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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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22. Mustäfa der II
[Spaltenumbruch]
"diejenigen zu seiner Zeit finden, die mit
"den müsülmanischen Sachen so treulos
"umgegangen sind, und ohne Noth den
"Unglaubigen Plätze eingeräumet haben,
"die durch so viele Gebeter der Müsülma-
"nen geheiliget worden sind." Hiemit
lässet er dieselben von sich gehen, und fordert
Verzeichnisse von den Soldaten, dem Schatze
und den Städten; sowol denen, die den Fein-
den zurück gegeben worden, als denen, die
den osmanischen Gesetzen noch unterworfen
seyen: findet aber die Sachen nirgends also,
daß sie ihm hätten gefallen können. Hier-
auf schilt er öffentlich auf alle die vornehmen
Bedienten, und heißet dieselben Verräther
des Reichs; ingeheim aber rüstet er sich zum
Kriege, und setzet sich vor, seine Waffen zu-
erst gegen Polen, als den schwächsten Theil,
zu wenden. Damit er nun einigen Schein
der Gerechtigkeit vor sich haben möge: so
fasset er den Entschluß, die Stifter des Frie-
dens, nämlich Rami Rejs Efendi und Mauro-
cordatus, ums Leben zu bringen, als Verrä-
ther, die den Ungläubigen viele Sachen gegen
des Sultans Befehl eingeräumet hätten.
Um auch seine Partey desto besser zu verstär-
ken, erkundiget er sich durch Briefe bey dem
Chan und den Großen in der Tatarey: ob sie
zu dem Frieden, den Iskjerlet Ogli und
sein Geselle, Rami Rejs Efendi, gemachet,
ihre Einwilligung gegeben haben? Er, fügte
er hinzu, wisse gewiß und sey gänzlich über-
zeuget, daß sie alle beyde von den Unglaubi-
gen bestochen worden, als Verräther gehan-
delt, den Sultan hintergangen, und solcher-
gestalt das osmanische Beste mehr verkauft
als befördert hätten. Niemand war bey
diesem Verfahren Daltabans mehr verlegen,
als die beyden oben erwähnten Abgesandten,
Rami Rejs Efendi und Alexander Mauro-
cordatus: denn sie sahen offenbar, wenn
Daltaban bey seinem Amte bliebe, daß sie
der Strafe nicht würden entgehen können;
und sie wußten auch sehr wohl, daß keine
[Spaltenumbruch]
Hoffnung zur Veränderung vorhanden sey,
so lange der Müfti Daltabans Freund bleibe.
Nach langer Ueberlegung der Sache, und weil
sie keinen andern Weg zu ihrer Sicherheit vor
sich sahen: so wurden sie schlüssig, zu dem
Müfti zu gehen, und denselben, wo möglich,
von Daltabans Partey abzuziehen. Mauro-
cordatus dachte es aus, wie man die Sache
angreifen müsse, und unterrichtete Rami in
dem, was er zu sagen hatte, und was für
Gründe er gebrauchen sollte, den Müfti zu be-
wegen. Rami folgete der Anweisung des
statslistigen Iskjerlet Oglis, und nahm Gele-
genheit, dem Müfti vorzustellen: er habe von
dem Sultane Befehl erhalten, mit den Deut-
schen und Polen Frieden zu machen, und habe
im Gehorsam gegen denselben seine äußersten
Bemühungen angewendet, so vortheilhafte
Bedingungen, als es ihm möglich gewesen,
für den osmanischen Stat zu erhalten; habe
auch den Unglaubigen nichts nachgegeben,
außer nach dem Befehle des Sultans, und
auf die Einwilligung des Müftis und des
Weßirs, Husejn Paschas. Da er nun ge-
glaubet, durch diese Bemühungen dem os-
manischen State gute Dienste geleistet zu ha-
ben: so befinde er im Gegentheile, daß er
dadurch sich und seinen Mitarbeiter, Iskjer-
let Ogli, den äußersten Unwillen des neuen
Weßirs, Daltaban Mustäfa Paschas, zugezo-
gen habe. Denn dieser habe ihm nicht allein
auf die schimpflichste Weise begegnet, da er
doch ganz und gar ohne Schuld sey; son-
dern er habe auch alle diejenigen auf das
bitterste durchgezogen, die entweder durch
ihre Befehle, oder durch ihre Einwilligung,
etwas zur Stiftung des Friedens beygetra-
gen haben: ja er sey so weit gegangen, daß
er sich öffentlich heraus gelassen habe; er
wolle die Ehre des osmanischen Namens von
allen innerlichen und äußerlichen Gjawurn
säubern. Ueber dieses habe er die krimischen
Tatarn und die übrigen scythischen Ordi durch
heimliche Briefe zur Empörung aufgewiegelt,
4 T
22. Muſtaͤfa der II
[Spaltenumbruch]
“diejenigen zu ſeiner Zeit finden, die mit
“den muͤſuͤlmaniſchen Sachen ſo treulos
“umgegangen ſind, und ohne Noth den
“Unglaubigen Plaͤtze eingeraͤumet haben,
“die durch ſo viele Gebeter der Muͤſuͤlma-
“nen geheiliget worden ſind.„ Hiemit
laͤſſet er dieſelben von ſich gehen, und fordert
Verzeichniſſe von den Soldaten, dem Schatze
und den Staͤdten; ſowol denen, die den Fein-
den zuruͤck gegeben worden, als denen, die
den osmaniſchen Geſetzen noch unterworfen
ſeyen: findet aber die Sachen nirgends alſo,
daß ſie ihm haͤtten gefallen koͤnnen. Hier-
auf ſchilt er oͤffentlich auf alle die vornehmen
Bedienten, und heißet dieſelben Verraͤther
des Reichs; ingeheim aber ruͤſtet er ſich zum
Kriege, und ſetzet ſich vor, ſeine Waffen zu-
erſt gegen Polen, als den ſchwaͤchſten Theil,
zu wenden. Damit er nun einigen Schein
der Gerechtigkeit vor ſich haben moͤge: ſo
faſſet er den Entſchluß, die Stifter des Frie-
dens, naͤmlich Rami Rejs Efendi und Mauro-
cordatus, ums Leben zu bringen, als Verraͤ-
ther, die den Unglaͤubigen viele Sachen gegen
des Sultans Befehl eingeraͤumet haͤtten.
Um auch ſeine Partey deſto beſſer zu verſtaͤr-
ken, erkundiget er ſich durch Briefe bey dem
Chan und den Großen in der Tatarey: ob ſie
zu dem Frieden, den Iskjerlet Ogli und
ſein Geſelle, Rami Rejs Efendi, gemachet,
ihre Einwilligung gegeben haben? Er, fuͤgte
er hinzu, wiſſe gewiß und ſey gaͤnzlich uͤber-
zeuget, daß ſie alle beyde von den Unglaubi-
gen beſtochen worden, als Verraͤther gehan-
delt, den Sultan hintergangen, und ſolcher-
geſtalt das osmaniſche Beſte mehr verkauft
als befoͤrdert haͤtten. Niemand war bey
dieſem Verfahren Daltabans mehr verlegen,
als die beyden oben erwaͤhnten Abgeſandten,
Rami Rejs Efendi und Alexander Mauro-
cordatus: denn ſie ſahen offenbar, wenn
Daltaban bey ſeinem Amte bliebe, daß ſie
der Strafe nicht wuͤrden entgehen koͤnnen;
und ſie wußten auch ſehr wohl, daß keine
[Spaltenumbruch]
Hoffnung zur Veraͤnderung vorhanden ſey,
ſo lange der Muͤfti Daltabans Freund bleibe.
Nach langer Ueberlegung der Sache, und weil
ſie keinen andern Weg zu ihrer Sicherheit vor
ſich ſahen: ſo wurden ſie ſchluͤſſig, zu dem
Muͤfti zu gehen, und denſelben, wo moͤglich,
von Daltabans Partey abzuziehen. Mauro-
cordatus dachte es aus, wie man die Sache
angreifen muͤſſe, und unterrichtete Rami in
dem, was er zu ſagen hatte, und was fuͤr
Gruͤnde er gebrauchen ſollte, den Muͤfti zu be-
wegen. Rami folgete der Anweiſung des
ſtatsliſtigen Iskjerlet Oglis, und nahm Gele-
genheit, dem Muͤfti vorzuſtellen: er habe von
dem Sultane Befehl erhalten, mit den Deut-
ſchen und Polen Frieden zu machen, und habe
im Gehorſam gegen denſelben ſeine aͤußerſten
Bemuͤhungen angewendet, ſo vortheilhafte
Bedingungen, als es ihm moͤglich geweſen,
fuͤr den osmaniſchen Stat zu erhalten; habe
auch den Unglaubigen nichts nachgegeben,
außer nach dem Befehle des Sultans, und
auf die Einwilligung des Muͤftis und des
Weßirs, Huſejn Paſchas. Da er nun ge-
glaubet, durch dieſe Bemuͤhungen dem os-
maniſchen State gute Dienſte geleiſtet zu ha-
ben: ſo befinde er im Gegentheile, daß er
dadurch ſich und ſeinen Mitarbeiter, Iskjer-
let Ogli, den aͤußerſten Unwillen des neuen
Weßirs, Daltaban Muſtaͤfa Paſchas, zugezo-
gen habe. Denn dieſer habe ihm nicht allein
auf die ſchimpflichſte Weiſe begegnet, da er
doch ganz und gar ohne Schuld ſey; ſon-
dern er habe auch alle diejenigen auf das
bitterſte durchgezogen, die entweder durch
ihre Befehle, oder durch ihre Einwilligung,
etwas zur Stiftung des Friedens beygetra-
gen haben: ja er ſey ſo weit gegangen, daß
er ſich oͤffentlich heraus gelaſſen habe; er
wolle die Ehre des osmaniſchen Namens von
allen innerlichen und aͤußerlichen Gjawurn
ſaͤubern. Ueber dieſes habe er die krimiſchen
Tatarn und die uͤbrigen ſcythiſchen Ordi durch
heimliche Briefe zur Empoͤrung aufgewiegelt,
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[697/0811] 22. Muſtaͤfa der II “diejenigen zu ſeiner Zeit finden, die mit “den muͤſuͤlmaniſchen Sachen ſo treulos “umgegangen ſind, und ohne Noth den “Unglaubigen Plaͤtze eingeraͤumet haben, “die durch ſo viele Gebeter der Muͤſuͤlma- “nen geheiliget worden ſind.„ Hiemit laͤſſet er dieſelben von ſich gehen, und fordert Verzeichniſſe von den Soldaten, dem Schatze und den Staͤdten; ſowol denen, die den Fein- den zuruͤck gegeben worden, als denen, die den osmaniſchen Geſetzen noch unterworfen ſeyen: findet aber die Sachen nirgends alſo, daß ſie ihm haͤtten gefallen koͤnnen. Hier- auf ſchilt er oͤffentlich auf alle die vornehmen Bedienten, und heißet dieſelben Verraͤther des Reichs; ingeheim aber ruͤſtet er ſich zum Kriege, und ſetzet ſich vor, ſeine Waffen zu- erſt gegen Polen, als den ſchwaͤchſten Theil, zu wenden. Damit er nun einigen Schein der Gerechtigkeit vor ſich haben moͤge: ſo faſſet er den Entſchluß, die Stifter des Frie- dens, naͤmlich Rami Rejs Efendi und Mauro- cordatus, ums Leben zu bringen, als Verraͤ- ther, die den Unglaͤubigen viele Sachen gegen des Sultans Befehl eingeraͤumet haͤtten. Um auch ſeine Partey deſto beſſer zu verſtaͤr- ken, erkundiget er ſich durch Briefe bey dem Chan und den Großen in der Tatarey: ob ſie zu dem Frieden, den Iskjerlet Ogli und ſein Geſelle, Rami Rejs Efendi, gemachet, ihre Einwilligung gegeben haben? Er, fuͤgte er hinzu, wiſſe gewiß und ſey gaͤnzlich uͤber- zeuget, daß ſie alle beyde von den Unglaubi- gen beſtochen worden, als Verraͤther gehan- delt, den Sultan hintergangen, und ſolcher- geſtalt das osmaniſche Beſte mehr verkauft als befoͤrdert haͤtten. Niemand war bey dieſem Verfahren Daltabans mehr verlegen, als die beyden oben erwaͤhnten Abgeſandten, Rami Rejs Efendi und Alexander Mauro- cordatus: denn ſie ſahen offenbar, wenn Daltaban bey ſeinem Amte bliebe, daß ſie der Strafe nicht wuͤrden entgehen koͤnnen; und ſie wußten auch ſehr wohl, daß keine Hoffnung zur Veraͤnderung vorhanden ſey, ſo lange der Muͤfti Daltabans Freund bleibe. Nach langer Ueberlegung der Sache, und weil ſie keinen andern Weg zu ihrer Sicherheit vor ſich ſahen: ſo wurden ſie ſchluͤſſig, zu dem Muͤfti zu gehen, und denſelben, wo moͤglich, von Daltabans Partey abzuziehen. Mauro- cordatus dachte es aus, wie man die Sache angreifen muͤſſe, und unterrichtete Rami in dem, was er zu ſagen hatte, und was fuͤr Gruͤnde er gebrauchen ſollte, den Muͤfti zu be- wegen. Rami folgete der Anweiſung des ſtatsliſtigen Iskjerlet Oglis, und nahm Gele- genheit, dem Muͤfti vorzuſtellen: er habe von dem Sultane Befehl erhalten, mit den Deut- ſchen und Polen Frieden zu machen, und habe im Gehorſam gegen denſelben ſeine aͤußerſten Bemuͤhungen angewendet, ſo vortheilhafte Bedingungen, als es ihm moͤglich geweſen, fuͤr den osmaniſchen Stat zu erhalten; habe auch den Unglaubigen nichts nachgegeben, außer nach dem Befehle des Sultans, und auf die Einwilligung des Muͤftis und des Weßirs, Huſejn Paſchas. Da er nun ge- glaubet, durch dieſe Bemuͤhungen dem os- maniſchen State gute Dienſte geleiſtet zu ha- ben: ſo befinde er im Gegentheile, daß er dadurch ſich und ſeinen Mitarbeiter, Iskjer- let Ogli, den aͤußerſten Unwillen des neuen Weßirs, Daltaban Muſtaͤfa Paſchas, zugezo- gen habe. Denn dieſer habe ihm nicht allein auf die ſchimpflichſte Weiſe begegnet, da er doch ganz und gar ohne Schuld ſey; ſon- dern er habe auch alle diejenigen auf das bitterſte durchgezogen, die entweder durch ihre Befehle, oder durch ihre Einwilligung, etwas zur Stiftung des Friedens beygetra- gen haben: ja er ſey ſo weit gegangen, daß er ſich oͤffentlich heraus gelaſſen habe; er wolle die Ehre des osmaniſchen Namens von allen innerlichen und aͤußerlichen Gjawurn ſaͤubern. Ueber dieſes habe er die krimiſchen Tatarn und die uͤbrigen ſcythiſchen Ordi durch heimliche Briefe zur Empoͤrung aufgewiegelt, und, 4 T

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 697. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/811>, abgerufen am 22.11.2024.