logen ist, und worüber denn zuvörderst im Allgemeinen noch einige Betrachtungen hier stehen mögen. Nehmen wir aber zuvörderst die Erscheinung des Krampfes in einem willkühr- lichen Muskel, wo er sich am deutlichsten verfolgen läßt, so finden wir denselben in einem sonst ganz gesunden Körper namentlich unter zwey Bedingungen, entweder nämlich bey zu heftig einströmender Blutmasse, oder bey zu stark einströ- mender Nervenwirkung; hat z. B. ein Muskel geruht, oder ist er auch schon ermüdet, und wirkt plötzlich eine heftige Willenserregung auf denselben, so tritt Krampf ein, die Muskelsubstanz, durch plötzlich gesteigerten Einfluß des Ner- ven gewaltsam gegen die nervige Mitte angezogen, erstarrt gleichsam, preßt den Nerven, erzeugt Unbeweglichkeit (Starr- krampf) oder bey schwächerer Muskularthätigkeit nur perio- disches Angezogenwerden, Zittern (Zuckungen) und hef- tigen Schmerz, wie dieß Jeder zuweilen besonders in den größern Muskeln, z. B. den Wadenmuskeln, erfahren haben wird. Etwas ähnliches geschieht aber auch, wenn der Blut- lauf gegen eine ruhende Muskelpartie längere Zeit einiger- massen durch Druck gehindert war, nun dieser Druck auf- hört, und eine verhältnißmäßig größere Blutmenge, als die, woran der Muskel bereits sich gewöhnt hatte, zuströmt; auch hier ist der Muskel gespannt, seiner freien Bewegung beraubt, es entsteht ein prickelnder Schmerz (das sogenannte Einschlafen der Glieder) und nur erst wenn das Gleichge- wicht der Blutvertheilung wieder hergestellt ist und dieser Theil sich wieder an die ihm zugetheilte Menge gewöhnt, tritt die freye Bewegung wieder ein, welche jedoch hier über- haupt nicht in dem Maaße, als im erstern Falle, geraubt zu seyn pflegt, hier aber auch nicht wie im erstern Falle durch Zuckungen, sondern nur durch mehr oder minder ge- lähmte Bewegung (Starrkrampf) sich äußern wird.
§. 303.
So wie nun auf diese zweyerley Weise im gesunden Körper ein schnell vorübergehender Krampf entstehen kann, so entstehen durch diese Veranlassungen, die sich wohl auch zum Theil mit einander verbinden können, im krankhaft ver-
logen iſt, und woruͤber denn zuvoͤrderſt im Allgemeinen noch einige Betrachtungen hier ſtehen moͤgen. Nehmen wir aber zuvoͤrderſt die Erſcheinung des Krampfes in einem willkuͤhr- lichen Muskel, wo er ſich am deutlichſten verfolgen laͤßt, ſo finden wir denſelben in einem ſonſt ganz geſunden Koͤrper namentlich unter zwey Bedingungen, entweder naͤmlich bey zu heftig einſtroͤmender Blutmaſſe, oder bey zu ſtark einſtroͤ- mender Nervenwirkung; hat z. B. ein Muskel geruht, oder iſt er auch ſchon ermuͤdet, und wirkt ploͤtzlich eine heftige Willenserregung auf denſelben, ſo tritt Krampf ein, die Muskelſubſtanz, durch ploͤtzlich geſteigerten Einfluß des Ner- ven gewaltſam gegen die nervige Mitte angezogen, erſtarrt gleichſam, preßt den Nerven, erzeugt Unbeweglichkeit (Starr- krampf) oder bey ſchwaͤcherer Muskularthaͤtigkeit nur perio- diſches Angezogenwerden, Zittern (Zuckungen) und hef- tigen Schmerz, wie dieß Jeder zuweilen beſonders in den groͤßern Muskeln, z. B. den Wadenmuskeln, erfahren haben wird. Etwas aͤhnliches geſchieht aber auch, wenn der Blut- lauf gegen eine ruhende Muskelpartie laͤngere Zeit einiger- maſſen durch Druck gehindert war, nun dieſer Druck auf- hoͤrt, und eine verhaͤltnißmaͤßig groͤßere Blutmenge, als die, woran der Muskel bereits ſich gewoͤhnt hatte, zuſtroͤmt; auch hier iſt der Muskel geſpannt, ſeiner freien Bewegung beraubt, es entſteht ein prickelnder Schmerz (das ſogenannte Einſchlafen der Glieder) und nur erſt wenn das Gleichge- wicht der Blutvertheilung wieder hergeſtellt iſt und dieſer Theil ſich wieder an die ihm zugetheilte Menge gewoͤhnt, tritt die freye Bewegung wieder ein, welche jedoch hier uͤber- haupt nicht in dem Maaße, als im erſtern Falle, geraubt zu ſeyn pflegt, hier aber auch nicht wie im erſtern Falle durch Zuckungen, ſondern nur durch mehr oder minder ge- laͤhmte Bewegung (Starrkrampf) ſich aͤußern wird.
§. 303.
So wie nun auf dieſe zweyerley Weiſe im geſunden Koͤrper ein ſchnell voruͤbergehender Krampf entſtehen kann, ſo entſtehen durch dieſe Veranlaſſungen, die ſich wohl auch zum Theil mit einander verbinden koͤnnen, im krankhaft ver-
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logen iſt, und woruͤber denn zuvoͤrderſt im Allgemeinen noch
einige Betrachtungen hier ſtehen moͤgen. Nehmen wir aber
zuvoͤrderſt die Erſcheinung des Krampfes in einem willkuͤhr-
lichen Muskel, wo er ſich am deutlichſten verfolgen laͤßt, ſo
finden wir denſelben in einem ſonſt ganz geſunden Koͤrper
namentlich unter zwey Bedingungen, entweder naͤmlich bey
zu heftig einſtroͤmender Blutmaſſe, oder bey zu ſtark einſtroͤ-
mender Nervenwirkung; hat z. B. ein Muskel geruht, oder
iſt er auch ſchon ermuͤdet, und wirkt ploͤtzlich eine heftige
Willenserregung auf denſelben, ſo tritt Krampf ein, die
Muskelſubſtanz, durch ploͤtzlich geſteigerten Einfluß des Ner-
ven gewaltſam gegen die nervige Mitte angezogen, erſtarrt
gleichſam, preßt den Nerven, erzeugt Unbeweglichkeit (Starr-
krampf) oder bey ſchwaͤcherer Muskularthaͤtigkeit nur perio-
diſches Angezogenwerden, Zittern (Zuckungen) und hef-
tigen Schmerz, wie dieß Jeder zuweilen beſonders in den
groͤßern Muskeln, z. B. den Wadenmuskeln, erfahren haben
wird. Etwas aͤhnliches geſchieht aber auch, wenn der Blut-
lauf gegen eine ruhende Muskelpartie laͤngere Zeit einiger-
maſſen durch Druck gehindert war, nun dieſer Druck auf-
hoͤrt, und eine verhaͤltnißmaͤßig groͤßere Blutmenge, als die,
woran der Muskel bereits ſich gewoͤhnt hatte, zuſtroͤmt;
auch hier iſt der Muskel geſpannt, ſeiner freien Bewegung
beraubt, es entſteht ein prickelnder Schmerz (das ſogenannte
Einſchlafen der Glieder) und nur erſt wenn das Gleichge-
wicht der Blutvertheilung wieder hergeſtellt iſt und dieſer
Theil ſich wieder an die ihm zugetheilte Menge gewoͤhnt,
tritt die freye Bewegung wieder ein, welche jedoch hier uͤber-
haupt nicht in dem Maaße, als im erſtern Falle, geraubt
zu ſeyn pflegt, hier aber auch nicht wie im erſtern Falle
durch Zuckungen, ſondern nur durch mehr oder minder ge-
laͤhmte Bewegung (Starrkrampf) ſich aͤußern wird.
§. 303.
So wie nun auf dieſe zweyerley Weiſe im geſunden
Koͤrper ein ſchnell voruͤbergehender Krampf entſtehen kann,
ſo entſtehen durch dieſe Veranlaſſungen, die ſich wohl auch
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Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 1. Leipzig, 1820, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie01_1820/256>, abgerufen am 22.11.2024.
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