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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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22. Mustäfa der II
Sultan, mit dem Begehren, ihnen den Weßir, den Müfti nebst seinen Söh-
nen, und Maurocordatus, auszuliefern.

123.

Der Sultan, der dieses vorausgesehen, hatte dem Müfti, für denDer Sultan
liefert den Müfti
aus.

er große Hochachtung hegete, zweene Tage zuvor Gelegenheit gegeben, sich
aus dem Staube zu machen; er hatte ihm aber einige Bostandschi nachgeschickt,
die auf ihn passen mußten, und ihn auf seiner Flucht aufhalten sollten, wenn
die Gefahr zunähme. Da er nun siehet, daß die Aufrührer in ihren Forderun-
gen frecher werden: so lässet er ihn unverzüglich durch die Bostandschi wieder
nach Adrianopel zurück bringen, und liefert ihnen denselben, nebst seinen beyden
Söhnen, aus.

124.

So bald als die Aufrührer denselben in ihrer Gewalt hatten: soDie Aufrührer
thun demselben
einen grausamen
Tod an.

übten sie die peinlichste Folter an ihm aus, schlugen ihm sechs Nägel in die Knie,
und suchten durch noch andere entsetzlichen Grausamkeiten von ihm herauszubrin-
gen, wo er seine unsäglichen Reichthümer verborgen habe, die er, der Sage nach,
sollte zusammen gescharret haben. Er aber, als ein Mann von großem Geiste,
litte alles mit sonderbarer Geduld, ohne ein Wort von sich hören zu lassen;
außer daß er über ein so gottloses und undankbares Volk die göttliche Rache
anrief. Nachdem seine Kräfte durch so viele Martern erschöpfet waren: so
brachten sie ihn vollends ums Leben, und warfen seinen Leichnam 52 in den
[Spaltenumbruch]

sondern sie schafften einen griechischen Priester
herbey, der ihn in die Erde bringen sollte.
Dieser Mann bekam einige Leute, die ihn auf
der Erde fortschleppeten; er selbst aber ging
vorher, und sang an statt des Leichenliedes
diese Worte: [fremdsprachliches Material - Zeichen fehlt]
[Spaltenumbruch]
Unflat über deine Seele! und zuletzt ließ er
ihn in den Strom werfen. Dabey wird
erzählet, daß, ehe er seinen Leichnam dem
Wasser übergeben, er denselben zuvor mit
Weihrauch geräuchert, und dazu diese zweene
türkischen Verse gesprochen habe:
Ne sißüngder ne bißümder;
Doß dogru Dschehennem inder.
Das ist:
Weder der Eurige noch der Unsrige;
Er ist gerades Weges zur Hölle gefahren.
[Spaltenumbruch]
Welcher Spruch den Türken so wohl gefiel,
daß sie nicht allein des Mannes Ehrlichkeit
[Spaltenumbruch]
lobeten, sondern ihn auch noch dafür be-
schenkten.

Fluß,
5 A

22. Muſtaͤfa der II
Sultan, mit dem Begehren, ihnen den Weßir, den Muͤfti nebſt ſeinen Soͤh-
nen, und Maurocordatus, auszuliefern.

123.

Der Sultan, der dieſes vorausgeſehen, hatte dem Muͤfti, fuͤr denDer Sultan
liefert den Muͤfti
aus.

er große Hochachtung hegete, zweene Tage zuvor Gelegenheit gegeben, ſich
aus dem Staube zu machen; er hatte ihm aber einige Boſtandſchi nachgeſchickt,
die auf ihn paſſen mußten, und ihn auf ſeiner Flucht aufhalten ſollten, wenn
die Gefahr zunaͤhme. Da er nun ſiehet, daß die Aufruͤhrer in ihren Forderun-
gen frecher werden: ſo laͤſſet er ihn unverzuͤglich durch die Boſtandſchi wieder
nach Adrianopel zuruͤck bringen, und liefert ihnen denſelben, nebſt ſeinen beyden
Soͤhnen, aus.

124.

So bald als die Aufruͤhrer denſelben in ihrer Gewalt hatten: ſoDie Aufruͤhrer
thun demſelben
einen grauſamen
Tod an.

uͤbten ſie die peinlichſte Folter an ihm aus, ſchlugen ihm ſechs Naͤgel in die Knie,
und ſuchten durch noch andere entſetzlichen Grauſamkeiten von ihm herauszubrin-
gen, wo er ſeine unſaͤglichen Reichthuͤmer verborgen habe, die er, der Sage nach,
ſollte zuſammen geſcharret haben. Er aber, als ein Mann von großem Geiſte,
litte alles mit ſonderbarer Geduld, ohne ein Wort von ſich hoͤren zu laſſen;
außer daß er uͤber ein ſo gottloſes und undankbares Volk die goͤttliche Rache
anrief. Nachdem ſeine Kraͤfte durch ſo viele Martern erſchoͤpfet waren: ſo
brachten ſie ihn vollends ums Leben, und warfen ſeinen Leichnam 52 in den
[Spaltenumbruch]

ſondern ſie ſchafften einen griechiſchen Prieſter
herbey, der ihn in die Erde bringen ſollte.
Dieſer Mann bekam einige Leute, die ihn auf
der Erde fortſchleppeten; er ſelbſt aber ging
vorher, und ſang an ſtatt des Leichenliedes
dieſe Worte: [fremdsprachliches Material – Zeichen fehlt]
[Spaltenumbruch]
Unflat uͤber deine Seele! und zuletzt ließ er
ihn in den Strom werfen. Dabey wird
erzaͤhlet, daß, ehe er ſeinen Leichnam dem
Waſſer uͤbergeben, er denſelben zuvor mit
Weihrauch geraͤuchert, und dazu dieſe zweene
tuͤrkiſchen Verſe geſprochen habe:
Ne ſißuͤngder ne bißuͤmder;
Doß dogru Dſchehennem inder.
Das iſt:
Weder der Eurige noch der Unſrige;
Er iſt gerades Weges zur Hoͤlle gefahren.
[Spaltenumbruch]
Welcher Spruch den Tuͤrken ſo wohl gefiel,
daß ſie nicht allein des Mannes Ehrlichkeit
[Spaltenumbruch]
lobeten, ſondern ihn auch noch dafuͤr be-
ſchenkten.

Fluß,
5 A
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[737/0851] 22. Muſtaͤfa der II Sultan, mit dem Begehren, ihnen den Weßir, den Muͤfti nebſt ſeinen Soͤh- nen, und Maurocordatus, auszuliefern. 123. Der Sultan, der dieſes vorausgeſehen, hatte dem Muͤfti, fuͤr den er große Hochachtung hegete, zweene Tage zuvor Gelegenheit gegeben, ſich aus dem Staube zu machen; er hatte ihm aber einige Boſtandſchi nachgeſchickt, die auf ihn paſſen mußten, und ihn auf ſeiner Flucht aufhalten ſollten, wenn die Gefahr zunaͤhme. Da er nun ſiehet, daß die Aufruͤhrer in ihren Forderun- gen frecher werden: ſo laͤſſet er ihn unverzuͤglich durch die Boſtandſchi wieder nach Adrianopel zuruͤck bringen, und liefert ihnen denſelben, nebſt ſeinen beyden Soͤhnen, aus. Der Sultan liefert den Muͤfti aus. 124. So bald als die Aufruͤhrer denſelben in ihrer Gewalt hatten: ſo uͤbten ſie die peinlichſte Folter an ihm aus, ſchlugen ihm ſechs Naͤgel in die Knie, und ſuchten durch noch andere entſetzlichen Grauſamkeiten von ihm herauszubrin- gen, wo er ſeine unſaͤglichen Reichthuͤmer verborgen habe, die er, der Sage nach, ſollte zuſammen geſcharret haben. Er aber, als ein Mann von großem Geiſte, litte alles mit ſonderbarer Geduld, ohne ein Wort von ſich hoͤren zu laſſen; außer daß er uͤber ein ſo gottloſes und undankbares Volk die goͤttliche Rache anrief. Nachdem ſeine Kraͤfte durch ſo viele Martern erſchoͤpfet waren: ſo brachten ſie ihn vollends ums Leben, und warfen ſeinen Leichnam ⁵² in den Fluß, ſondern ſie ſchafften einen griechiſchen Prieſter herbey, der ihn in die Erde bringen ſollte. Dieſer Mann bekam einige Leute, die ihn auf der Erde fortſchleppeten; er ſelbſt aber ging vorher, und ſang an ſtatt des Leichenliedes dieſe Worte: _ Unflat uͤber deine Seele! und zuletzt ließ er ihn in den Strom werfen. Dabey wird erzaͤhlet, daß, ehe er ſeinen Leichnam dem Waſſer uͤbergeben, er denſelben zuvor mit Weihrauch geraͤuchert, und dazu dieſe zweene tuͤrkiſchen Verſe geſprochen habe: Ne ſißuͤngder ne bißuͤmder; Doß dogru Dſchehennem inder. Das iſt: Weder der Eurige noch der Unſrige; Er iſt gerades Weges zur Hoͤlle gefahren. Welcher Spruch den Tuͤrken ſo wohl gefiel, daß ſie nicht allein des Mannes Ehrlichkeit lobeten, ſondern ihn auch noch dafuͤr be- ſchenkten. Die Aufruͤhrer thun demſelben einen grauſamen Tod an. 5 A

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 737. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/851>, abgerufen am 22.11.2024.