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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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22. Mustäfa der II
73.

Die Türken, die zuvor freywillig in Kriegesdienste gingen, warenAhnende Vor-
hersagungen des
Volks.

itzo verdrossen, wollten so gar dem Befehle des Sultans nicht gehorchen, und
konnten weder durch Bitten noch durch Drohungen bewogen werden. Der
Sultan, wann derselbe verkleidet in den Zusammenkünften des Volks herum-
ginge, mußte öfters von den Bürgern und Soldaten diese Reden anhören.
"Daß die Osmanen die Deutschen schlagen sollten: das ist eine Sache, die
"unsere Kräfte übersteiget. Gott hat öffentlich bezeuget, daß er auf der Gjawr
"Seite ist; er hat seinen Rathschluß in diesem Stücke durch genugsame Kenn-
"zeichen an den Tag geleget. Es ist daher vergebens, so viele Ströme müsül-
"manisches Blutes zu verschütten, so lange wir sowol gegen Gott als gegen
"Menschen zu streiten haben."

74.

Der Sultan wußte es eben so wohl, wie nöthig der Friede sey, um demBeyde kriegen-
de Fürsten sind
wegen des Aus-
ganges beküm-
mert.

erschöpften Zustande des Reichs wieder aufzuhelfen, und sein ernstlicher Wunsch
ging auch dahin. Was ihn aber abhielte, den Antrag dazu zu thun: das war
sein Aberglaube, und die Besorgung, die Feinde möchten dadurch noch hochmü-
thiger gemacht werden, und die Ehre des osmanischen Reichs möchte darunter
Schaden leiden. Der deutsche Kaiser war ebenfals nicht weniger ungeduldig,
das Ende von dem Kriege zu sehen: nicht, als wenn er an einem Siege gegen
die Türken verzagte; sondern, weil er befürchtete, während der Zeit, da er in
diesem Kriege verwickelt wäre, möchte der König in Spanien sterben, und die
Streitigkeiten, die alsdann wegen dessen Verlassenschaft entstehen würden,
möchten den glücklichen Fortgang seiner Waffen hemmen. Allein, er hielte es
sich für schimpflich, den Frieden von einem überwundenen Feinde zu begehren,
und demselben den Palmzweig von freyen Stücken anzubieten. Die holländi-
[Spaltenumbruch]

"laß uns aus diesem Gebiete fliehen! denn
"Friede, Ehre, nebst dem göttlichen Gesetze
"und dem Ansehen der osmanischen Maje-
"stät, haben bereits die Flucht genommen."
31 Kjel* Mehemmed Begj] Es giebt
viele Begjen in den Eyländern, die wenig-
stens eine Galee besitzen, damit sie in Frie-
denszeiten Handlung, und zu Kriegeszeiten
Seeräuberey treiben. Der Begj, dessen hier
[Spaltenumbruch]
gedacht wird, war vor allen den übrigen be-
rühmt: nicht allein, weil er reicher war,
als dieselben insgemein zu seyn pflegen
(denn er hatte drey Galeen, die er selbst be-
lude); sondern auch, weil er ein phocischer2*
Seeräuber und in dieser Handthierung sehr
erfahren war. Den Beynamen Kjel bekam
er deswegen, weil er einen kahlen und grin-
digen Kopf hatte. Das griechische Schiffs-
volk nennete ihn [fremdsprachliches Material - Zeichen fehlt]3*.

schen
* der Grindige.
2* Phocis ist ein Theil der heutigen Landschaft Livadien, und von Alters
her wegen seiner erfahrnen Seeräuber bekannt.
3* die Sturmhaube.
4 U 2
22. Muſtaͤfa der II
73.

Die Tuͤrken, die zuvor freywillig in Kriegesdienſte gingen, warenAhnende Vor-
herſagungen des
Volks.

itzo verdroſſen, wollten ſo gar dem Befehle des Sultans nicht gehorchen, und
konnten weder durch Bitten noch durch Drohungen bewogen werden. Der
Sultan, wann derſelbe verkleidet in den Zuſammenkuͤnften des Volks herum-
ginge, mußte oͤfters von den Buͤrgern und Soldaten dieſe Reden anhoͤren.
“Daß die Osmanen die Deutſchen ſchlagen ſollten: das iſt eine Sache, die
“unſere Kraͤfte uͤberſteiget. Gott hat oͤffentlich bezeuget, daß er auf der Gjawr
“Seite iſt; er hat ſeinen Rathſchluß in dieſem Stuͤcke durch genugſame Kenn-
“zeichen an den Tag geleget. Es iſt daher vergebens, ſo viele Stroͤme muͤſuͤl-
“maniſches Blutes zu verſchuͤtten, ſo lange wir ſowol gegen Gott als gegen
“Menſchen zu ſtreiten haben.„

74.

Der Sultan wußte es eben ſo wohl, wie noͤthig der Friede ſey, um demBeyde kriegen-
de Fuͤrſten ſind
wegen des Aus-
ganges bekuͤm-
mert.

erſchoͤpften Zuſtande des Reichs wieder aufzuhelfen, und ſein ernſtlicher Wunſch
ging auch dahin. Was ihn aber abhielte, den Antrag dazu zu thun: das war
ſein Aberglaube, und die Beſorgung, die Feinde moͤchten dadurch noch hochmuͤ-
thiger gemacht werden, und die Ehre des osmaniſchen Reichs moͤchte darunter
Schaden leiden. Der deutſche Kaiſer war ebenfals nicht weniger ungeduldig,
das Ende von dem Kriege zu ſehen: nicht, als wenn er an einem Siege gegen
die Tuͤrken verzagte; ſondern, weil er befuͤrchtete, waͤhrend der Zeit, da er in
dieſem Kriege verwickelt waͤre, moͤchte der Koͤnig in Spanien ſterben, und die
Streitigkeiten, die alsdann wegen deſſen Verlaſſenſchaft entſtehen wuͤrden,
moͤchten den gluͤcklichen Fortgang ſeiner Waffen hemmen. Allein, er hielte es
ſich fuͤr ſchimpflich, den Frieden von einem uͤberwundenen Feinde zu begehren,
und demſelben den Palmzweig von freyen Stuͤcken anzubieten. Die hollaͤndi-
[Spaltenumbruch]

“laß uns aus dieſem Gebiete fliehen! denn
“Friede, Ehre, nebſt dem goͤttlichen Geſetze
“und dem Anſehen der osmaniſchen Maje-
“ſtaͤt, haben bereits die Flucht genommen.„
31 Kjel* Mehemmed Begj] Es giebt
viele Begjen in den Eylaͤndern, die wenig-
ſtens eine Galee beſitzen, damit ſie in Frie-
denszeiten Handlung, und zu Kriegeszeiten
Seeraͤuberey treiben. Der Begj, deſſen hier
[Spaltenumbruch]
gedacht wird, war vor allen den uͤbrigen be-
ruͤhmt: nicht allein, weil er reicher war,
als dieſelben insgemein zu ſeyn pflegen
(denn er hatte drey Galeen, die er ſelbſt be-
lude); ſondern auch, weil er ein phociſcher2*
Seeraͤuber und in dieſer Handthierung ſehr
erfahren war. Den Beynamen Kjel bekam
er deswegen, weil er einen kahlen und grin-
digen Kopf hatte. Das griechiſche Schiffs-
volk nennete ihn [fremdsprachliches Material – Zeichen fehlt]3*.

ſchen
* der Grindige.
2* Phocis iſt ein Theil der heutigen Landſchaft Livadien, und von Alters
her wegen ſeiner erfahrnen Seeraͤuber bekannt.
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[707/0821] 22. Muſtaͤfa der II 73. Die Tuͤrken, die zuvor freywillig in Kriegesdienſte gingen, waren itzo verdroſſen, wollten ſo gar dem Befehle des Sultans nicht gehorchen, und konnten weder durch Bitten noch durch Drohungen bewogen werden. Der Sultan, wann derſelbe verkleidet in den Zuſammenkuͤnften des Volks herum- ginge, mußte oͤfters von den Buͤrgern und Soldaten dieſe Reden anhoͤren. “Daß die Osmanen die Deutſchen ſchlagen ſollten: das iſt eine Sache, die “unſere Kraͤfte uͤberſteiget. Gott hat oͤffentlich bezeuget, daß er auf der Gjawr “Seite iſt; er hat ſeinen Rathſchluß in dieſem Stuͤcke durch genugſame Kenn- “zeichen an den Tag geleget. Es iſt daher vergebens, ſo viele Stroͤme muͤſuͤl- “maniſches Blutes zu verſchuͤtten, ſo lange wir ſowol gegen Gott als gegen “Menſchen zu ſtreiten haben.„ Ahnende Vor- herſagungen des Volks. 74. Der Sultan wußte es eben ſo wohl, wie noͤthig der Friede ſey, um dem erſchoͤpften Zuſtande des Reichs wieder aufzuhelfen, und ſein ernſtlicher Wunſch ging auch dahin. Was ihn aber abhielte, den Antrag dazu zu thun: das war ſein Aberglaube, und die Beſorgung, die Feinde moͤchten dadurch noch hochmuͤ- thiger gemacht werden, und die Ehre des osmaniſchen Reichs moͤchte darunter Schaden leiden. Der deutſche Kaiſer war ebenfals nicht weniger ungeduldig, das Ende von dem Kriege zu ſehen: nicht, als wenn er an einem Siege gegen die Tuͤrken verzagte; ſondern, weil er befuͤrchtete, waͤhrend der Zeit, da er in dieſem Kriege verwickelt waͤre, moͤchte der Koͤnig in Spanien ſterben, und die Streitigkeiten, die alsdann wegen deſſen Verlaſſenſchaft entſtehen wuͤrden, moͤchten den gluͤcklichen Fortgang ſeiner Waffen hemmen. Allein, er hielte es ſich fuͤr ſchimpflich, den Frieden von einem uͤberwundenen Feinde zu begehren, und demſelben den Palmzweig von freyen Stuͤcken anzubieten. Die hollaͤndi- ſchen “laß uns aus dieſem Gebiete fliehen! denn “Friede, Ehre, nebſt dem goͤttlichen Geſetze “und dem Anſehen der osmaniſchen Maje- “ſtaͤt, haben bereits die Flucht genommen.„ ³¹ Kjel * Mehemmed Begj] Es giebt viele Begjen in den Eylaͤndern, die wenig- ſtens eine Galee beſitzen, damit ſie in Frie- denszeiten Handlung, und zu Kriegeszeiten Seeraͤuberey treiben. Der Begj, deſſen hier gedacht wird, war vor allen den uͤbrigen be- ruͤhmt: nicht allein, weil er reicher war, als dieſelben insgemein zu ſeyn pflegen (denn er hatte drey Galeen, die er ſelbſt be- lude); ſondern auch, weil er ein phociſcher 2* Seeraͤuber und in dieſer Handthierung ſehr erfahren war. Den Beynamen Kjel bekam er deswegen, weil er einen kahlen und grin- digen Kopf hatte. Das griechiſche Schiffs- volk nennete ihn _ 3*. Beyde kriegen- de Fuͤrſten ſind wegen des Aus- ganges bekuͤm- mert. * der Grindige. 2* Phocis iſt ein Theil der heutigen Landſchaft Livadien, und von Alters her wegen ſeiner erfahrnen Seeraͤuber bekannt. 3* die Sturmhaube. 4 U 2

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 707. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/821>, abgerufen am 22.11.2024.