Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.Osmanische Geschichte [Spaltenumbruch]
zuschicken würde, schriebe: er hätte eben auch daran gedacht, weil er wahrgenommen, daß das Volk und die Jeng-itscheri sehr übel zu- frieden seyen, da sie sehen, daß ein Mann von einem Schreiber zu einem Weßire erho- ben worden sey; daher habe er für nöthig erachtet, ihn weiter vom Hofe zu entfernen, in Hoffnung, das Murren des Volks und der Soldaten auf diese Weise zu stillen. Diesem gefaßten Schlusse zu folge sendet der Müfti am folgenden Tage seinen Sohn Nä- kib Efendi zu dem Weßire, mit einer noch- maligen Entschuldigung, daß er letzthin sein Versprechen nicht habe halten können, daran dieses Schuld sey, daß der Sultan ihn habe rufen lassen: und dabey lässet er ihm mel- den, daß Gott durch eine sonderbare Vor- sorge damals diese Hinderniß geschicket habe; denn er habe inzwischen Gelegenheit gefun- den, den Sultan dahin zu bereden, daß er Rami von dem Hofe wegschaffen und zum Seräskjer von Babadagi machen wolle. Es sey aber nöthig, daß er eben diese Sache durch ein Telchis von dem Sultane begehre, ehe derselbe seinen Sinn ändere: und dabey müsse er, der Gewohnheit gemäß, von Rami auf eine rühmliche Art Erwähnung thun, damit der Sultan keinen Verdacht eines Be- trugs bey der Sache schöpfe; nämlich, Ra- mi habe sich durch seine dem Reiche geleiste- ten treuen Dienste dieser Ehrenstelle würdig gemacht, und er wisse keinen Mann, der ge- schickter sey, den Frieden zu erhalten und die Bewegungen der Gjawr zu beobachten. Nachdem der Müfti Daltaban dieses hatte sagen lassen: so giebt er durch ein Teßkjere oder einen Zeddel dem Sultane Nachricht, daß ihm von dem Weßire dergleichen Vortrag geschehen werde: und bittet denselben, er möchte nicht allein seine Einwilligung dazu geben; sondern auch den Weßir zu sich beru- fen, unter dem Vorwande, sich mit ihm zu be- rathschlagen, wegen der Verhaltungsbefehle, die er Rami Pascha mitzugeben habe. Das [Spaltenumbruch] Schauspiel gehet auch so von statten, wie es der Müfti angezeddelt hatte. Daltaban schicket dem Sultane ein Telchis zu; der Sul- tan bestätiget dasselbe, indem er nach der ge- wöhnlichen Formel darüber schreibet: Also soll es geschehen; und lässet demselben durch Baltadschilar Kjihajasi wissen, daß er zu ihm kommen solle. Der Weßir gehorchet, weil er von der ihm gestellten Schlinge nichts weis (denn wenn ihm etwas davon wäre bewußt gewesen: so hätte er nicht allein derselben leicht ausweichen; sondern auch eben dieselbe Empörung erregen können, dadurch nachge- hends dem Sultane das Zepter aus den Hän- den gedrehet wurde), und begiebt sich mit dem gewöhnlichen Prachte zu dem Sultane. Indem nun Kißlar Agasi, der Gewohnheit gemäß, zuerst in das Zimmer tritt: so kommt Baltadschilar Kjihajasi von dem Sultane zu ihm herausgegangen, und meldet ihm, daß der Sultan das ihm anvertraute Reichssiegel ihm hiemit abfordern lasse. Daltaban, als ein Mann von unüberwindlicher Herzhaftig- keit, der gegen alle die mannichfaltigen Ab- wechslungen des Glücks gehärtet war, wei- gert sich, das Zeichen seiner Würde heraus- zugeben, bis er vorher drey Worte mit dem Sultane geredet habe; und wenn er ihn damit nicht besänftige: so wolle er alsdann freywillig nicht allein das Siegel, sondern so gar seinen Kopf, hergeben. Was seine Absicht darunter möge gewesen seyn, daß er so ernstlich begehrete, mit dem Sultane zu spre- chen: davon hatte man zur selbigen Zeit mancherley Muthmaßungen. Einige glaub- ten, er sey willens gewesen, den Sultan mit einem Dolche, den er unter dem Kleide getra- gen, umzubringen. Andere sprachen ihn von einem so verzweifelten Vorsatze frey, und meineten, er hätte keine andere Absicht darunter gehabt, als dem Sultane die große Gefahr zu Gemüthe zu führen, darinnen er sich wegen der Anschläge des Müftis und Ramis befinde, und ihm den Vorschlag Osmaniſche Geſchichte [Spaltenumbruch]
zuſchicken wuͤrde, ſchriebe: er haͤtte eben auch daran gedacht, weil er wahrgenommen, daß das Volk und die Jeng-itſcheri ſehr uͤbel zu- frieden ſeyen, da ſie ſehen, daß ein Mann von einem Schreiber zu einem Weßire erho- ben worden ſey; daher habe er fuͤr noͤthig erachtet, ihn weiter vom Hofe zu entfernen, in Hoffnung, das Murren des Volks und der Soldaten auf dieſe Weiſe zu ſtillen. Dieſem gefaßten Schluſſe zu folge ſendet der Muͤfti am folgenden Tage ſeinen Sohn Naͤ- kib Efendi zu dem Weßire, mit einer noch- maligen Entſchuldigung, daß er letzthin ſein Verſprechen nicht habe halten koͤnnen, daran dieſes Schuld ſey, daß der Sultan ihn habe rufen laſſen: und dabey laͤſſet er ihm mel- den, daß Gott durch eine ſonderbare Vor- ſorge damals dieſe Hinderniß geſchicket habe; denn er habe inzwiſchen Gelegenheit gefun- den, den Sultan dahin zu bereden, daß er Rami von dem Hofe wegſchaffen und zum Seraͤskjer von Babadagi machen wolle. Es ſey aber noͤthig, daß er eben dieſe Sache durch ein Telchis von dem Sultane begehre, ehe derſelbe ſeinen Sinn aͤndere: und dabey muͤſſe er, der Gewohnheit gemaͤß, von Rami auf eine ruͤhmliche Art Erwaͤhnung thun, damit der Sultan keinen Verdacht eines Be- trugs bey der Sache ſchoͤpfe; naͤmlich, Ra- mi habe ſich durch ſeine dem Reiche geleiſte- ten treuen Dienſte dieſer Ehrenſtelle wuͤrdig gemacht, und er wiſſe keinen Mann, der ge- ſchickter ſey, den Frieden zu erhalten und die Bewegungen der Gjawr zu beobachten. Nachdem der Muͤfti Daltaban dieſes hatte ſagen laſſen: ſo giebt er durch ein Teßkjere oder einen Zeddel dem Sultane Nachricht, daß ihm von dem Weßire dergleichen Vortrag geſchehen werde: und bittet denſelben, er moͤchte nicht allein ſeine Einwilligung dazu geben; ſondern auch den Weßir zu ſich beru- fen, unter dem Vorwande, ſich mit ihm zu be- rathſchlagen, wegen der Verhaltungsbefehle, die er Rami Paſcha mitzugeben habe. Das [Spaltenumbruch] Schauſpiel gehet auch ſo von ſtatten, wie es der Muͤfti angezeddelt hatte. Daltaban ſchicket dem Sultane ein Telchis zu; der Sul- tan beſtaͤtiget daſſelbe, indem er nach der ge- woͤhnlichen Formel daruͤber ſchreibet: Alſo ſoll es geſchehen; und laͤſſet demſelben durch Baltadſchilar Kjihajaſi wiſſen, daß er zu ihm kommen ſolle. Der Weßir gehorchet, weil er von der ihm geſtellten Schlinge nichts weis (denn wenn ihm etwas davon waͤre bewußt geweſen: ſo haͤtte er nicht allein derſelben leicht ausweichen; ſondern auch eben dieſelbe Empoͤrung erregen koͤnnen, dadurch nachge- hends dem Sultane das Zepter aus den Haͤn- den gedrehet wurde), und begiebt ſich mit dem gewoͤhnlichen Prachte zu dem Sultane. Indem nun Kißlar Agaſi, der Gewohnheit gemaͤß, zuerſt in das Zimmer tritt: ſo kommt Baltadſchilar Kjihajaſi von dem Sultane zu ihm herausgegangen, und meldet ihm, daß der Sultan das ihm anvertraute Reichsſiegel ihm hiemit abfordern laſſe. Daltaban, als ein Mann von unuͤberwindlicher Herzhaftig- keit, der gegen alle die mannichfaltigen Ab- wechslungen des Gluͤcks gehaͤrtet war, wei- gert ſich, das Zeichen ſeiner Wuͤrde heraus- zugeben, bis er vorher drey Worte mit dem Sultane geredet habe; und wenn er ihn damit nicht beſaͤnftige: ſo wolle er alsdann freywillig nicht allein das Siegel, ſondern ſo gar ſeinen Kopf, hergeben. Was ſeine Abſicht darunter moͤge geweſen ſeyn, daß er ſo ernſtlich begehrete, mit dem Sultane zu ſpre- chen: davon hatte man zur ſelbigen Zeit mancherley Muthmaßungen. Einige glaub- ten, er ſey willens geweſen, den Sultan mit einem Dolche, den er unter dem Kleide getra- gen, umzubringen. Andere ſprachen ihn von einem ſo verzweifelten Vorſatze frey, und meineten, er haͤtte keine andere Abſicht darunter gehabt, als dem Sultane die große Gefahr zu Gemuͤthe zu fuͤhren, darinnen er ſich wegen der Anſchlaͤge des Muͤftis und Ramis befinde, und ihm den Vorſchlag <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0818" n="704"/> <fw place="top" type="header">Osmaniſche Geſchichte</fw><lb/> <cb n="1"/><lb/> <note xml:id="K818" prev="#K817" place="end" next="#K819">zuſchicken wuͤrde, ſchriebe: er haͤtte eben auch<lb/> daran gedacht, weil er wahrgenommen, daß<lb/> das Volk und die Jeng-itſcheri ſehr uͤbel zu-<lb/> frieden ſeyen, da ſie ſehen, daß ein Mann<lb/> von einem Schreiber zu einem Weßire erho-<lb/> ben worden ſey; daher habe er fuͤr noͤthig<lb/> erachtet, ihn weiter vom Hofe zu entfernen,<lb/> in Hoffnung, das Murren des Volks und<lb/> der Soldaten auf dieſe Weiſe zu ſtillen.<lb/> Dieſem gefaßten Schluſſe zu folge ſendet der<lb/> Muͤfti am folgenden Tage ſeinen Sohn Naͤ-<lb/> kib Efendi zu dem Weßire, mit einer noch-<lb/> maligen Entſchuldigung, daß er letzthin ſein<lb/> Verſprechen nicht habe halten koͤnnen, daran<lb/> dieſes Schuld ſey, daß der Sultan ihn habe<lb/> rufen laſſen: und dabey laͤſſet er ihm mel-<lb/> den, daß Gott durch eine ſonderbare Vor-<lb/> ſorge damals dieſe Hinderniß geſchicket habe;<lb/> denn er habe inzwiſchen Gelegenheit gefun-<lb/> den, den Sultan dahin zu bereden, daß er<lb/> Rami von dem Hofe wegſchaffen und zum<lb/> Seraͤskjer von Babadagi machen wolle. 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Osmaniſche Geſchichte
zuſchicken wuͤrde, ſchriebe: er haͤtte eben auch
daran gedacht, weil er wahrgenommen, daß
das Volk und die Jeng-itſcheri ſehr uͤbel zu-
frieden ſeyen, da ſie ſehen, daß ein Mann
von einem Schreiber zu einem Weßire erho-
ben worden ſey; daher habe er fuͤr noͤthig
erachtet, ihn weiter vom Hofe zu entfernen,
in Hoffnung, das Murren des Volks und
der Soldaten auf dieſe Weiſe zu ſtillen.
Dieſem gefaßten Schluſſe zu folge ſendet der
Muͤfti am folgenden Tage ſeinen Sohn Naͤ-
kib Efendi zu dem Weßire, mit einer noch-
maligen Entſchuldigung, daß er letzthin ſein
Verſprechen nicht habe halten koͤnnen, daran
dieſes Schuld ſey, daß der Sultan ihn habe
rufen laſſen: und dabey laͤſſet er ihm mel-
den, daß Gott durch eine ſonderbare Vor-
ſorge damals dieſe Hinderniß geſchicket habe;
denn er habe inzwiſchen Gelegenheit gefun-
den, den Sultan dahin zu bereden, daß er
Rami von dem Hofe wegſchaffen und zum
Seraͤskjer von Babadagi machen wolle. Es
ſey aber noͤthig, daß er eben dieſe Sache durch
ein Telchis von dem Sultane begehre, ehe
derſelbe ſeinen Sinn aͤndere: und dabey
muͤſſe er, der Gewohnheit gemaͤß, von Rami
auf eine ruͤhmliche Art Erwaͤhnung thun,
damit der Sultan keinen Verdacht eines Be-
trugs bey der Sache ſchoͤpfe; naͤmlich, Ra-
mi habe ſich durch ſeine dem Reiche geleiſte-
ten treuen Dienſte dieſer Ehrenſtelle wuͤrdig
gemacht, und er wiſſe keinen Mann, der ge-
ſchickter ſey, den Frieden zu erhalten und
die Bewegungen der Gjawr zu beobachten.
Nachdem der Muͤfti Daltaban dieſes hatte
ſagen laſſen: ſo giebt er durch ein Teßkjere
oder einen Zeddel dem Sultane Nachricht,
daß ihm von dem Weßire dergleichen Vortrag
geſchehen werde: und bittet denſelben, er
moͤchte nicht allein ſeine Einwilligung dazu
geben; ſondern auch den Weßir zu ſich beru-
fen, unter dem Vorwande, ſich mit ihm zu be-
rathſchlagen, wegen der Verhaltungsbefehle,
die er Rami Paſcha mitzugeben habe. Das
Schauſpiel gehet auch ſo von ſtatten, wie es
der Muͤfti angezeddelt hatte. Daltaban
ſchicket dem Sultane ein Telchis zu; der Sul-
tan beſtaͤtiget daſſelbe, indem er nach der ge-
woͤhnlichen Formel daruͤber ſchreibet: Alſo
ſoll es geſchehen; und laͤſſet demſelben durch
Baltadſchilar Kjihajaſi wiſſen, daß er zu ihm
kommen ſolle. Der Weßir gehorchet, weil er
von der ihm geſtellten Schlinge nichts weis
(denn wenn ihm etwas davon waͤre bewußt
geweſen: ſo haͤtte er nicht allein derſelben
leicht ausweichen; ſondern auch eben dieſelbe
Empoͤrung erregen koͤnnen, dadurch nachge-
hends dem Sultane das Zepter aus den Haͤn-
den gedrehet wurde), und begiebt ſich mit
dem gewoͤhnlichen Prachte zu dem Sultane.
Indem nun Kißlar Agaſi, der Gewohnheit
gemaͤß, zuerſt in das Zimmer tritt: ſo kommt
Baltadſchilar Kjihajaſi von dem Sultane zu
ihm herausgegangen, und meldet ihm, daß
der Sultan das ihm anvertraute Reichsſiegel
ihm hiemit abfordern laſſe. Daltaban, als
ein Mann von unuͤberwindlicher Herzhaftig-
keit, der gegen alle die mannichfaltigen Ab-
wechslungen des Gluͤcks gehaͤrtet war, wei-
gert ſich, das Zeichen ſeiner Wuͤrde heraus-
zugeben, bis er vorher drey Worte mit dem
Sultane geredet habe; und wenn er ihn
damit nicht beſaͤnftige: ſo wolle er alsdann
freywillig nicht allein das Siegel, ſondern
ſo gar ſeinen Kopf, hergeben. Was ſeine
Abſicht darunter moͤge geweſen ſeyn, daß er
ſo ernſtlich begehrete, mit dem Sultane zu ſpre-
chen: davon hatte man zur ſelbigen Zeit
mancherley Muthmaßungen. Einige glaub-
ten, er ſey willens geweſen, den Sultan mit
einem Dolche, den er unter dem Kleide getra-
gen, umzubringen. Andere ſprachen ihn
von einem ſo verzweifelten Vorſatze frey,
und meineten, er haͤtte keine andere Abſicht
darunter gehabt, als dem Sultane die große
Gefahr zu Gemuͤthe zu fuͤhren, darinnen er
ſich wegen der Anſchlaͤge des Muͤftis und
Ramis befinde, und ihm den Vorſchlag
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