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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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22. Mustäfa der II
von da aus dem Sultane melden: sie hätten sich nicht gegen ihn verschworen,
sondern gegen die bösen Verwalter der öffentlichen Geschäffte, und hätten die
Waffen nicht in der Absicht ergriffen, gegen Müsülmanen zu fechten; sondern
bloß, um diejenigen, die mit einem unglaubigen Gemüthe die Sicherheit des
Reichs den Feinden verkaufet hätten, zu nöthigen, daß sie ihre Thaten vor dem
heiligen und göttlichen Gerichte des Kurons der Untersuchung unterwerfen
müßten. Wenn aber der Sultan in einer Sache, die durch den Weg des
Rechtes ausgemacht werden müsse, das Schwert gebrauchen wolle: so seyen
sie entschlossen, Gewalt mit Gewalt zu vertreiben, und es werde derselbe in die-
sem Falle Gott wegen unnöthiger Vergießung des osmanischen Blutes Rechen-
schaft zu geben haben. Sie ließen auch die Einwohner zu Adrianopel unter
der Hand warnen, sich nicht mit Waffen blicken zu lassen, wenn sie mit einer
Plünderung verschonet bleiben wollten: denn sie seyen nicht gekommen, mit ih-
ren Brüdern zu fechten; sondern über die Verräther und Unterdrücker des
osmanischen Reiches nach dem Gesetze des Kurons Gericht zu halten, und die-
selben nach Verdiensten zu bestrafen.

119.

So bald der Sultan durch seine Tschawusch hievon NachrichtDer Sultan
ziehet mit seinen
Truppen gegen
die Aufrührer
an.

erhält: so versammelt er seine europäischen Truppen mit der größten Geschwin-
digkeit, und befiehlet ihnen, unter Anführung des Weßirs, Rami Mehemmed
Paschas, gegen die Aufrührer anzurücken. Zu desto mehrerer Anfrischung der-
selben thut der Müfti, Fäjßüllah Efendi 50, durch sein Fetwa die Erklärung, daß
die Aufrührer Unglaubige und Gjawur seyen, und verheißet denen, die tapfer
gegen dieselben fechten würden, die Krone des Märtirthums.

[Spaltenumbruch]
tan (die einige einer Zauberey zuschrieben),
daß der Sultan nichts thun noch vornehmen
wollte, ohne ihn vorher darüber um Rathe
zu fragen, noch ihm auch etwas abschlagen
konnte. In seiner Aussprache pflegte er die
persische Mundart zu gebrauchen, welches dem
Volke Anlaß gab, daß es ihn Kißilbasch nen-
nete. Er war so geizig, daß er nicht allein
Geschenke mit beyden Händen annahme; und
wenn man ihm keine gab, dieselben forderte:
sondern auch für Geld allerley Fetwa ertheil-
te, wie man sie verlangte, sie mochten gerecht
[Spaltenumbruch]
oder ungerecht seyn. Er hatte vier Söhne,
die sich auf ihres Vaters Gewalt verließen
und allerhand Unordnungen begingen. Den
ältesten, den ihm des berühmten Wanli Efen-
dis Tochter geboren hatte, machte er zum
Näkib. Die andern drey, ungeachtet sie
noch ganz jung waren, beförderte er zu den
ansehnlichsten und dabey sehr einträglichen
Mewlaschaften; und weil er eine allzugroße
Nachsicht für dieselben hatte: so lud er da-
durch den Unwillen nicht allein der Ulema,
sondern auch des ganzen Volks, auf sich.
120. Als
4 Z 3

22. Muſtaͤfa der II
von da aus dem Sultane melden: ſie haͤtten ſich nicht gegen ihn verſchworen,
ſondern gegen die boͤſen Verwalter der oͤffentlichen Geſchaͤffte, und haͤtten die
Waffen nicht in der Abſicht ergriffen, gegen Muͤſuͤlmanen zu fechten; ſondern
bloß, um diejenigen, die mit einem unglaubigen Gemuͤthe die Sicherheit des
Reichs den Feinden verkaufet haͤtten, zu noͤthigen, daß ſie ihre Thaten vor dem
heiligen und goͤttlichen Gerichte des Kurons der Unterſuchung unterwerfen
muͤßten. Wenn aber der Sultan in einer Sache, die durch den Weg des
Rechtes ausgemacht werden muͤſſe, das Schwert gebrauchen wolle: ſo ſeyen
ſie entſchloſſen, Gewalt mit Gewalt zu vertreiben, und es werde derſelbe in die-
ſem Falle Gott wegen unnoͤthiger Vergießung des osmaniſchen Blutes Rechen-
ſchaft zu geben haben. Sie ließen auch die Einwohner zu Adrianopel unter
der Hand warnen, ſich nicht mit Waffen blicken zu laſſen, wenn ſie mit einer
Pluͤnderung verſchonet bleiben wollten: denn ſie ſeyen nicht gekommen, mit ih-
ren Bruͤdern zu fechten; ſondern uͤber die Verraͤther und Unterdruͤcker des
osmaniſchen Reiches nach dem Geſetze des Kurons Gericht zu halten, und die-
ſelben nach Verdienſten zu beſtrafen.

119.

So bald der Sultan durch ſeine Tſchawuſch hievon NachrichtDer Sultan
ziehet mit ſeinen
Truppen gegen
die Aufruͤhrer
an.

erhaͤlt: ſo verſammelt er ſeine europaͤiſchen Truppen mit der groͤßten Geſchwin-
digkeit, und befiehlet ihnen, unter Anfuͤhrung des Weßirs, Rami Mehemmed
Paſchas, gegen die Aufruͤhrer anzuruͤcken. Zu deſto mehrerer Anfriſchung der-
ſelben thut der Muͤfti, Faͤjßuͤllah Efendi 50, durch ſein Fetwa die Erklaͤrung, daß
die Aufruͤhrer Unglaubige und Gjawur ſeyen, und verheißet denen, die tapfer
gegen dieſelben fechten wuͤrden, die Krone des Maͤrtirthums.

[Spaltenumbruch]
tan (die einige einer Zauberey zuſchrieben),
daß der Sultan nichts thun noch vornehmen
wollte, ohne ihn vorher daruͤber um Rathe
zu fragen, noch ihm auch etwas abſchlagen
konnte. In ſeiner Ausſprache pflegte er die
perſiſche Mundart zu gebrauchen, welches dem
Volke Anlaß gab, daß es ihn Kißilbaſch nen-
nete. Er war ſo geizig, daß er nicht allein
Geſchenke mit beyden Haͤnden annahme; und
wenn man ihm keine gab, dieſelben forderte:
ſondern auch fuͤr Geld allerley Fetwa ertheil-
te, wie man ſie verlangte, ſie mochten gerecht
[Spaltenumbruch]
oder ungerecht ſeyn. Er hatte vier Soͤhne,
die ſich auf ihres Vaters Gewalt verließen
und allerhand Unordnungen begingen. Den
aͤlteſten, den ihm des beruͤhmten Wanli Efen-
dis Tochter geboren hatte, machte er zum
Naͤkib. Die andern drey, ungeachtet ſie
noch ganz jung waren, befoͤrderte er zu den
anſehnlichſten und dabey ſehr eintraͤglichen
Mewlaſchaften; und weil er eine allzugroße
Nachſicht fuͤr dieſelben hatte: ſo lud er da-
durch den Unwillen nicht allein der Ulema,
ſondern auch des ganzen Volks, auf ſich.
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4 Z 3
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[733/0847] 22. Muſtaͤfa der II von da aus dem Sultane melden: ſie haͤtten ſich nicht gegen ihn verſchworen, ſondern gegen die boͤſen Verwalter der oͤffentlichen Geſchaͤffte, und haͤtten die Waffen nicht in der Abſicht ergriffen, gegen Muͤſuͤlmanen zu fechten; ſondern bloß, um diejenigen, die mit einem unglaubigen Gemuͤthe die Sicherheit des Reichs den Feinden verkaufet haͤtten, zu noͤthigen, daß ſie ihre Thaten vor dem heiligen und goͤttlichen Gerichte des Kurons der Unterſuchung unterwerfen muͤßten. Wenn aber der Sultan in einer Sache, die durch den Weg des Rechtes ausgemacht werden muͤſſe, das Schwert gebrauchen wolle: ſo ſeyen ſie entſchloſſen, Gewalt mit Gewalt zu vertreiben, und es werde derſelbe in die- ſem Falle Gott wegen unnoͤthiger Vergießung des osmaniſchen Blutes Rechen- ſchaft zu geben haben. Sie ließen auch die Einwohner zu Adrianopel unter der Hand warnen, ſich nicht mit Waffen blicken zu laſſen, wenn ſie mit einer Pluͤnderung verſchonet bleiben wollten: denn ſie ſeyen nicht gekommen, mit ih- ren Bruͤdern zu fechten; ſondern uͤber die Verraͤther und Unterdruͤcker des osmaniſchen Reiches nach dem Geſetze des Kurons Gericht zu halten, und die- ſelben nach Verdienſten zu beſtrafen. 119. So bald der Sultan durch ſeine Tſchawuſch hievon Nachricht erhaͤlt: ſo verſammelt er ſeine europaͤiſchen Truppen mit der groͤßten Geſchwin- digkeit, und befiehlet ihnen, unter Anfuͤhrung des Weßirs, Rami Mehemmed Paſchas, gegen die Aufruͤhrer anzuruͤcken. Zu deſto mehrerer Anfriſchung der- ſelben thut der Muͤfti, Faͤjßuͤllah Efendi ⁵⁰ , durch ſein Fetwa die Erklaͤrung, daß die Aufruͤhrer Unglaubige und Gjawur ſeyen, und verheißet denen, die tapfer gegen dieſelben fechten wuͤrden, die Krone des Maͤrtirthums. Der Sultan ziehet mit ſeinen Truppen gegen die Aufruͤhrer an. 120. Als tan (die einige einer Zauberey zuſchrieben), daß der Sultan nichts thun noch vornehmen wollte, ohne ihn vorher daruͤber um Rathe zu fragen, noch ihm auch etwas abſchlagen konnte. In ſeiner Ausſprache pflegte er die perſiſche Mundart zu gebrauchen, welches dem Volke Anlaß gab, daß es ihn Kißilbaſch nen- nete. Er war ſo geizig, daß er nicht allein Geſchenke mit beyden Haͤnden annahme; und wenn man ihm keine gab, dieſelben forderte: ſondern auch fuͤr Geld allerley Fetwa ertheil- te, wie man ſie verlangte, ſie mochten gerecht oder ungerecht ſeyn. Er hatte vier Soͤhne, die ſich auf ihres Vaters Gewalt verließen und allerhand Unordnungen begingen. Den aͤlteſten, den ihm des beruͤhmten Wanli Efen- dis Tochter geboren hatte, machte er zum Naͤkib. Die andern drey, ungeachtet ſie noch ganz jung waren, befoͤrderte er zu den anſehnlichſten und dabey ſehr eintraͤglichen Mewlaſchaften; und weil er eine allzugroße Nachſicht fuͤr dieſelben hatte: ſo lud er da- durch den Unwillen nicht allein der Ulema, ſondern auch des ganzen Volks, auf ſich. Einer 4 Z 3

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 733. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/847>, abgerufen am 22.11.2024.