tritt allmählig immer bey längerer Dauer des Uebels ein, wenn auch vielleicht anfänglich gleichzeitig erhöhte arterielle Thätigkeit bemerkt wurde, und zwar erfolgt der Uebergang in diese Art des weißen Flusses um so leichter, je mehr im allgemeinen Befinden die höhern Reactionen geschwächt sind, je mehr das Temperament phlegmatisch ist, je übler die äus- sern Verhältnisse der Kranken sind und je weniger eine strenge Reinlichkeit von der Kranken beobachtet wird. -- Außerdem, daß nun hier wieder gilt, was bereits von mehreren frühern Formen gesagt ist, nämlich, daß die Entfernung von mecha- nischen Reizen und unterhaltenden Ursachen der Secretion (z. B. andern Krankheiten, Indurationen, Geschwüren u. s. w.), ferner strenge Reinlichkeit und Vermeidung aller Ein- flüsse, wodurch (wie etwa von erhitzenden warmen Geträn- ken, treibenden Mitteln und besonders vom Geschlechtsreize gilt) Congestionen nach den Genitalien erregt werden, be- sonders die Aufmerksamkeit des Arztes fordern, so ist es hier ferner nothwendig, zugleich Mittel anzuwenden, welche theils direkt, theils indirekt die Secretion zu beschränken im Stan- de sind.
§. 393.
Zu den direkt die Secretion vermindernden Mitteln darf wohl zuvörderst die strenge Herabsetzung aller Stoffaufnahme auf das möglichst kleinste Maaß gerechnet werden, wie es in der sogenannten Hungerkur in Anwendung gebracht wird; welche wir daher nicht anstehen, für einen tief eingewurzel- ten, vorzüglich etwa früherhin mit Syphilis complicirt ge- wesenen weißen Fluß als ein nicht zu übergehendes, und selbst wo die andern Mittel ohne Erfolg angewendet worden sind, noch Hülfe versprechendes Mittel zu empfehlen, vornehmlich dann, wenn die Lebensthätigkeit in der Gesammtheit des Or- ganismus noch nicht zu tief herabgestimmt ist. Ferner ge- hören hierher die der Reproduction überhaupt entgegenwirken- den, vorzüglich der Klasse der mineralischen und metallischen Arzneystoffe angehörigen Mittel, welche ebenfalls vorzüglich bey sehr langwieriger Leukorrhöe und nachdem man die nö-
I. Theil. 20
tritt allmaͤhlig immer bey laͤngerer Dauer des Uebels ein, wenn auch vielleicht anfaͤnglich gleichzeitig erhoͤhte arterielle Thaͤtigkeit bemerkt wurde, und zwar erfolgt der Uebergang in dieſe Art des weißen Fluſſes um ſo leichter, je mehr im allgemeinen Befinden die hoͤhern Reactionen geſchwaͤcht ſind, je mehr das Temperament phlegmatiſch iſt, je uͤbler die aͤuſ- ſern Verhaͤltniſſe der Kranken ſind und je weniger eine ſtrenge Reinlichkeit von der Kranken beobachtet wird. — Außerdem, daß nun hier wieder gilt, was bereits von mehreren fruͤhern Formen geſagt iſt, naͤmlich, daß die Entfernung von mecha- niſchen Reizen und unterhaltenden Urſachen der Secretion (z. B. andern Krankheiten, Indurationen, Geſchwuͤren u. ſ. w.), ferner ſtrenge Reinlichkeit und Vermeidung aller Ein- fluͤſſe, wodurch (wie etwa von erhitzenden warmen Getraͤn- ken, treibenden Mitteln und beſonders vom Geſchlechtsreize gilt) Congeſtionen nach den Genitalien erregt werden, be- ſonders die Aufmerkſamkeit des Arztes fordern, ſo iſt es hier ferner nothwendig, zugleich Mittel anzuwenden, welche theils direkt, theils indirekt die Secretion zu beſchraͤnken im Stan- de ſind.
§. 393.
Zu den direkt die Secretion vermindernden Mitteln darf wohl zuvoͤrderſt die ſtrenge Herabſetzung aller Stoffaufnahme auf das moͤglichſt kleinſte Maaß gerechnet werden, wie es in der ſogenannten Hungerkur in Anwendung gebracht wird; welche wir daher nicht anſtehen, fuͤr einen tief eingewurzel- ten, vorzuͤglich etwa fruͤherhin mit Syphilis complicirt ge- weſenen weißen Fluß als ein nicht zu uͤbergehendes, und ſelbſt wo die andern Mittel ohne Erfolg angewendet worden ſind, noch Huͤlfe verſprechendes Mittel zu empfehlen, vornehmlich dann, wenn die Lebensthaͤtigkeit in der Geſammtheit des Or- ganismus noch nicht zu tief herabgeſtimmt iſt. Ferner ge- hoͤren hierher die der Reproduction uͤberhaupt entgegenwirken- den, vorzuͤglich der Klaſſe der mineraliſchen und metalliſchen Arzneyſtoffe angehoͤrigen Mittel, welche ebenfalls vorzuͤglich bey ſehr langwieriger Leukorrhoͤe und nachdem man die noͤ-
I. Theil. 20
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><divn="6"><divn="7"><divn="8"><divn="9"><divn="10"><p><pbfacs="#f0325"n="305"/>
tritt allmaͤhlig immer bey laͤngerer Dauer des Uebels ein,<lb/>
wenn auch vielleicht anfaͤnglich gleichzeitig erhoͤhte arterielle<lb/>
Thaͤtigkeit bemerkt wurde, und zwar erfolgt der Uebergang<lb/>
in dieſe Art des weißen Fluſſes um ſo leichter, je mehr im<lb/>
allgemeinen Befinden die hoͤhern Reactionen geſchwaͤcht ſind,<lb/>
je mehr das Temperament phlegmatiſch iſt, je uͤbler die aͤuſ-<lb/>ſern Verhaͤltniſſe der Kranken ſind und je weniger eine ſtrenge<lb/>
Reinlichkeit von der Kranken beobachtet wird. — Außerdem,<lb/>
daß nun hier wieder gilt, was bereits von mehreren fruͤhern<lb/>
Formen geſagt iſt, naͤmlich, daß die Entfernung von mecha-<lb/>
niſchen Reizen und unterhaltenden Urſachen der Secretion<lb/>
(z. B. andern Krankheiten, Indurationen, Geſchwuͤren u. ſ.<lb/>
w.), ferner ſtrenge Reinlichkeit und Vermeidung aller Ein-<lb/>
fluͤſſe, wodurch (wie etwa von erhitzenden warmen Getraͤn-<lb/>
ken, treibenden Mitteln und beſonders vom Geſchlechtsreize<lb/>
gilt) Congeſtionen nach den Genitalien erregt werden, be-<lb/>ſonders die Aufmerkſamkeit des Arztes fordern, ſo iſt es hier<lb/>
ferner nothwendig, zugleich Mittel anzuwenden, welche theils<lb/>
direkt, theils indirekt die Secretion zu beſchraͤnken im Stan-<lb/>
de ſind.</p></div><lb/><divn="10"><head>§. 393.</head><lb/><p>Zu den direkt die Secretion vermindernden Mitteln darf<lb/>
wohl zuvoͤrderſt die ſtrenge Herabſetzung aller Stoffaufnahme<lb/>
auf das moͤglichſt kleinſte Maaß gerechnet werden, wie es in<lb/>
der ſogenannten Hungerkur in Anwendung gebracht wird;<lb/>
welche wir daher nicht anſtehen, fuͤr einen tief eingewurzel-<lb/>
ten, vorzuͤglich etwa fruͤherhin mit Syphilis complicirt ge-<lb/>
weſenen weißen Fluß als ein nicht zu uͤbergehendes, und ſelbſt<lb/>
wo die andern Mittel ohne Erfolg angewendet worden ſind,<lb/>
noch Huͤlfe verſprechendes Mittel zu empfehlen, vornehmlich<lb/>
dann, wenn die Lebensthaͤtigkeit in der Geſammtheit des Or-<lb/>
ganismus noch nicht zu tief herabgeſtimmt iſt. Ferner ge-<lb/>
hoͤren hierher die der Reproduction uͤberhaupt entgegenwirken-<lb/>
den, vorzuͤglich der Klaſſe der mineraliſchen und metalliſchen<lb/>
Arzneyſtoffe angehoͤrigen Mittel, welche ebenfalls vorzuͤglich<lb/>
bey ſehr langwieriger Leukorrhoͤe und nachdem man die noͤ-<lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#aq">I.</hi> Theil. 20</fw><lb/></p></div></div></div></div></div></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[305/0325]
tritt allmaͤhlig immer bey laͤngerer Dauer des Uebels ein,
wenn auch vielleicht anfaͤnglich gleichzeitig erhoͤhte arterielle
Thaͤtigkeit bemerkt wurde, und zwar erfolgt der Uebergang
in dieſe Art des weißen Fluſſes um ſo leichter, je mehr im
allgemeinen Befinden die hoͤhern Reactionen geſchwaͤcht ſind,
je mehr das Temperament phlegmatiſch iſt, je uͤbler die aͤuſ-
ſern Verhaͤltniſſe der Kranken ſind und je weniger eine ſtrenge
Reinlichkeit von der Kranken beobachtet wird. — Außerdem,
daß nun hier wieder gilt, was bereits von mehreren fruͤhern
Formen geſagt iſt, naͤmlich, daß die Entfernung von mecha-
niſchen Reizen und unterhaltenden Urſachen der Secretion
(z. B. andern Krankheiten, Indurationen, Geſchwuͤren u. ſ.
w.), ferner ſtrenge Reinlichkeit und Vermeidung aller Ein-
fluͤſſe, wodurch (wie etwa von erhitzenden warmen Getraͤn-
ken, treibenden Mitteln und beſonders vom Geſchlechtsreize
gilt) Congeſtionen nach den Genitalien erregt werden, be-
ſonders die Aufmerkſamkeit des Arztes fordern, ſo iſt es hier
ferner nothwendig, zugleich Mittel anzuwenden, welche theils
direkt, theils indirekt die Secretion zu beſchraͤnken im Stan-
de ſind.
§. 393.
Zu den direkt die Secretion vermindernden Mitteln darf
wohl zuvoͤrderſt die ſtrenge Herabſetzung aller Stoffaufnahme
auf das moͤglichſt kleinſte Maaß gerechnet werden, wie es in
der ſogenannten Hungerkur in Anwendung gebracht wird;
welche wir daher nicht anſtehen, fuͤr einen tief eingewurzel-
ten, vorzuͤglich etwa fruͤherhin mit Syphilis complicirt ge-
weſenen weißen Fluß als ein nicht zu uͤbergehendes, und ſelbſt
wo die andern Mittel ohne Erfolg angewendet worden ſind,
noch Huͤlfe verſprechendes Mittel zu empfehlen, vornehmlich
dann, wenn die Lebensthaͤtigkeit in der Geſammtheit des Or-
ganismus noch nicht zu tief herabgeſtimmt iſt. Ferner ge-
hoͤren hierher die der Reproduction uͤberhaupt entgegenwirken-
den, vorzuͤglich der Klaſſe der mineraliſchen und metalliſchen
Arzneyſtoffe angehoͤrigen Mittel, welche ebenfalls vorzuͤglich
bey ſehr langwieriger Leukorrhoͤe und nachdem man die noͤ-
I. Theil. 20
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 1. Leipzig, 1820, S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie01_1820/325>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.