(z. B. Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett) sich bezie- hen, theils werden sie durch die allgemeinern Eigenthümlich- keiten desselben bestimmt werden. Zu den letztern gehören daher namentlich solche Regeln, welche von der individuellen Stimmung weiblicher Sensibilität, so wie des weiblichen Er- nährungsprocesses herbeygeführt werden, und nur hierüber ist jetzt einiges Nähere zu erinnern, dahingegen die Regeln für Behandlung des gesunden weiblichen Körpers im Zustande der Schwangerschaft, Geburt, Wochen- und Stillungsperiode durchaus für den speciellen Theil aufbehalten bleiben müssen.
§. 111.
Bey Entwerfung allgemeiner diätetischer Regeln für das weibliche Geschlecht werden wir sonach auf die §. 58. u. f. erörterten Regeln vorzüglich fußen. -- Was also 1) Be- stimmung der Lebensordnung rücksichtlich der Aufnahme von Nahrungsmitteln betrifft, so fordert der weibliche Körper bey schnellerem Stoffwechsel, rascherer Assimilation und regerer Sensibilität der Verdauungsorgane a) das häufigere Aufnehmen nährender Stoffe. Den Frauen, beynahe wie den Kindern, scheint es daher natürlich, öfterer zu essen und öfterer zu trinken, so daß also die hin und wieder ein- geführte Sitte täglich nur eine einzige Mahlzeit zu halten, außer derselben aber, mit Ausnahme einiges Getränkes, fast nichts zu genießen, dem weiblichen Körper offenbar am wenigsten ange- messen ist. b) Die Menge aufzunehmender Nahrung betref- fend, so steht es mit der vorigen Regel schon in Ueberein- stimmung, daß dieselbe geringer seyn müsse, und c) die Art und Wahl der Nahrung anbelangend, so darf man weder eine zu rohe und schwerverdauliche Kost dem Weibe insbe- sondre zuträglich erklären, noch dürfen namentlich erhitzende, stark reitzende Getränke und Speisen für dieses Geschlecht gebilligt, und alle starken Gewürze, stark gesalzene Speisen, so wie geistige betäubende Dinge müssen hier möglichst ver- mieden werden, wenn nicht nach und nach hysterische Be- schwerden, Krämpfe, Obstruktionen u. s. w. entstehen sollen. Ebendeßhalb pflegen daher leichte Fleischspeisen, Milch, meh- lichte Vegetabilien u. s. w. eine dem weiblichen Geschlecht vor-
I. Theil. 6
(z. B. Schwangerſchaft, Geburt und Wochenbett) ſich bezie- hen, theils werden ſie durch die allgemeinern Eigenthuͤmlich- keiten deſſelben beſtimmt werden. Zu den letztern gehoͤren daher namentlich ſolche Regeln, welche von der individuellen Stimmung weiblicher Senſibilitaͤt, ſo wie des weiblichen Er- naͤhrungsproceſſes herbeygefuͤhrt werden, und nur hieruͤber iſt jetzt einiges Naͤhere zu erinnern, dahingegen die Regeln fuͤr Behandlung des geſunden weiblichen Koͤrpers im Zuſtande der Schwangerſchaft, Geburt, Wochen- und Stillungsperiode durchaus fuͤr den ſpeciellen Theil aufbehalten bleiben muͤſſen.
§. 111.
Bey Entwerfung allgemeiner diaͤtetiſcher Regeln fuͤr das weibliche Geſchlecht werden wir ſonach auf die §. 58. u. f. eroͤrterten Regeln vorzuͤglich fußen. — Was alſo 1) Be- ſtimmung der Lebensordnung ruͤckſichtlich der Aufnahme von Nahrungsmitteln betrifft, ſo fordert der weibliche Koͤrper bey ſchnellerem Stoffwechſel, raſcherer Aſſimilation und regerer Senſibilitaͤt der Verdauungsorgane a) das haͤufigere Aufnehmen naͤhrender Stoffe. Den Frauen, beynahe wie den Kindern, ſcheint es daher natuͤrlich, oͤfterer zu eſſen und oͤfterer zu trinken, ſo daß alſo die hin und wieder ein- gefuͤhrte Sitte taͤglich nur eine einzige Mahlzeit zu halten, außer derſelben aber, mit Ausnahme einiges Getraͤnkes, faſt nichts zu genießen, dem weiblichen Koͤrper offenbar am wenigſten ange- meſſen iſt. b) Die Menge aufzunehmender Nahrung betref- fend, ſo ſteht es mit der vorigen Regel ſchon in Ueberein- ſtimmung, daß dieſelbe geringer ſeyn muͤſſe, und c) die Art und Wahl der Nahrung anbelangend, ſo darf man weder eine zu rohe und ſchwerverdauliche Koſt dem Weibe insbe- ſondre zutraͤglich erklaͤren, noch duͤrfen namentlich erhitzende, ſtark reitzende Getraͤnke und Speiſen fuͤr dieſes Geſchlecht gebilligt, und alle ſtarken Gewuͤrze, ſtark geſalzene Speiſen, ſo wie geiſtige betaͤubende Dinge muͤſſen hier moͤglichſt ver- mieden werden, wenn nicht nach und nach hyſteriſche Be- ſchwerden, Kraͤmpfe, Obſtruktionen u. ſ. w. entſtehen ſollen. Ebendeßhalb pflegen daher leichte Fleiſchſpeiſen, Milch, meh- lichte Vegetabilien u. ſ. w. eine dem weiblichen Geſchlecht vor-
I. Theil. 6
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(z. B. Schwangerſchaft, Geburt und Wochenbett) ſich bezie-
hen, theils werden ſie durch die allgemeinern Eigenthuͤmlich-
keiten deſſelben beſtimmt werden. Zu den letztern gehoͤren
daher namentlich ſolche Regeln, welche von der individuellen
Stimmung weiblicher Senſibilitaͤt, ſo wie des weiblichen Er-
naͤhrungsproceſſes herbeygefuͤhrt werden, und nur hieruͤber iſt
jetzt einiges Naͤhere zu erinnern, dahingegen die Regeln fuͤr
Behandlung des geſunden weiblichen Koͤrpers im Zuſtande
der Schwangerſchaft, Geburt, Wochen- und Stillungsperiode
durchaus fuͤr den ſpeciellen Theil aufbehalten bleiben muͤſſen.
§. 111.
Bey Entwerfung allgemeiner diaͤtetiſcher Regeln fuͤr das
weibliche Geſchlecht werden wir ſonach auf die §. 58. u. f.
eroͤrterten Regeln vorzuͤglich fußen. — Was alſo 1) Be-
ſtimmung der Lebensordnung ruͤckſichtlich der
Aufnahme von Nahrungsmitteln betrifft, ſo fordert
der weibliche Koͤrper bey ſchnellerem Stoffwechſel, raſcherer
Aſſimilation und regerer Senſibilitaͤt der Verdauungsorgane
a) das haͤufigere Aufnehmen naͤhrender Stoffe. Den Frauen,
beynahe wie den Kindern, ſcheint es daher natuͤrlich, oͤfterer zu
eſſen und oͤfterer zu trinken, ſo daß alſo die hin und wieder ein-
gefuͤhrte Sitte taͤglich nur eine einzige Mahlzeit zu halten, außer
derſelben aber, mit Ausnahme einiges Getraͤnkes, faſt nichts zu
genießen, dem weiblichen Koͤrper offenbar am wenigſten ange-
meſſen iſt. b) Die Menge aufzunehmender Nahrung betref-
fend, ſo ſteht es mit der vorigen Regel ſchon in Ueberein-
ſtimmung, daß dieſelbe geringer ſeyn muͤſſe, und c) die Art
und Wahl der Nahrung anbelangend, ſo darf man weder
eine zu rohe und ſchwerverdauliche Koſt dem Weibe insbe-
ſondre zutraͤglich erklaͤren, noch duͤrfen namentlich erhitzende,
ſtark reitzende Getraͤnke und Speiſen fuͤr dieſes Geſchlecht
gebilligt, und alle ſtarken Gewuͤrze, ſtark geſalzene Speiſen,
ſo wie geiſtige betaͤubende Dinge muͤſſen hier moͤglichſt ver-
mieden werden, wenn nicht nach und nach hyſteriſche Be-
ſchwerden, Kraͤmpfe, Obſtruktionen u. ſ. w. entſtehen ſollen.
Ebendeßhalb pflegen daher leichte Fleiſchſpeiſen, Milch, meh-
lichte Vegetabilien u. ſ. w. eine dem weiblichen Geſchlecht vor-
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Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 1. Leipzig, 1820, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie01_1820/101>, abgerufen am 21.11.2024.
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