an; und da er siehet, daß ein so kleiner
Haufen ihn gleichsam zu einem Treffen herausfordert: so lässet er etliche Paschen
in offenen Böten (dergleichen die Türken auf Wägen mit sich zu führen pflegen
[Spaltenumbruch]

des Sultans Pferde im Frühlinge zu weiden
getrieben werden, um St. Georgentag, der
bey den Türken ebenfals als ein heiliger Tag
[Spaltenumbruch]
gefeiert und von ihnen Chißrelleß genennet
wird*.

und
* 374 S. 9 Anm.
Osmaniſche Geſchichte
Muſtaͤfa laͤſſet
auf Gutbefinden
des Kriegsraths
ſeine Voͤlker ge-gen Titul ziehen.
33.

Der Sultan hieß dieſen Anſchlag gut; ging daher uͤber die Donau,
und ließ ſein Heer gegen Temiſchwar ziehen. Weil er aber auf dieſem Zuge
gleich den andern Tag darauf hoͤrete, daß die Deutſchen gegen Titul angeruͤcket
ſeyen: ſo berief er abermals einen Gaͤlebe Diwan zuſammen, und trug in dem-
ſelben vor; ob es rathſam ſey, den Schluß des vorigen Kriegsraths ins Werk
zu richten und in Siebenbuͤrgen einzufallen, den Feind aber hinter ſich zu laſſen?
oder ob man gegen den Feind anruͤcken, und denſelben im offenen Felde, wo
man ihn auch antreffe, angreifen ſolle? Die erſtere Meinung ſchiene den mei-
ſten bey den gegenwaͤrtigen Umſtaͤnden eine ſehr misliche Sache zu ſeyn; weil
man Urſache habe zu befuͤrchten, die Deutſchen moͤchten waͤhrend der Zeit, da
die osmaniſchen Truppen in Siebenbuͤrgen beſchaͤfftiget waͤren, Belgrad belagern,
und dieſe Stadt, ungeachtet ſie ſtark befeſtiget und beſetzet ſey, wegnehmen,
wenn man ihr keine Huͤlfe zuſchicken koͤnne. Der Weßir ſtellete dieſes insbeſon-
dere nachdruͤcklich vor, und fuͤhrete zum Grunde an: daß die osmaniſchen Voͤl-
ker ohne aͤußerſte Gefahr nichts unternehmen koͤnnten, bis das feindliche Heer
uͤber einen Haufen geworfen ſey. Im Gegentheile, wenn die Deutſchen ein-
mal aus dem Felde geſchlagen waͤren: ſo wuͤrde hernach ganz Ungarn den tuͤr-
kiſchen Waffen offen ſtehen. Weil nun dieſer Rathſchlag bey dem Sultane
wegen des Anſehens deſſen, der ihn gegeben hatte, Eingang fande: ſo wurde
einhaͤllig beſchloſſen, den Feind anzugreifen; zu welchem Ende der Sultan
nicht allein ſeine Landtruppen gegen Titul anfuͤhrete, ſondern auch ſeine Flote
auf der Donau mit den Laſtſchiffen bis an die Theiße ſegeln ließe. Indeſſen
wurden die Deutſchen oben von dem hohen Berge, darauf Titul lieget, den An-
zug der Tuͤrken gewahr; und ungeachtet ihr Heer nur aus ſechs tauſend Mann
Reiterey beſtunde: ſo faſſeten ſie dennoch den Entſchluß, tapfern Widerſtand
zu thun, und dem Feinde den Uebergang uͤber die Theiße nicht ohne Blutver-
gießen zu verkaufen.

Der Sultan
kehret um nach
der Theiße zu,
und leidet da-
ſelbſt großenVerluſt.
34.

In dieſer Abſicht befeſtigen die Kaiſerlichen das Ufer der Theiße,
das ſich in einer Ebene unter der Feſtung hin erſtrecket, mit Schanzen und
Stuͤcken, und zeigen ſich voll Muths dem Nachzuge der Feinde von einer Hoͤhe.
Der Sultan kommt bald darauf daſelbſt an; und da er ſiehet, daß ein ſo kleiner
Haufen ihn gleichſam zu einem Treffen herausfordert: ſo laͤſſet er etliche Paſchen
in offenen Boͤten (dergleichen die Tuͤrken auf Waͤgen mit ſich zu fuͤhren pflegen
[Spaltenumbruch]

des Sultans Pferde im Fruͤhlinge zu weiden
getrieben werden, um St. Georgentag, der
bey den Tuͤrken ebenfals als ein heiliger Tag
[Spaltenumbruch]
gefeiert und von ihnen Chißrelleß genennet
wird*.

und
* 374 S. 9 Anm.
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[672/0786] Osmaniſche Geſchichte 33. Der Sultan hieß dieſen Anſchlag gut; ging daher uͤber die Donau, und ließ ſein Heer gegen Temiſchwar ziehen. Weil er aber auf dieſem Zuge gleich den andern Tag darauf hoͤrete, daß die Deutſchen gegen Titul angeruͤcket ſeyen: ſo berief er abermals einen Gaͤlebe Diwan zuſammen, und trug in dem- ſelben vor; ob es rathſam ſey, den Schluß des vorigen Kriegsraths ins Werk zu richten und in Siebenbuͤrgen einzufallen, den Feind aber hinter ſich zu laſſen? oder ob man gegen den Feind anruͤcken, und denſelben im offenen Felde, wo man ihn auch antreffe, angreifen ſolle? Die erſtere Meinung ſchiene den mei- ſten bey den gegenwaͤrtigen Umſtaͤnden eine ſehr misliche Sache zu ſeyn; weil man Urſache habe zu befuͤrchten, die Deutſchen moͤchten waͤhrend der Zeit, da die osmaniſchen Truppen in Siebenbuͤrgen beſchaͤfftiget waͤren, Belgrad belagern, und dieſe Stadt, ungeachtet ſie ſtark befeſtiget und beſetzet ſey, wegnehmen, wenn man ihr keine Huͤlfe zuſchicken koͤnne. Der Weßir ſtellete dieſes insbeſon- dere nachdruͤcklich vor, und fuͤhrete zum Grunde an: daß die osmaniſchen Voͤl- ker ohne aͤußerſte Gefahr nichts unternehmen koͤnnten, bis das feindliche Heer uͤber einen Haufen geworfen ſey. Im Gegentheile, wenn die Deutſchen ein- mal aus dem Felde geſchlagen waͤren: ſo wuͤrde hernach ganz Ungarn den tuͤr- kiſchen Waffen offen ſtehen. Weil nun dieſer Rathſchlag bey dem Sultane wegen des Anſehens deſſen, der ihn gegeben hatte, Eingang fande: ſo wurde einhaͤllig beſchloſſen, den Feind anzugreifen; zu welchem Ende der Sultan nicht allein ſeine Landtruppen gegen Titul anfuͤhrete, ſondern auch ſeine Flote auf der Donau mit den Laſtſchiffen bis an die Theiße ſegeln ließe. Indeſſen wurden die Deutſchen oben von dem hohen Berge, darauf Titul lieget, den An- zug der Tuͤrken gewahr; und ungeachtet ihr Heer nur aus ſechs tauſend Mann Reiterey beſtunde: ſo faſſeten ſie dennoch den Entſchluß, tapfern Widerſtand zu thun, und dem Feinde den Uebergang uͤber die Theiße nicht ohne Blutver- gießen zu verkaufen. 34. In dieſer Abſicht befeſtigen die Kaiſerlichen das Ufer der Theiße, das ſich in einer Ebene unter der Feſtung hin erſtrecket, mit Schanzen und Stuͤcken, und zeigen ſich voll Muths dem Nachzuge der Feinde von einer Hoͤhe. Der Sultan kommt bald darauf daſelbſt an; und da er ſiehet, daß ein ſo kleiner Haufen ihn gleichſam zu einem Treffen herausfordert: ſo laͤſſet er etliche Paſchen in offenen Boͤten (dergleichen die Tuͤrken auf Waͤgen mit ſich zu fuͤhren pflegen und des Sultans Pferde im Fruͤhlinge zu weiden getrieben werden, um St. Georgentag, der bey den Tuͤrken ebenfals als ein heiliger Tag gefeiert und von ihnen Chißrelleß genennet wird *. * 374 S. 9 Anm.

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 672. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/786>, abgerufen am 22.11.2024.