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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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Osmanische Geschichte
Hiezu kamen noch andere Nachrichten, die von den Grenzen des Reichs einlie-
fen: nämlich, die Russen haben eine große Anzahl Schweden aus den Dörfern
in Moldau weggeführet; der Zar baue eine große Flote in dem Don, und habe
bereits den Hafen Taganor zu Stande gebracht; mit einem Worte, alles scheine
in diesen Gegenden einen Krieg zu drohen. Diese Dinge beunruhigten das Ge-
müth des Sultans ganz gewaltig, sonderlich dieses, daß die Russen, die zuvor
in der Schiffskunst ganz unerfahren gewesen, itzo schon zu solcher Wissenschaft
darinnen gelanget seyen, daß sie es wagten, ihre Abgesandten auf Kriegsschif-
fen nach Constantinopel zu schicken.

Des Sultans
Urtheil von demZar.
22.

Er ließ daher den Weßir, Kjüprili Ogli Numan Pascha, zu sich
fordern, und sagte, wie man berichtet, zu demselben: "Dieser Feind" (er
meinete den Zar) "kann sich in seinen ausschweifenden Absichten nicht mäßi-
"gen; denn ich kann aus seinen vorigen Handlungen leicht abnehmen, daß
"er, wie ein anderer Alexander der Große, nach der Herrschaft der ganzen
"Welt strebet. Dieser Unglaubige muß also gezüchtiget werden, ehe er in
"den Stand kommt, uns zu schaden: sonst, wenn wir seine Unternehmungen
"verachten, ist zu besorgen, er möchte uns, wann wir mit andern Völkern
"im Kriege verwickelt sind, verdrießliche Hinderungen machen."

Des Weßirs
Antwort gegenden Sultan.
23.

Numan Pascha versetzte hierauf: es sey zwar von der anwachsen-
den Macht des Zars einiger Nachtheil zu befürchten; da aber ein Friede mit
demselben errichtet sey: so müsse man denselben nicht ohne rechtmäßige Ursache
brechen. Er wolle den Abgesandten des Zars zu sich bescheiden, und ihn we-
gen der Absichten seines Herrn zur Rede setzen. In dem Falle aber, daß die Rus-
sen die Türken vor Ablaufe des Stillstandes angreifen sollten, werde Gott der
gerechten Sache der Müsülmanen beystehen.

Unterredung
des Weßirs mit
dem Abgesand-ten.
24.

So bald der Weßir nach Hause kommt: so schicket er nach dem
Abgesandten, und fraget denselben; zu welchem Ende der Zar so viele Schiffe
und Galeen in dem Don bauen lasse. Wenn er den Frieden zu halten ver-
lange: so habe er keine Flote nöthig; denn sie sey ihm gegen einen ieden andern
Feind ganz unnütz, weil kein Ausgang für sie weder in die kaspische See, noch
[Spaltenumbruch]

auf verordnete er demselben mancherley un-
schädliche Julepe, unter dem Namen abfüh-
render und eröffnender Arzneyen. Endlich
[Spaltenumbruch]
zog er ihm ein Messer sanfte längst der Nase
herunter, als wenn er die Fliege herab schnei-
den wollte, und zeigte ihm alsdann eine todte

in

Osmaniſche Geſchichte
Hiezu kamen noch andere Nachrichten, die von den Grenzen des Reichs einlie-
fen: naͤmlich, die Ruſſen haben eine große Anzahl Schweden aus den Doͤrfern
in Moldau weggefuͤhret; der Zar baue eine große Flote in dem Don, und habe
bereits den Hafen Taganor zu Stande gebracht; mit einem Worte, alles ſcheine
in dieſen Gegenden einen Krieg zu drohen. Dieſe Dinge beunruhigten das Ge-
muͤth des Sultans ganz gewaltig, ſonderlich dieſes, daß die Ruſſen, die zuvor
in der Schiffskunſt ganz unerfahren geweſen, itzo ſchon zu ſolcher Wiſſenſchaft
darinnen gelanget ſeyen, daß ſie es wagten, ihre Abgeſandten auf Kriegsſchif-
fen nach Conſtantinopel zu ſchicken.

Des Sultans
Urtheil von demZar.
22.

Er ließ daher den Weßir, Kjuͤprili Ogli Numan Paſcha, zu ſich
fordern, und ſagte, wie man berichtet, zu demſelben: “Dieſer Feind„ (er
meinete den Zar) “kann ſich in ſeinen ausſchweifenden Abſichten nicht maͤßi-
“gen; denn ich kann aus ſeinen vorigen Handlungen leicht abnehmen, daß
“er, wie ein anderer Alexander der Große, nach der Herrſchaft der ganzen
“Welt ſtrebet. Dieſer Unglaubige muß alſo gezuͤchtiget werden, ehe er in
“den Stand kommt, uns zu ſchaden: ſonſt, wenn wir ſeine Unternehmungen
“verachten, iſt zu beſorgen, er moͤchte uns, wann wir mit andern Voͤlkern
“im Kriege verwickelt ſind, verdrießliche Hinderungen machen.„

Des Weßirs
Antwort gegenden Sultan.
23.

Numan Paſcha verſetzte hierauf: es ſey zwar von der anwachſen-
den Macht des Zars einiger Nachtheil zu befuͤrchten; da aber ein Friede mit
demſelben errichtet ſey: ſo muͤſſe man denſelben nicht ohne rechtmaͤßige Urſache
brechen. Er wolle den Abgeſandten des Zars zu ſich beſcheiden, und ihn we-
gen der Abſichten ſeines Herrn zur Rede ſetzen. In dem Falle aber, daß die Ruſ-
ſen die Tuͤrken vor Ablaufe des Stillſtandes angreifen ſollten, werde Gott der
gerechten Sache der Muͤſuͤlmanen beyſtehen.

Unterredung
des Weßirs mit
dem Abgeſand-ten.
24.

So bald der Weßir nach Hauſe kommt: ſo ſchicket er nach dem
Abgeſandten, und fraget denſelben; zu welchem Ende der Zar ſo viele Schiffe
und Galeen in dem Don bauen laſſe. Wenn er den Frieden zu halten ver-
lange: ſo habe er keine Flote noͤthig; denn ſie ſey ihm gegen einen ieden andern
Feind ganz unnuͤtz, weil kein Ausgang fuͤr ſie weder in die kaſpiſche See, noch
[Spaltenumbruch]

auf verordnete er demſelben mancherley un-
ſchaͤdliche Julepe, unter dem Namen abfuͤh-
render und eroͤffnender Arzneyen. Endlich
[Spaltenumbruch]
zog er ihm ein Meſſer ſanfte laͤngſt der Naſe
herunter, als wenn er die Fliege herab ſchnei-
den wollte, und zeigte ihm alsdann eine todte

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[762/0876] Osmaniſche Geſchichte Hiezu kamen noch andere Nachrichten, die von den Grenzen des Reichs einlie- fen: naͤmlich, die Ruſſen haben eine große Anzahl Schweden aus den Doͤrfern in Moldau weggefuͤhret; der Zar baue eine große Flote in dem Don, und habe bereits den Hafen Taganor zu Stande gebracht; mit einem Worte, alles ſcheine in dieſen Gegenden einen Krieg zu drohen. Dieſe Dinge beunruhigten das Ge- muͤth des Sultans ganz gewaltig, ſonderlich dieſes, daß die Ruſſen, die zuvor in der Schiffskunſt ganz unerfahren geweſen, itzo ſchon zu ſolcher Wiſſenſchaft darinnen gelanget ſeyen, daß ſie es wagten, ihre Abgeſandten auf Kriegsſchif- fen nach Conſtantinopel zu ſchicken. 22. Er ließ daher den Weßir, Kjuͤprili Ogli Numan Paſcha, zu ſich fordern, und ſagte, wie man berichtet, zu demſelben: “Dieſer Feind„ (er meinete den Zar) “kann ſich in ſeinen ausſchweifenden Abſichten nicht maͤßi- “gen; denn ich kann aus ſeinen vorigen Handlungen leicht abnehmen, daß “er, wie ein anderer Alexander der Große, nach der Herrſchaft der ganzen “Welt ſtrebet. Dieſer Unglaubige muß alſo gezuͤchtiget werden, ehe er in “den Stand kommt, uns zu ſchaden: ſonſt, wenn wir ſeine Unternehmungen “verachten, iſt zu beſorgen, er moͤchte uns, wann wir mit andern Voͤlkern “im Kriege verwickelt ſind, verdrießliche Hinderungen machen.„ 23. Numan Paſcha verſetzte hierauf: es ſey zwar von der anwachſen- den Macht des Zars einiger Nachtheil zu befuͤrchten; da aber ein Friede mit demſelben errichtet ſey: ſo muͤſſe man denſelben nicht ohne rechtmaͤßige Urſache brechen. Er wolle den Abgeſandten des Zars zu ſich beſcheiden, und ihn we- gen der Abſichten ſeines Herrn zur Rede ſetzen. In dem Falle aber, daß die Ruſ- ſen die Tuͤrken vor Ablaufe des Stillſtandes angreifen ſollten, werde Gott der gerechten Sache der Muͤſuͤlmanen beyſtehen. 24. So bald der Weßir nach Hauſe kommt: ſo ſchicket er nach dem Abgeſandten, und fraget denſelben; zu welchem Ende der Zar ſo viele Schiffe und Galeen in dem Don bauen laſſe. Wenn er den Frieden zu halten ver- lange: ſo habe er keine Flote noͤthig; denn ſie ſey ihm gegen einen ieden andern Feind ganz unnuͤtz, weil kein Ausgang fuͤr ſie weder in die kaſpiſche See, noch in auf verordnete er demſelben mancherley un- ſchaͤdliche Julepe, unter dem Namen abfuͤh- render und eroͤffnender Arzneyen. Endlich zog er ihm ein Meſſer ſanfte laͤngſt der Naſe herunter, als wenn er die Fliege herab ſchnei- den wollte, und zeigte ihm alsdann eine todte Fliege,

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 762. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/876>, abgerufen am 22.11.2024.