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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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22. Mustäfa der II
und verursachten solchergestalt, daß sie des Sieges, den sie bereits in Händen
zu haben schienen, verlustig wurden.

37.

Nämlich, der Prinz Eugen von Savoyen, der, gleich nach erhal-Der Prinz Eu-
gen kommt mit
großer Gefahr
zu dem Entsatze
von Peterwara-
din heran.

tener Nachricht von dem Zuge der Türken, zu dem Entsatze von Peterwaradin
Anstalt gemacht hatte und von Schegedin aufgebrochen war, langte eben an diesem
Tage bey Untergang der Sonne an, zog das feindliche Lager vorbey und eilete
auf die Brückenschanze zu. Schahbaß Gjiraj 16 Sultan, des Chans der Ta-
tarn 17 Selim Gjirajs Sohn, hatte sich zwar bemühet, ihn auf seinem schleuni-
gen Anzuge aufzuhalten, und mit zwölf tausend Tatarn alles Gras weit und
breit umher abgebrennet: allein, diese Hindernisse waren nicht vermögend, die
Hitze der Deutschen zu brechen; ungeachtet dieselben auf einem Wege von neun
Stunden weder See, Brunnen, Fluß noch grünes Feld antrafen.

38.

Diese unvermuthete Ankunft des deutschen Heeres veranlassete dieVierte Berath-
schlagung der
Türken.

türkischen Feldhauptleute, sich nochmals mit einander zu berathschlagen: ob es
rathsam sey, die Deutschen in einem solchen offenen Felde anzugreifen, ehe sie
ihr Lager befestiget hätten; oder ob man warten solle, bis sie die Osmanen in
ihren Linien angriffen.

39.

Der oberste Weßir bemühete sich aus allen Kräften, den SultanRathschlag des
jungen Weßirs,
wie man ihn von
einem bejahrten
Manne hätte
vermuthen sol-
len.

zu der erstern Meinung zu überreden, und führete an: es sey der Ehre der Os-
manen nachtheilig, den Feind, der so nahe sey, entwischen zu lassen, ohne ihr
[Spaltenumbruch]

einziehen könne. Die Sache schiene allerdings
schwer und fast unmöglich zu seyn; weil
das Heer der Deutschen in Schlachtordnung
stunde: und wer etwas gegen dasselbe hätte
wagen wollen, der würde einem ähnlich gewe-
sen seyn, der mit dem Kopfe gegen eine eherne
Wand läuft, und ein Denkmal seiner Unbe-
sonnenheit mit blutigen Zeichen daran malet.
Dessen ungeachtet will der tatarische Prinz
das Verlangen des Sultans gerne erfüllen,
und berufet einen Kriegsrath darüber zusam-
men. Hierauf schicket er vier hundert aus-
erlesene Leute von den Seinigen aus, die sich
freywillig angaben, rings um das deutsche
Lager herum zu ziehen, und einige von den
[Spaltenumbruch]
Feinden, entweder von den Rüstwägen oder
von den Feldkarren, wegzunehmen und ein-
zubringen. Diese theileten sich in verschiedene
Haufen, und fielen das deutsche Heer an;
wiewol nicht ohne Verlust vieler von den Ih-
rigen. Sie würden auch genöthiget gewesen
seyn wieder zurück zu kehren, ohne ihre Absicht
zu erreichen: wenn nicht drey Brüder, die
mitzugehen verlanget hatten, ungeachtet ihr
Vater es nicht leiden wollen, den einen Flü-
gel der Deutschen im Rücken angegriffen hät-
ten, und dieses mit so vieler Geschicklichkeit,
daß sie einen Mann mitten aus dem Gliede
wegnahmen und gebunden mit sich fortfüh-
reten.

Glück
4 Q 2

22. Muſtaͤfa der II
und verurſachten ſolchergeſtalt, daß ſie des Sieges, den ſie bereits in Haͤnden
zu haben ſchienen, verluſtig wurden.

37.

Naͤmlich, der Prinz Eugen von Savoyen, der, gleich nach erhal-Der Prinz Eu-
gen kommt mit
großer Gefahr
zu dem Entſatze
von Peterwara-
din heran.

tener Nachricht von dem Zuge der Tuͤrken, zu dem Entſatze von Peterwaradin
Anſtalt gemacht hatte und von Schegedin aufgebrochen war, langte eben an dieſem
Tage bey Untergang der Sonne an, zog das feindliche Lager vorbey und eilete
auf die Bruͤckenſchanze zu. Schahbaß Gjiraj 16 Sultan, des Chans der Ta-
tarn 17 Selim Gjirajs Sohn, hatte ſich zwar bemuͤhet, ihn auf ſeinem ſchleuni-
gen Anzuge aufzuhalten, und mit zwoͤlf tauſend Tatarn alles Gras weit und
breit umher abgebrennet: allein, dieſe Hinderniſſe waren nicht vermoͤgend, die
Hitze der Deutſchen zu brechen; ungeachtet dieſelben auf einem Wege von neun
Stunden weder See, Brunnen, Fluß noch gruͤnes Feld antrafen.

38.

Dieſe unvermuthete Ankunft des deutſchen Heeres veranlaſſete dieVierte Berath-
ſchlagung der
Tuͤrken.

tuͤrkiſchen Feldhauptleute, ſich nochmals mit einander zu berathſchlagen: ob es
rathſam ſey, die Deutſchen in einem ſolchen offenen Felde anzugreifen, ehe ſie
ihr Lager befeſtiget haͤtten; oder ob man warten ſolle, bis ſie die Osmanen in
ihren Linien angriffen.

39.

Der oberſte Weßir bemuͤhete ſich aus allen Kraͤften, den SultanRathſchlag des
jungen Weßirs,
wie man ihn von
einem bejahrten
Manne haͤtte
vermuthen ſol-
len.

zu der erſtern Meinung zu uͤberreden, und fuͤhrete an: es ſey der Ehre der Os-
manen nachtheilig, den Feind, der ſo nahe ſey, entwiſchen zu laſſen, ohne ihr
[Spaltenumbruch]

einziehen koͤnne. Die Sache ſchiene allerdings
ſchwer und faſt unmoͤglich zu ſeyn; weil
das Heer der Deutſchen in Schlachtordnung
ſtunde: und wer etwas gegen daſſelbe haͤtte
wagen wollen, der wuͤrde einem aͤhnlich gewe-
ſen ſeyn, der mit dem Kopfe gegen eine eherne
Wand laͤuft, und ein Denkmal ſeiner Unbe-
ſonnenheit mit blutigen Zeichen daran malet.
Deſſen ungeachtet will der tatariſche Prinz
das Verlangen des Sultans gerne erfuͤllen,
und berufet einen Kriegsrath daruͤber zuſam-
men. Hierauf ſchicket er vier hundert aus-
erleſene Leute von den Seinigen aus, die ſich
freywillig angaben, rings um das deutſche
Lager herum zu ziehen, und einige von den
[Spaltenumbruch]
Feinden, entweder von den Ruͤſtwaͤgen oder
von den Feldkarren, wegzunehmen und ein-
zubringen. Dieſe theileten ſich in verſchiedene
Haufen, und fielen das deutſche Heer an;
wiewol nicht ohne Verluſt vieler von den Ih-
rigen. Sie wuͤrden auch genoͤthiget geweſen
ſeyn wieder zuruͤck zu kehren, ohne ihre Abſicht
zu erreichen: wenn nicht drey Bruͤder, die
mitzugehen verlanget hatten, ungeachtet ihr
Vater es nicht leiden wollen, den einen Fluͤ-
gel der Deutſchen im Ruͤcken angegriffen haͤt-
ten, und dieſes mit ſo vieler Geſchicklichkeit,
daß ſie einen Mann mitten aus dem Gliede
wegnahmen und gebunden mit ſich fortfuͤh-
reten.

Gluͤck
4 Q 2
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[675/0789] 22. Muſtaͤfa der II und verurſachten ſolchergeſtalt, daß ſie des Sieges, den ſie bereits in Haͤnden zu haben ſchienen, verluſtig wurden. 37. Naͤmlich, der Prinz Eugen von Savoyen, der, gleich nach erhal- tener Nachricht von dem Zuge der Tuͤrken, zu dem Entſatze von Peterwaradin Anſtalt gemacht hatte und von Schegedin aufgebrochen war, langte eben an dieſem Tage bey Untergang der Sonne an, zog das feindliche Lager vorbey und eilete auf die Bruͤckenſchanze zu. Schahbaß Gjiraj ¹⁶ Sultan, des Chans der Ta- tarn ¹⁷ Selim Gjirajs Sohn, hatte ſich zwar bemuͤhet, ihn auf ſeinem ſchleuni- gen Anzuge aufzuhalten, und mit zwoͤlf tauſend Tatarn alles Gras weit und breit umher abgebrennet: allein, dieſe Hinderniſſe waren nicht vermoͤgend, die Hitze der Deutſchen zu brechen; ungeachtet dieſelben auf einem Wege von neun Stunden weder See, Brunnen, Fluß noch gruͤnes Feld antrafen. Der Prinz Eu- gen kommt mit großer Gefahr zu dem Entſatze von Peterwara- din heran. 38. Dieſe unvermuthete Ankunft des deutſchen Heeres veranlaſſete die tuͤrkiſchen Feldhauptleute, ſich nochmals mit einander zu berathſchlagen: ob es rathſam ſey, die Deutſchen in einem ſolchen offenen Felde anzugreifen, ehe ſie ihr Lager befeſtiget haͤtten; oder ob man warten ſolle, bis ſie die Osmanen in ihren Linien angriffen. Vierte Berath- ſchlagung der Tuͤrken. 39. Der oberſte Weßir bemuͤhete ſich aus allen Kraͤften, den Sultan zu der erſtern Meinung zu uͤberreden, und fuͤhrete an: es ſey der Ehre der Os- manen nachtheilig, den Feind, der ſo nahe ſey, entwiſchen zu laſſen, ohne ihr Gluͤck einziehen koͤnne. Die Sache ſchiene allerdings ſchwer und faſt unmoͤglich zu ſeyn; weil das Heer der Deutſchen in Schlachtordnung ſtunde: und wer etwas gegen daſſelbe haͤtte wagen wollen, der wuͤrde einem aͤhnlich gewe- ſen ſeyn, der mit dem Kopfe gegen eine eherne Wand laͤuft, und ein Denkmal ſeiner Unbe- ſonnenheit mit blutigen Zeichen daran malet. Deſſen ungeachtet will der tatariſche Prinz das Verlangen des Sultans gerne erfuͤllen, und berufet einen Kriegsrath daruͤber zuſam- men. Hierauf ſchicket er vier hundert aus- erleſene Leute von den Seinigen aus, die ſich freywillig angaben, rings um das deutſche Lager herum zu ziehen, und einige von den Feinden, entweder von den Ruͤſtwaͤgen oder von den Feldkarren, wegzunehmen und ein- zubringen. Dieſe theileten ſich in verſchiedene Haufen, und fielen das deutſche Heer an; wiewol nicht ohne Verluſt vieler von den Ih- rigen. Sie wuͤrden auch genoͤthiget geweſen ſeyn wieder zuruͤck zu kehren, ohne ihre Abſicht zu erreichen: wenn nicht drey Bruͤder, die mitzugehen verlanget hatten, ungeachtet ihr Vater es nicht leiden wollen, den einen Fluͤ- gel der Deutſchen im Ruͤcken angegriffen haͤt- ten, und dieſes mit ſo vieler Geſchicklichkeit, daß ſie einen Mann mitten aus dem Gliede wegnahmen und gebunden mit ſich fortfuͤh- reten. Rathſchlag des jungen Weßirs, wie man ihn von einem bejahrten Manne haͤtte vermuthen ſol- len. 4 Q 2

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 675. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/789>, abgerufen am 22.11.2024.