rischen Magnetismus viele Beyspiele enthalten, dann muß aber insbesondre die kräftige Atmosphäre und Einwirkung eines gesunden Organismus bey den an allgemeiner Schwäche, Zittern, partiellen Lähmungen und darnieder liegender Repro- duktion leidenden Subjekten, wo anhaltende deprimirende Affekte, überfeine physische Erziehung, frühe Ausschweifun- gen u. s. w. die Krankheitsursachen abgeben, vorzüglich nützlich werden, allein es wird deßhalb hierbey auch die Wahl des Magnetisirenden von Wichtigkeit seyn, in welcher Hinsicht denn gewiß besonders eine geistig und körperlich möglichst gesunde, der Kranken sonst auch nahe und werthe Person (Mutter, Vater, ein älterer Bruder z. B.) in vieler Hin- sicht den Vorzug verdient.
§. 274.
Die rein psychische Behandlung dieser Krankheiten angehend, so ist zuvörderst zu bemerken, daß ihre Anwen- dung immer noch eine gewisse Empfänglichkeit von Seiten der Kranken voraussetzt, denn es ist leicht zu erkennen, daß z. B. im ausgebildeten Blödsinn, überhaupt schon bey sehr verminderter Geisteskraft auch die Wahrnehmung fremder gei- stiger Einwirkung vermindert seyn müsse. Ferner wird diese Behandlung mehr für Fälle passen, wo die Krankheit durch abnorme Gemüthsrichtung, also z. B. durch Nachahmungssucht, durch religiöse oder poetische Schwärmerey u. s. w. sich äußert; und endlich scheint sie auch vorzüglich da geeignet, wo plötzliche heftige Eindrücke *) diese und ähnliche Zufälle erregt hatten, obwohl sie auch mitunter in langwierigen und all- mählig entstandenen krampfhaften Krankheiten **) mit Nutzen
*) Auf diese Weise heilte man öfters plötzlich durch Mittheilung ent- standene Krämpfe durch Drohungen; so Boerha[v][ - 1 Zeichen fehlt] im Harlemer Waisenhause. Mehrere ähnliche Fälle, auch den ziemlich komischen von Al Raschid's Beyschläferin erzählt Reil, Fieberlehre IV. Bd. S. 108 u. 655.
**) Mehrere Fälle dieser Art sind von Brandis, in dem ganz hier- her gehörigen Aufsatze über die Heilung von Krankheiten durch im- ponderable Arzneymittel (Hufeland's Journ. d. pr. Heilk. 41. Bd. 2s St.) mitgetheilt.
riſchen Magnetismus viele Beyſpiele enthalten, dann muß aber insbeſondre die kraͤftige Atmosphaͤre und Einwirkung eines geſunden Organismus bey den an allgemeiner Schwaͤche, Zittern, partiellen Laͤhmungen und darnieder liegender Repro- duktion leidenden Subjekten, wo anhaltende deprimirende Affekte, uͤberfeine phyſiſche Erziehung, fruͤhe Ausſchweifun- gen u. ſ. w. die Krankheitsurſachen abgeben, vorzuͤglich nuͤtzlich werden, allein es wird deßhalb hierbey auch die Wahl des Magnetiſirenden von Wichtigkeit ſeyn, in welcher Hinſicht denn gewiß beſonders eine geiſtig und koͤrperlich moͤglichſt geſunde, der Kranken ſonſt auch nahe und werthe Perſon (Mutter, Vater, ein aͤlterer Bruder z. B.) in vieler Hin- ſicht den Vorzug verdient.
§. 274.
Die rein pſychiſche Behandlung dieſer Krankheiten angehend, ſo iſt zuvoͤrderſt zu bemerken, daß ihre Anwen- dung immer noch eine gewiſſe Empfaͤnglichkeit von Seiten der Kranken vorausſetzt, denn es iſt leicht zu erkennen, daß z. B. im ausgebildeten Bloͤdſinn, uͤberhaupt ſchon bey ſehr verminderter Geiſteskraft auch die Wahrnehmung fremder gei- ſtiger Einwirkung vermindert ſeyn muͤſſe. Ferner wird dieſe Behandlung mehr fuͤr Faͤlle paſſen, wo die Krankheit durch abnorme Gemuͤthsrichtung, alſo z. B. durch Nachahmungsſucht, durch religioͤſe oder poetiſche Schwaͤrmerey u. ſ. w. ſich aͤußert; und endlich ſcheint ſie auch vorzuͤglich da geeignet, wo ploͤtzliche heftige Eindruͤcke *) dieſe und aͤhnliche Zufaͤlle erregt hatten, obwohl ſie auch mitunter in langwierigen und all- maͤhlig entſtandenen krampfhaften Krankheiten **) mit Nutzen
*) Auf dieſe Weiſe heilte man oͤfters ploͤtzlich durch Mittheilung ent- ſtandene Kraͤmpfe durch Drohungen; ſo Boerha[v][ – 1 Zeichen fehlt] im Harlemer Waiſenhauſe. Mehrere aͤhnliche Faͤlle, auch den ziemlich komiſchen von Al Raſchid’s Beyſchlaͤferin erzaͤhlt Reil, Fieberlehre IV. Bd. S. 108 u. 655.
**) Mehrere Faͤlle dieſer Art ſind von Brandis, in dem ganz hier- her gehoͤrigen Aufſatze uͤber die Heilung von Krankheiten durch im- ponderable Arzneymittel (Hufeland’s Journ. d. pr. Heilk. 41. Bd. 2s St.) mitgetheilt.
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Zittern, partiellen Laͤhmungen und darnieder liegender Repro-
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Affekte, uͤberfeine phyſiſche Erziehung, fruͤhe Ausſchweifun-
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Magnetiſirenden von Wichtigkeit ſeyn, in welcher Hinſicht
denn gewiß beſonders eine geiſtig und koͤrperlich moͤglichſt
geſunde, der Kranken ſonſt auch nahe und werthe Perſon
(Mutter, Vater, ein aͤlterer Bruder z. B.) in vieler Hin-
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§. 274.
Die rein pſychiſche Behandlung dieſer Krankheiten
angehend, ſo iſt zuvoͤrderſt zu bemerken, daß ihre Anwen-
dung immer noch eine gewiſſe Empfaͤnglichkeit von Seiten
der Kranken vorausſetzt, denn es iſt leicht zu erkennen, daß
z. B. im ausgebildeten Bloͤdſinn, uͤberhaupt ſchon bey ſehr
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*) Auf dieſe Weiſe heilte man oͤfters ploͤtzlich durch Mittheilung ent-
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Waiſenhauſe. Mehrere aͤhnliche Faͤlle, auch den ziemlich komiſchen
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S. 108 u. 655.
**) Mehrere Faͤlle dieſer Art ſind von Brandis, in dem ganz hier-
her gehoͤrigen Aufſatze uͤber die Heilung von Krankheiten durch im-
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2s St.) mitgetheilt.
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Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 1. Leipzig, 1820, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie01_1820/234>, abgerufen am 17.07.2024.
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