Von der großen Anzahl kommt nur ein einzigerPascha davon.
57.
Der einzige Mann, der noch davon kam, war Mähmud Ben Ogli 26, Pascha von Arnawd, ein Sohn des Begjlerbegjs von Rumilien, der in der Schlacht mit Veterani bliebe. Nachdem dieser Mähmud zweymal verwundet worden war: so wurde er durch die Stärke seines Pferdes noch gerettet, das denselben über den Strom führete. Ich habe ihn selbst diese seine Entrinnung auf eine sehr lebhafte Weise erzählen gehöret.
Der Sultan verlässet sein La- ger und Feldrü- stung, und flie- het in großem Schrecken nachTemischwar.
58.
Nach dieser unglücklichen Begebenheit wurde Mustäfa, der bey die- sem Treffen ein eben so trauriger als müßiger Zuschauer gewesen war, von einer solchen unnatürlichen Furcht überfallen (ungeachtet von den Deutschen nichts zu befürchten war, als die durch so viele Mühseligkeiten dergestalt abgemattet waren, daß sie die Brücke im Angesichte eines so zahlreichen Heeres, als derselbe bey sich hatte, nicht wieder in Stand setzen konnten), daß er zu Mitternacht, ohne einigen Gefährten oder Licht mitzunehmen, sein Lager verließe und sich auf den Weg nach Temischwar begab.
Bringet Kapu- dschi Baschi, der ihm bessern Rath beybringen will,ums Leben.
59.
Kapudschi Baschi, ein Venetianer von Geburt, der von dem christ- lichen Glauben abgefallen war und den Namen Schahin Muhämmed angenom- men hatte, bemühete sich, dem Sultane seinen Irrthum zu benehmen, und rieth demselben, er sollte sein Lager nicht schimpflicher Weise verlassen, und durch seine Flucht dem Feinde, der nur einen kleinen Theil seines Heeres aufgerieben habe, nicht den völligen Sieg zuwenden. Er habe gar nicht Ursache, sich mit solcher Uebereilung davon zu machen: denn die Feinde seyen nicht allein durch eine so lange Reise und so viele Beschwerlichkeiten ermüdet; sondern sie haben auch keine Brücke noch sonst ein Mittel, über den Fluß zu kommen. Allein, der Sultan war mit solchen fürchterlichen Vorstellungen eingenommen, daß er diese [Spaltenumbruch]
schwerlich dahin zu bringen, daß sie den drit- ten Angriff thun. Sind sie auch zum drit- tenmale zurück getrieben: so müsset ihr nicht stille stehen: sondern mit Vorsichtigkeit gegen ihr Lager an ziehen. Alsdann entstehet ein noch entsetzlicheres und lauteres Geschrey durch das ganze Lager derselben; Gjawr basti, die Unglaubigen sind gleich da oder treten uns schon auf die Fersen: darauf dieselben, wie ich angemerket habe, niemals dahin gebracht werden können, daß sie noch einmal angriffen. Denn den Augenblick, da die Jeng-itscheri [Spaltenumbruch] dieses hören, verlassen sie ihre Linien und ihr Geschütz, und gedenken weiter an nichts, als wie sie von dem ersten, der ihnen in den Weg kommt, ein Pferd oder ein Maulthier bekommen mögen, mit dem sie entrinnen können. Die von der Reiterey, die die Weise der Jeng-itscheri wohl wissen, und sich gleich- sam zwischen zweenen Feinden befinden, be- geben sich schleunig auf die Flucht, und ent- fernen sich so weit von dem Fußvolke, als sie immer können; aus Furcht, daß sie von den Jeng-itscheri, wie es gemeiniglich geschiehet,
heilsa-
Osmaniſche Geſchichte
Von der großen Anzahl kommt nur ein einzigerPaſcha davon.
57.
Der einzige Mann, der noch davon kam, war Maͤhmud Ben Ogli 26, Paſcha von Arnawd, ein Sohn des Begjlerbegjs von Rumilien, der in der Schlacht mit Veterani bliebe. Nachdem dieſer Maͤhmud zweymal verwundet worden war: ſo wurde er durch die Staͤrke ſeines Pferdes noch gerettet, das denſelben uͤber den Strom fuͤhrete. Ich habe ihn ſelbſt dieſe ſeine Entrinnung auf eine ſehr lebhafte Weiſe erzaͤhlen gehoͤret.
Der Sultan verlaͤſſet ſein La- ger und Feldruͤ- ſtung, und flie- het in großem Schrecken nachTemiſchwar.
58.
Nach dieſer ungluͤcklichen Begebenheit wurde Muſtaͤfa, der bey die- ſem Treffen ein eben ſo trauriger als muͤßiger Zuſchauer geweſen war, von einer ſolchen unnatuͤrlichen Furcht uͤberfallen (ungeachtet von den Deutſchen nichts zu befuͤrchten war, als die durch ſo viele Muͤhſeligkeiten dergeſtalt abgemattet waren, daß ſie die Bruͤcke im Angeſichte eines ſo zahlreichen Heeres, als derſelbe bey ſich hatte, nicht wieder in Stand ſetzen konnten), daß er zu Mitternacht, ohne einigen Gefaͤhrten oder Licht mitzunehmen, ſein Lager verließe und ſich auf den Weg nach Temiſchwar begab.
Bringet Kapu- dſchi Baſchi, der ihm beſſern Rath beybringen will,ums Leben.
59.
Kapudſchi Baſchi, ein Venetianer von Geburt, der von dem chriſt- lichen Glauben abgefallen war und den Namen Schahin Muhaͤmmed angenom- men hatte, bemuͤhete ſich, dem Sultane ſeinen Irrthum zu benehmen, und rieth demſelben, er ſollte ſein Lager nicht ſchimpflicher Weiſe verlaſſen, und durch ſeine Flucht dem Feinde, der nur einen kleinen Theil ſeines Heeres aufgerieben habe, nicht den voͤlligen Sieg zuwenden. Er habe gar nicht Urſache, ſich mit ſolcher Uebereilung davon zu machen: denn die Feinde ſeyen nicht allein durch eine ſo lange Reiſe und ſo viele Beſchwerlichkeiten ermuͤdet; ſondern ſie haben auch keine Bruͤcke noch ſonſt ein Mittel, uͤber den Fluß zu kommen. Allein, der Sultan war mit ſolchen fuͤrchterlichen Vorſtellungen eingenommen, daß er dieſe [Spaltenumbruch]
ſchwerlich dahin zu bringen, daß ſie den drit- ten Angriff thun. Sind ſie auch zum drit- tenmale zuruͤck getrieben: ſo muͤſſet ihr nicht ſtille ſtehen: ſondern mit Vorſichtigkeit gegen ihr Lager an ziehen. Alsdann entſtehet ein noch entſetzlicheres und lauteres Geſchrey durch das ganze Lager derſelben; Gjawr baſti, die Unglaubigen ſind gleich da oder treten uns ſchon auf die Ferſen: darauf dieſelben, wie ich angemerket habe, niemals dahin gebracht werden koͤnnen, daß ſie noch einmal angriffen. Denn den Augenblick, da die Jeng-itſcheri [Spaltenumbruch] dieſes hoͤren, verlaſſen ſie ihre Linien und ihr Geſchuͤtz, und gedenken weiter an nichts, als wie ſie von dem erſten, der ihnen in den Weg kommt, ein Pferd oder ein Maulthier bekommen moͤgen, mit dem ſie entrinnen koͤnnen. Die von der Reiterey, die die Weiſe der Jeng-itſcheri wohl wiſſen, und ſich gleich- ſam zwiſchen zweenen Feinden befinden, be- geben ſich ſchleunig auf die Flucht, und ent- fernen ſich ſo weit von dem Fußvolke, als ſie immer koͤnnen; aus Furcht, daß ſie von den Jeng-itſcheri, wie es gemeiniglich geſchiehet,
heilſa-
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Osmaniſche Geſchichte
57. Der einzige Mann, der noch davon kam, war Maͤhmud Ben Ogli
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Paſcha von Arnawd, ein Sohn des Begjlerbegjs von Rumilien, der in der
Schlacht mit Veterani bliebe. Nachdem dieſer Maͤhmud zweymal verwundet
worden war: ſo wurde er durch die Staͤrke ſeines Pferdes noch gerettet, das
denſelben uͤber den Strom fuͤhrete. Ich habe ihn ſelbſt dieſe ſeine Entrinnung
auf eine ſehr lebhafte Weiſe erzaͤhlen gehoͤret.
58. Nach dieſer ungluͤcklichen Begebenheit wurde Muſtaͤfa, der bey die-
ſem Treffen ein eben ſo trauriger als muͤßiger Zuſchauer geweſen war, von einer
ſolchen unnatuͤrlichen Furcht uͤberfallen (ungeachtet von den Deutſchen nichts
zu befuͤrchten war, als die durch ſo viele Muͤhſeligkeiten dergeſtalt abgemattet
waren, daß ſie die Bruͤcke im Angeſichte eines ſo zahlreichen Heeres, als derſelbe
bey ſich hatte, nicht wieder in Stand ſetzen konnten), daß er zu Mitternacht,
ohne einigen Gefaͤhrten oder Licht mitzunehmen, ſein Lager verließe und ſich auf
den Weg nach Temiſchwar begab.
59. Kapudſchi Baſchi, ein Venetianer von Geburt, der von dem chriſt-
lichen Glauben abgefallen war und den Namen Schahin Muhaͤmmed angenom-
men hatte, bemuͤhete ſich, dem Sultane ſeinen Irrthum zu benehmen, und rieth
demſelben, er ſollte ſein Lager nicht ſchimpflicher Weiſe verlaſſen, und durch ſeine
Flucht dem Feinde, der nur einen kleinen Theil ſeines Heeres aufgerieben habe,
nicht den voͤlligen Sieg zuwenden. Er habe gar nicht Urſache, ſich mit ſolcher
Uebereilung davon zu machen: denn die Feinde ſeyen nicht allein durch eine
ſo lange Reiſe und ſo viele Beſchwerlichkeiten ermuͤdet; ſondern ſie haben auch
keine Bruͤcke noch ſonſt ein Mittel, uͤber den Fluß zu kommen. Allein, der
Sultan war mit ſolchen fuͤrchterlichen Vorſtellungen eingenommen, daß er dieſe
heilſa-
ſchwerlich dahin zu bringen, daß ſie den drit-
ten Angriff thun. Sind ſie auch zum drit-
tenmale zuruͤck getrieben: ſo muͤſſet ihr nicht
ſtille ſtehen: ſondern mit Vorſichtigkeit gegen
ihr Lager an ziehen. Alsdann entſtehet ein
noch entſetzlicheres und lauteres Geſchrey
durch das ganze Lager derſelben; Gjawr baſti,
die Unglaubigen ſind gleich da oder treten uns
ſchon auf die Ferſen: darauf dieſelben, wie
ich angemerket habe, niemals dahin gebracht
werden koͤnnen, daß ſie noch einmal angriffen.
Denn den Augenblick, da die Jeng-itſcheri
dieſes hoͤren, verlaſſen ſie ihre Linien und
ihr Geſchuͤtz, und gedenken weiter an nichts,
als wie ſie von dem erſten, der ihnen in den
Weg kommt, ein Pferd oder ein Maulthier
bekommen moͤgen, mit dem ſie entrinnen
koͤnnen. Die von der Reiterey, die die Weiſe
der Jeng-itſcheri wohl wiſſen, und ſich gleich-
ſam zwiſchen zweenen Feinden befinden, be-
geben ſich ſchleunig auf die Flucht, und ent-
fernen ſich ſo weit von dem Fußvolke, als ſie
immer koͤnnen; aus Furcht, daß ſie von den
Jeng-itſcheri, wie es gemeiniglich geſchiehet,
moͤch-
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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 688. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/802>, abgerufen am 22.11.2024.
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