Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 1. Leipzig, 1820.

Bild:
<< vorherige Seite

zündungskrankheiten im Allgemeinen neigende Constitution ge-
zählt werden, welche namentlich die Entstehung der acuten
Metritis begünstigt; ferner die reizbare schwächliche Consti-
tution, welche insbesondre zur chronischen Form dieser Krank-
heit geneigt macht, außerdem die epidemische, der Entstehung
von Entzündungskrankheiten günstige allgemeine Krankheits-
Constitution und die Jahreszeit; endlich aber ganz vorzüglich
die Zeit der herannahenden oder wirklich eingetretenen Men-
struation, als der Zeitpunkt größter Gefäßthätigkeit in der
nicht schwangern Gebärmutter, außerhalb welchem demnach
auch, wie schon oben im Eingange bemerkt worden, diese
Krankheit fast gar nicht beobachtet wird. Ob übrigens Jung-
frauen oder Frauen, welche bereits geboren haben, häufiger
an der Metritis leiden und größere Disposition dazu verra-
then, ist wohl so leicht nicht zu bestimmen, demohnerachtet
glauben wir annehmen zu dürfen, daß allerdings theils des
jugendlichen Alters im Allgemeinen, theils der größeren Derb-
heit und Elasticität des Uterus im jungfräulichen Körper we-
gen, zur acuten Gebärmutterentzündung bey erstern die Nei-
gung größer sey, wenn dagegen in dem schlaffern Uterus bey
Frauen, welche bereits geboren, und vorzüglich oft durch
vorausgegangene Geburten selbst bedingt, eine größere Neigung
zur chronischen Entzündung und daran sich schließende Dege-
neration nicht geläugnet werden kann.

§. 338.

Die Gelegenheitsursachen betreffend, so muß zu diesen
alles, was psychisch oder physisch das Geschlechtssystem heftig
erregt, oder was den Uterus selbst mechanisch heftig reizt,
gezählt werden. Also unglückliche Liebe in sinnlichen Indivi-
duen, auch andere heftige Gemüthsbewegungen, besonders
während der Menstruation, Nymphomanie, unterdrückte Men-
struation, erhitzende Arzneymittel, vorzüglich zur Unzeit an-
gewendete Emmenagoga (z. B. bey der wegen überwiegender
arteriellen Thätigkeit Statt findenden Verzögerung der Men-
struation), drastische Abführmittel, Uebermaß geistiger Ge-
tränke oder stark gewürzter Speisen, Erhitzungen (z. B. durch

zuͤndungskrankheiten im Allgemeinen neigende Conſtitution ge-
zaͤhlt werden, welche namentlich die Entſtehung der acuten
Metritis beguͤnſtigt; ferner die reizbare ſchwaͤchliche Conſti-
tution, welche insbeſondre zur chroniſchen Form dieſer Krank-
heit geneigt macht, außerdem die epidemiſche, der Entſtehung
von Entzuͤndungskrankheiten guͤnſtige allgemeine Krankheits-
Conſtitution und die Jahreszeit; endlich aber ganz vorzuͤglich
die Zeit der herannahenden oder wirklich eingetretenen Men-
ſtruation, als der Zeitpunkt groͤßter Gefaͤßthaͤtigkeit in der
nicht ſchwangern Gebaͤrmutter, außerhalb welchem demnach
auch, wie ſchon oben im Eingange bemerkt worden, dieſe
Krankheit faſt gar nicht beobachtet wird. Ob uͤbrigens Jung-
frauen oder Frauen, welche bereits geboren haben, haͤufiger
an der Metritis leiden und groͤßere Dispoſition dazu verra-
then, iſt wohl ſo leicht nicht zu beſtimmen, demohnerachtet
glauben wir annehmen zu duͤrfen, daß allerdings theils des
jugendlichen Alters im Allgemeinen, theils der groͤßeren Derb-
heit und Elaſticitaͤt des Uterus im jungfraͤulichen Koͤrper we-
gen, zur acuten Gebaͤrmutterentzuͤndung bey erſtern die Nei-
gung groͤßer ſey, wenn dagegen in dem ſchlaffern Uterus bey
Frauen, welche bereits geboren, und vorzuͤglich oft durch
vorausgegangene Geburten ſelbſt bedingt, eine groͤßere Neigung
zur chroniſchen Entzuͤndung und daran ſich ſchließende Dege-
neration nicht gelaͤugnet werden kann.

§. 338.

Die Gelegenheitsurſachen betreffend, ſo muß zu dieſen
alles, was pſychiſch oder phyſiſch das Geſchlechtsſyſtem heftig
erregt, oder was den Uterus ſelbſt mechaniſch heftig reizt,
gezaͤhlt werden. Alſo ungluͤckliche Liebe in ſinnlichen Indivi-
duen, auch andere heftige Gemuͤthsbewegungen, beſonders
waͤhrend der Menſtruation, Nymphomanie, unterdruͤckte Men-
ſtruation, erhitzende Arzneymittel, vorzuͤglich zur Unzeit an-
gewendete Emmenagoga (z. B. bey der wegen uͤberwiegender
arteriellen Thaͤtigkeit Statt findenden Verzoͤgerung der Men-
ſtruation), draſtiſche Abfuͤhrmittel, Uebermaß geiſtiger Ge-
traͤnke oder ſtark gewuͤrzter Speiſen, Erhitzungen (z. B. durch

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <div n="7">
                    <div n="8">
                      <div n="9">
                        <div n="10">
                          <p><pb facs="#f0283" n="263"/>
zu&#x0364;ndungskrankheiten im Allgemeinen neigende Con&#x017F;titution ge-<lb/>
za&#x0364;hlt werden, welche namentlich die Ent&#x017F;tehung der acuten<lb/>
Metritis begu&#x0364;n&#x017F;tigt; ferner die reizbare &#x017F;chwa&#x0364;chliche Con&#x017F;ti-<lb/>
tution, welche insbe&#x017F;ondre zur chroni&#x017F;chen Form die&#x017F;er Krank-<lb/>
heit geneigt macht, außerdem die epidemi&#x017F;che, der Ent&#x017F;tehung<lb/>
von Entzu&#x0364;ndungskrankheiten gu&#x0364;n&#x017F;tige allgemeine Krankheits-<lb/>
Con&#x017F;titution und die Jahreszeit; endlich aber ganz vorzu&#x0364;glich<lb/>
die Zeit der herannahenden oder wirklich eingetretenen Men-<lb/>
&#x017F;truation, als der Zeitpunkt gro&#x0364;ßter Gefa&#x0364;ßtha&#x0364;tigkeit in der<lb/>
nicht &#x017F;chwangern Geba&#x0364;rmutter, außerhalb welchem demnach<lb/>
auch, wie &#x017F;chon oben im Eingange bemerkt worden, die&#x017F;e<lb/>
Krankheit fa&#x017F;t gar nicht beobachtet wird. Ob u&#x0364;brigens Jung-<lb/>
frauen oder Frauen, welche bereits geboren haben, ha&#x0364;ufiger<lb/>
an der Metritis leiden und gro&#x0364;ßere Dispo&#x017F;ition dazu verra-<lb/>
then, i&#x017F;t wohl &#x017F;o leicht nicht zu be&#x017F;timmen, demohnerachtet<lb/>
glauben wir annehmen zu du&#x0364;rfen, daß allerdings theils des<lb/>
jugendlichen Alters im Allgemeinen, theils der gro&#x0364;ßeren Derb-<lb/>
heit und Ela&#x017F;ticita&#x0364;t des Uterus im jungfra&#x0364;ulichen Ko&#x0364;rper we-<lb/>
gen, zur acuten Geba&#x0364;rmutterentzu&#x0364;ndung bey er&#x017F;tern die Nei-<lb/>
gung gro&#x0364;ßer &#x017F;ey, wenn dagegen in dem &#x017F;chlaffern Uterus bey<lb/>
Frauen, welche bereits geboren, und vorzu&#x0364;glich oft durch<lb/>
vorausgegangene Geburten &#x017F;elb&#x017F;t bedingt, eine gro&#x0364;ßere Neigung<lb/>
zur chroni&#x017F;chen Entzu&#x0364;ndung und daran &#x017F;ich &#x017F;chließende Dege-<lb/>
neration nicht gela&#x0364;ugnet werden kann.</p>
                        </div><lb/>
                        <div n="10">
                          <head>§. 338.</head><lb/>
                          <p>Die Gelegenheitsur&#x017F;achen betreffend, &#x017F;o muß zu die&#x017F;en<lb/>
alles, was p&#x017F;ychi&#x017F;ch oder phy&#x017F;i&#x017F;ch das Ge&#x017F;chlechts&#x017F;y&#x017F;tem heftig<lb/>
erregt, oder was den Uterus &#x017F;elb&#x017F;t mechani&#x017F;ch heftig reizt,<lb/>
geza&#x0364;hlt werden. Al&#x017F;o unglu&#x0364;ckliche Liebe in &#x017F;innlichen Indivi-<lb/>
duen, auch andere heftige Gemu&#x0364;thsbewegungen, be&#x017F;onders<lb/>
wa&#x0364;hrend der Men&#x017F;truation, Nymphomanie, unterdru&#x0364;ckte Men-<lb/>
&#x017F;truation, erhitzende Arzneymittel, vorzu&#x0364;glich zur Unzeit an-<lb/>
gewendete <hi rendition="#aq">Emmenagoga</hi> (z. B. bey der wegen u&#x0364;berwiegender<lb/>
arteriellen Tha&#x0364;tigkeit Statt findenden Verzo&#x0364;gerung der Men-<lb/>
&#x017F;truation), dra&#x017F;ti&#x017F;che Abfu&#x0364;hrmittel, Uebermaß gei&#x017F;tiger Ge-<lb/>
tra&#x0364;nke oder &#x017F;tark gewu&#x0364;rzter Spei&#x017F;en, Erhitzungen (z. B. durch<lb/></p>
                        </div>
                      </div>
                    </div>
                  </div>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[263/0283] zuͤndungskrankheiten im Allgemeinen neigende Conſtitution ge- zaͤhlt werden, welche namentlich die Entſtehung der acuten Metritis beguͤnſtigt; ferner die reizbare ſchwaͤchliche Conſti- tution, welche insbeſondre zur chroniſchen Form dieſer Krank- heit geneigt macht, außerdem die epidemiſche, der Entſtehung von Entzuͤndungskrankheiten guͤnſtige allgemeine Krankheits- Conſtitution und die Jahreszeit; endlich aber ganz vorzuͤglich die Zeit der herannahenden oder wirklich eingetretenen Men- ſtruation, als der Zeitpunkt groͤßter Gefaͤßthaͤtigkeit in der nicht ſchwangern Gebaͤrmutter, außerhalb welchem demnach auch, wie ſchon oben im Eingange bemerkt worden, dieſe Krankheit faſt gar nicht beobachtet wird. Ob uͤbrigens Jung- frauen oder Frauen, welche bereits geboren haben, haͤufiger an der Metritis leiden und groͤßere Dispoſition dazu verra- then, iſt wohl ſo leicht nicht zu beſtimmen, demohnerachtet glauben wir annehmen zu duͤrfen, daß allerdings theils des jugendlichen Alters im Allgemeinen, theils der groͤßeren Derb- heit und Elaſticitaͤt des Uterus im jungfraͤulichen Koͤrper we- gen, zur acuten Gebaͤrmutterentzuͤndung bey erſtern die Nei- gung groͤßer ſey, wenn dagegen in dem ſchlaffern Uterus bey Frauen, welche bereits geboren, und vorzuͤglich oft durch vorausgegangene Geburten ſelbſt bedingt, eine groͤßere Neigung zur chroniſchen Entzuͤndung und daran ſich ſchließende Dege- neration nicht gelaͤugnet werden kann. §. 338. Die Gelegenheitsurſachen betreffend, ſo muß zu dieſen alles, was pſychiſch oder phyſiſch das Geſchlechtsſyſtem heftig erregt, oder was den Uterus ſelbſt mechaniſch heftig reizt, gezaͤhlt werden. Alſo ungluͤckliche Liebe in ſinnlichen Indivi- duen, auch andere heftige Gemuͤthsbewegungen, beſonders waͤhrend der Menſtruation, Nymphomanie, unterdruͤckte Men- ſtruation, erhitzende Arzneymittel, vorzuͤglich zur Unzeit an- gewendete Emmenagoga (z. B. bey der wegen uͤberwiegender arteriellen Thaͤtigkeit Statt findenden Verzoͤgerung der Men- ſtruation), draſtiſche Abfuͤhrmittel, Uebermaß geiſtiger Ge- traͤnke oder ſtark gewuͤrzter Speiſen, Erhitzungen (z. B. durch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie01_1820
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie01_1820/283
Zitationshilfe: Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 1. Leipzig, 1820, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie01_1820/283>, abgerufen am 22.11.2024.