Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 1. Leipzig, 1820.

Bild:
<< vorherige Seite

helfen, gegen welche uns doch sogar die eigentlich nur bild-
lichen Darstellungen jener allgemeinen Verbindungen, wohin
Meßmer's Aetherströmmungen gehören, immer noch vor-
züglicher scheinen.

§. 232.

Nach diesen allgemeinen Vorbemerkungen wenden wir uns
nun zu näherer Betrachtung der der Pubertätsentwicklung zuge-
hörigen ungewöhnlichen und abnormen Zufälle der animalen Thä-
tigkeiten im weiblichen Organismus, und müssen zuvörderst, wie
denn alle animale Thätigkeit diesen beyden Richtungen folgt,
zwischen abnormen Empfindungen und abnormen Gegenwirkun-
gen unterscheiden. Beyde Gattungen sind indeß in der Na-
tur keineswegs so scharf getrennt, daß nicht vielmehr gerade die
meisten besondern Krankheitsfälle nach dem Vorherrschen
der einen oder andern Abnormität klassificirt werden müßten,
und wenn wir daher Krämpfe und Lähmungen einer-
seits, und erhöhte oder gesunkene Empfindlichkeit
andrerseits, allerdings gleich eigentlichen Grundformen zu be-
trachten haben, so gehen doch die verschiedenen Unterarten
derselben nebst ihren vielfachen Combinationen ins Unendliche,
so daß wir uns begnügen müssen, nur von den größern
Krankheitsgruppen eine allgemeine Charakteristik zu entwerfen.

§. 233.

Untersuchen wir nun zunächst die in dieser Periode des
weiblichen Lebens vorkommenden Störungen des Empfin-
dungsvermögens, so haben wir wieder die krankhaften Er-
scheinungen des innern Sinnes, in welchem das eigentliche
Seelenleben sich ausspricht, und des äußern Sinnes zu un-
terscheiden. Zu denen der erstern Art gehören: a) die
Ueberspannungen des Selbstgefühls im wachen
Zustande
, welche, je nachdem sich das Gemüth der Kran-
ken dabey auf die äußern menschlichen Verhältnisse, oder auf
innere geistige und religiöse Gegenstände richtet, zur Sucht
bewundert zu werden
(sey es auch nur wegen Ertra-
gung vielleicht absichtlich geschaffener Leiden) oder zur Fan-
tasterey
, Sprechsucht, Verssucht und Musiksucht, oder

helfen, gegen welche uns doch ſogar die eigentlich nur bild-
lichen Darſtellungen jener allgemeinen Verbindungen, wohin
Meßmer’s Aetherſtroͤmmungen gehoͤren, immer noch vor-
zuͤglicher ſcheinen.

§. 232.

Nach dieſen allgemeinen Vorbemerkungen wenden wir uns
nun zu naͤherer Betrachtung der der Pubertaͤtsentwicklung zuge-
hoͤrigen ungewoͤhnlichen und abnormen Zufaͤlle der animalen Thaͤ-
tigkeiten im weiblichen Organismus, und muͤſſen zuvoͤrderſt, wie
denn alle animale Thaͤtigkeit dieſen beyden Richtungen folgt,
zwiſchen abnormen Empfindungen und abnormen Gegenwirkun-
gen unterſcheiden. Beyde Gattungen ſind indeß in der Na-
tur keineswegs ſo ſcharf getrennt, daß nicht vielmehr gerade die
meiſten beſondern Krankheitsfaͤlle nach dem Vorherrſchen
der einen oder andern Abnormitaͤt klaſſificirt werden muͤßten,
und wenn wir daher Kraͤmpfe und Laͤhmungen einer-
ſeits, und erhoͤhte oder geſunkene Empfindlichkeit
andrerſeits, allerdings gleich eigentlichen Grundformen zu be-
trachten haben, ſo gehen doch die verſchiedenen Unterarten
derſelben nebſt ihren vielfachen Combinationen ins Unendliche,
ſo daß wir uns begnuͤgen muͤſſen, nur von den groͤßern
Krankheitsgruppen eine allgemeine Charakteriſtik zu entwerfen.

§. 233.

Unterſuchen wir nun zunaͤchſt die in dieſer Periode des
weiblichen Lebens vorkommenden Stoͤrungen des Empfin-
dungsvermoͤgens, ſo haben wir wieder die krankhaften Er-
ſcheinungen des innern Sinnes, in welchem das eigentliche
Seelenleben ſich ausſpricht, und des aͤußern Sinnes zu un-
terſcheiden. Zu denen der erſtern Art gehoͤren: a) die
Ueberſpannungen des Selbſtgefuͤhls im wachen
Zuſtande
, welche, je nachdem ſich das Gemuͤth der Kran-
ken dabey auf die aͤußern menſchlichen Verhaͤltniſſe, oder auf
innere geiſtige und religioͤſe Gegenſtaͤnde richtet, zur Sucht
bewundert zu werden
(ſey es auch nur wegen Ertra-
gung vielleicht abſichtlich geſchaffener Leiden) oder zur Fan-
taſterey
, Sprechſucht, Versſucht und Muſikſucht, oder

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <div n="7">
                    <div n="8">
                      <div n="9">
                        <p><pb facs="#f0195" n="175"/>
helfen, gegen welche uns doch &#x017F;ogar die eigentlich nur bild-<lb/>
lichen Dar&#x017F;tellungen jener allgemeinen Verbindungen, wohin<lb/><hi rendition="#g">Meßmer&#x2019;s</hi> Aether&#x017F;tro&#x0364;mmungen geho&#x0364;ren, immer noch vor-<lb/>
zu&#x0364;glicher &#x017F;cheinen.</p>
                      </div><lb/>
                      <div n="9">
                        <head>§. 232.</head><lb/>
                        <p>Nach die&#x017F;en allgemeinen Vorbemerkungen wenden wir uns<lb/>
nun zu na&#x0364;herer Betrachtung der der Puberta&#x0364;tsentwicklung zuge-<lb/>
ho&#x0364;rigen ungewo&#x0364;hnlichen und abnormen Zufa&#x0364;lle der animalen Tha&#x0364;-<lb/>
tigkeiten im weiblichen Organismus, und mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en zuvo&#x0364;rder&#x017F;t, wie<lb/>
denn alle animale Tha&#x0364;tigkeit die&#x017F;en beyden Richtungen folgt,<lb/>
zwi&#x017F;chen abnormen Empfindungen und abnormen Gegenwirkun-<lb/>
gen unter&#x017F;cheiden. Beyde Gattungen &#x017F;ind indeß in der Na-<lb/>
tur keineswegs &#x017F;o &#x017F;charf getrennt, daß nicht vielmehr gerade die<lb/>
mei&#x017F;ten be&#x017F;ondern Krankheitsfa&#x0364;lle nach dem <hi rendition="#g">Vorherr&#x017F;chen</hi><lb/>
der einen oder andern Abnormita&#x0364;t kla&#x017F;&#x017F;ificirt werden mu&#x0364;ßten,<lb/>
und wenn wir daher <hi rendition="#g">Kra&#x0364;mpfe</hi> und <hi rendition="#g">La&#x0364;hmungen</hi> einer-<lb/>
&#x017F;eits, und <hi rendition="#g">erho&#x0364;hte</hi> oder <hi rendition="#g">ge&#x017F;unkene Empfindlichkeit</hi><lb/>
andrer&#x017F;eits, allerdings gleich eigentlichen Grundformen zu be-<lb/>
trachten haben, &#x017F;o gehen doch die ver&#x017F;chiedenen Unterarten<lb/>
der&#x017F;elben neb&#x017F;t ihren vielfachen Combinationen ins Unendliche,<lb/>
&#x017F;o daß wir uns begnu&#x0364;gen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, nur von den gro&#x0364;ßern<lb/>
Krankheitsgruppen eine allgemeine Charakteri&#x017F;tik zu entwerfen.</p>
                      </div><lb/>
                      <div n="9">
                        <head>§. 233.</head><lb/>
                        <p>Unter&#x017F;uchen wir nun zuna&#x0364;ch&#x017F;t die in die&#x017F;er Periode des<lb/>
weiblichen Lebens vorkommenden Sto&#x0364;rungen des Empfin-<lb/>
dungsvermo&#x0364;gens, &#x017F;o haben wir wieder die krankhaften Er-<lb/>
&#x017F;cheinungen des innern Sinnes, in welchem das eigentliche<lb/>
Seelenleben &#x017F;ich aus&#x017F;pricht, und des a&#x0364;ußern Sinnes zu un-<lb/>
ter&#x017F;cheiden. Zu denen der er&#x017F;tern Art geho&#x0364;ren: <hi rendition="#aq">a)</hi> <hi rendition="#g">die<lb/>
Ueber&#x017F;pannungen des Selb&#x017F;tgefu&#x0364;hls im wachen<lb/>
Zu&#x017F;tande</hi>, welche, je nachdem &#x017F;ich das Gemu&#x0364;th der Kran-<lb/>
ken dabey auf die a&#x0364;ußern men&#x017F;chlichen Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e, oder auf<lb/>
innere gei&#x017F;tige und religio&#x0364;&#x017F;e Gegen&#x017F;ta&#x0364;nde richtet, zur <hi rendition="#g">Sucht<lb/>
bewundert zu werden</hi> (&#x017F;ey es auch nur wegen Ertra-<lb/>
gung vielleicht ab&#x017F;ichtlich ge&#x017F;chaffener Leiden) oder zur <hi rendition="#g">Fan-<lb/>
ta&#x017F;terey</hi>, Sprech&#x017F;ucht, Vers&#x017F;ucht und Mu&#x017F;ik&#x017F;ucht, oder<lb/></p>
                      </div>
                    </div>
                  </div>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[175/0195] helfen, gegen welche uns doch ſogar die eigentlich nur bild- lichen Darſtellungen jener allgemeinen Verbindungen, wohin Meßmer’s Aetherſtroͤmmungen gehoͤren, immer noch vor- zuͤglicher ſcheinen. §. 232. Nach dieſen allgemeinen Vorbemerkungen wenden wir uns nun zu naͤherer Betrachtung der der Pubertaͤtsentwicklung zuge- hoͤrigen ungewoͤhnlichen und abnormen Zufaͤlle der animalen Thaͤ- tigkeiten im weiblichen Organismus, und muͤſſen zuvoͤrderſt, wie denn alle animale Thaͤtigkeit dieſen beyden Richtungen folgt, zwiſchen abnormen Empfindungen und abnormen Gegenwirkun- gen unterſcheiden. Beyde Gattungen ſind indeß in der Na- tur keineswegs ſo ſcharf getrennt, daß nicht vielmehr gerade die meiſten beſondern Krankheitsfaͤlle nach dem Vorherrſchen der einen oder andern Abnormitaͤt klaſſificirt werden muͤßten, und wenn wir daher Kraͤmpfe und Laͤhmungen einer- ſeits, und erhoͤhte oder geſunkene Empfindlichkeit andrerſeits, allerdings gleich eigentlichen Grundformen zu be- trachten haben, ſo gehen doch die verſchiedenen Unterarten derſelben nebſt ihren vielfachen Combinationen ins Unendliche, ſo daß wir uns begnuͤgen muͤſſen, nur von den groͤßern Krankheitsgruppen eine allgemeine Charakteriſtik zu entwerfen. §. 233. Unterſuchen wir nun zunaͤchſt die in dieſer Periode des weiblichen Lebens vorkommenden Stoͤrungen des Empfin- dungsvermoͤgens, ſo haben wir wieder die krankhaften Er- ſcheinungen des innern Sinnes, in welchem das eigentliche Seelenleben ſich ausſpricht, und des aͤußern Sinnes zu un- terſcheiden. Zu denen der erſtern Art gehoͤren: a) die Ueberſpannungen des Selbſtgefuͤhls im wachen Zuſtande, welche, je nachdem ſich das Gemuͤth der Kran- ken dabey auf die aͤußern menſchlichen Verhaͤltniſſe, oder auf innere geiſtige und religioͤſe Gegenſtaͤnde richtet, zur Sucht bewundert zu werden (ſey es auch nur wegen Ertra- gung vielleicht abſichtlich geſchaffener Leiden) oder zur Fan- taſterey, Sprechſucht, Versſucht und Muſikſucht, oder

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie01_1820
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie01_1820/195
Zitationshilfe: Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 1. Leipzig, 1820, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie01_1820/195>, abgerufen am 24.11.2024.