kührliche Muskelbewegung, Zuckungen, clonische Kräm- pfe, Epilepsie, Veitstanz u. s. w. -- Endlich aber halten wir dieses auch für den angemessensten Ort, einiger sonder- baren im vegetativen Leben sich äußernden Abnormitäten zu gedenken, welche wir gleichfalls vorzüglich von krankhaften Einwirkungen des Nervensystems ableiten zu dürfen glauben, und welche in der ungewöhnlich langen Suspension mehrerer dem Leben sonst ununterbrochen nothwendiger Funktionen sich darstellen, wohin zu rechnen: a) die lange Entbehrung von Nahrungsmitteln, b) die lange Unterdrückung natürlicher Ausleerungen, c) die lange Unterbre- chung des Athemholens.
§. 235.
Es ist nun im Folgenden unsere Absicht, diese Krank- heitsformen noch im Einzelnen durchzugehen, sie nach ihrer Entstehung und ihrem Vorkommen, so wie nach der Art ih- rer Erscheinungen mit den Grundsäßen der Physiologie mög- lichst in Uebereinstimmung zu bringen, zu beleuchten, und dann von den Mitteln zu handeln, welche, in wiefern sie das Nervensystem unmittelbar in Anspruch nehmen, vorzüg- lich zur Behandlung derselben empfohlen zu werden verdie- nen, in wiefern nämlich diese Krankheitserscheinungen selbst nicht vielleicht blos Symptome anderweitiger Störungen dar- stellen; als welches aus der Verbindung oder vielmehr An- reihung dieser Zufälle an andere primär vorhandene (z. B. Störungen der Menstruation u. s. w.) sich ergiebt, und dann wesentlich nur die Behandlung jenes primären Leidens fordert.
§. 236.
1) Die Ueberspannungen des Selbstgefühls im wachen Zustande betreffend, so sind sie vorzüglich bey schwächlichen überreitzten Jungfrauen, deren Geistesent- wicklung der körperlichen weit vorgeeilt ist, zu bemerken; es ist hier, als ob der Geist auf alle Weise die Schwäche und Unvollkommenheit des Körpers verdecken wollte, und zu- gleich als ob der Geist bey der unvollkommnen körperlichen Organisation, gleichsam des festen Bodens in der sinnlichen
I. Theil. 12
kuͤhrliche Muskelbewegung, Zuckungen, cloniſche Kraͤm- pfe, Epilepſie, Veitstanz u. ſ. w. — Endlich aber halten wir dieſes auch fuͤr den angemeſſenſten Ort, einiger ſonder- baren im vegetativen Leben ſich aͤußernden Abnormitaͤten zu gedenken, welche wir gleichfalls vorzuͤglich von krankhaften Einwirkungen des Nervenſyſtems ableiten zu duͤrfen glauben, und welche in der ungewoͤhnlich langen Suspenſion mehrerer dem Leben ſonſt ununterbrochen nothwendiger Funktionen ſich darſtellen, wohin zu rechnen: a) die lange Entbehrung von Nahrungsmitteln, b) die lange Unterdruͤckung natuͤrlicher Ausleerungen, c) die lange Unterbre- chung des Athemholens.
§. 235.
Es iſt nun im Folgenden unſere Abſicht, dieſe Krank- heitsformen noch im Einzelnen durchzugehen, ſie nach ihrer Entſtehung und ihrem Vorkommen, ſo wie nach der Art ih- rer Erſcheinungen mit den Grundſaͤßen der Phyſiologie moͤg- lichſt in Uebereinſtimmung zu bringen, zu beleuchten, und dann von den Mitteln zu handeln, welche, in wiefern ſie das Nervenſyſtem unmittelbar in Anſpruch nehmen, vorzuͤg- lich zur Behandlung derſelben empfohlen zu werden verdie- nen, in wiefern naͤmlich dieſe Krankheitserſcheinungen ſelbſt nicht vielleicht blos Symptome anderweitiger Stoͤrungen dar- ſtellen; als welches aus der Verbindung oder vielmehr An- reihung dieſer Zufaͤlle an andere primaͤr vorhandene (z. B. Stoͤrungen der Menſtruation u. ſ. w.) ſich ergiebt, und dann weſentlich nur die Behandlung jenes primaͤren Leidens fordert.
§. 236.
1) Die Ueberſpannungen des Selbſtgefuͤhls im wachen Zuſtande betreffend, ſo ſind ſie vorzuͤglich bey ſchwaͤchlichen uͤberreitzten Jungfrauen, deren Geiſtesent- wicklung der koͤrperlichen weit vorgeeilt iſt, zu bemerken; es iſt hier, als ob der Geiſt auf alle Weiſe die Schwaͤche und Unvollkommenheit des Koͤrpers verdecken wollte, und zu- gleich als ob der Geiſt bey der unvollkommnen koͤrperlichen Organiſation, gleichſam des feſten Bodens in der ſinnlichen
I. Theil. 12
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kuͤhrliche Muskelbewegung, Zuckungen, cloniſche Kraͤm-
pfe, Epilepſie, Veitstanz u. ſ. w. — Endlich aber halten
wir dieſes auch fuͤr den angemeſſenſten Ort, einiger ſonder-
baren im vegetativen Leben ſich aͤußernden Abnormitaͤten zu
gedenken, welche wir gleichfalls vorzuͤglich von krankhaften
Einwirkungen des Nervenſyſtems ableiten zu duͤrfen glauben,
und welche in der ungewoͤhnlich langen Suspenſion mehrerer
dem Leben ſonſt ununterbrochen nothwendiger Funktionen ſich
darſtellen, wohin zu rechnen: a) die lange Entbehrung
von Nahrungsmitteln, b) die lange Unterdruͤckung
natuͤrlicher Ausleerungen, c) die lange Unterbre-
chung des Athemholens.
§. 235.
Es iſt nun im Folgenden unſere Abſicht, dieſe Krank-
heitsformen noch im Einzelnen durchzugehen, ſie nach ihrer
Entſtehung und ihrem Vorkommen, ſo wie nach der Art ih-
rer Erſcheinungen mit den Grundſaͤßen der Phyſiologie moͤg-
lichſt in Uebereinſtimmung zu bringen, zu beleuchten, und
dann von den Mitteln zu handeln, welche, in wiefern ſie
das Nervenſyſtem unmittelbar in Anſpruch nehmen, vorzuͤg-
lich zur Behandlung derſelben empfohlen zu werden verdie-
nen, in wiefern naͤmlich dieſe Krankheitserſcheinungen ſelbſt
nicht vielleicht blos Symptome anderweitiger Stoͤrungen dar-
ſtellen; als welches aus der Verbindung oder vielmehr An-
reihung dieſer Zufaͤlle an andere primaͤr vorhandene (z. B.
Stoͤrungen der Menſtruation u. ſ. w.) ſich ergiebt, und dann
weſentlich nur die Behandlung jenes primaͤren Leidens fordert.
§. 236.
1) Die Ueberſpannungen des Selbſtgefuͤhls
im wachen Zuſtande betreffend, ſo ſind ſie vorzuͤglich
bey ſchwaͤchlichen uͤberreitzten Jungfrauen, deren Geiſtesent-
wicklung der koͤrperlichen weit vorgeeilt iſt, zu bemerken; es
iſt hier, als ob der Geiſt auf alle Weiſe die Schwaͤche und
Unvollkommenheit des Koͤrpers verdecken wollte, und zu-
gleich als ob der Geiſt bey der unvollkommnen koͤrperlichen
Organiſation, gleichſam des feſten Bodens in der ſinnlichen
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Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 1. Leipzig, 1820, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie01_1820/197>, abgerufen am 21.11.2024.
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