Umwandlung, d. i. in einem stäten Hervortreten, Erzeugen, und Auflösen, Sterben begriffen ist (welches ausführlicher nachzuweisen, Sache der höheren Philosophie der Natur ist), so müssen auch, wo ein Individuelles neu hervortreten, d. i. erzeugt werden soll, Entgegengesetzte sich verbinden, um in ihrer Durchdringung eine neue Verwendung der ewigen Substanz (keine eigentlich neue Erschaffung, als welche undenkbar ist) zu bewirken, und wir sehen daher denn schon in der Pflanzenwelt das Hervortreten verschiedenartiger Gebilde, von denen einige die materielle Anlage zur künftigen Frucht in sich tragen (Staubwege, Pistilla), wenn andere die befruchtende, d. i. begeistigende Thätigkeit, die Idee der Gesetzmäßigkeit, der Bestimmung einer regelmäßigen Entwicklung, enthalten (Staubfäden, Stamina).
§. 57.
Wenn indeß dieses Verhältniß in der Pflanze, welche der Erde eingewurzelt gleichsam noch weniger in sich beschlos- sen ist, mit minderer Klarheit erscheint, so tritt es dagegen in der Sexualverschiedenheit der höheren Thiere, und am schönsten im Menschen mit vollkommenster Freiheit hervor; und wie wir in der Fortpflanzung das Weib als rein em- pfangend, das Körperliche gestaltend, den Mann aber als befruchtend, als begeistigend finden, so ist auch in ihrem ge- sammten Leben ein solcher Gegensatz ausgesprochen, welcher, obwohl der Gattungscharakter in Thätigkeit und Gestalt bey- den gemeinsam ist, doch in dem Weibe das physische, das auf vegetatives oder produktives Leben sich Beziehende eben so bestimmt überwiegen läßt, als im Manne das psychische, das animale Leben vorherrschend erscheint. -- Es wird sich dieß bey der nun erforderlichen Betrachtung der besondern Aeußerungen weiblichen Lebens am sichersten und deutlichsten ergeben.
§. 58.
Berücksichtigen wir aber das weibliche Leben, in wie fern es sich durch Assimilation, Cirkulation und Respiration, Se- und Excretion, so wie durch Geschlechtsfunktion aus-
Umwandlung, d. i. in einem ſtaͤten Hervortreten, Erzeugen, und Aufloͤſen, Sterben begriffen iſt (welches ausfuͤhrlicher nachzuweiſen, Sache der hoͤheren Philoſophie der Natur iſt), ſo muͤſſen auch, wo ein Individuelles neu hervortreten, d. i. erzeugt werden ſoll, Entgegengeſetzte ſich verbinden, um in ihrer Durchdringung eine neue Verwendung der ewigen Subſtanz (keine eigentlich neue Erſchaffung, als welche undenkbar iſt) zu bewirken, und wir ſehen daher denn ſchon in der Pflanzenwelt das Hervortreten verſchiedenartiger Gebilde, von denen einige die materielle Anlage zur kuͤnftigen Frucht in ſich tragen (Staubwege, Pistilla), wenn andere die befruchtende, d. i. begeiſtigende Thaͤtigkeit, die Idee der Geſetzmaͤßigkeit, der Beſtimmung einer regelmaͤßigen Entwicklung, enthalten (Staubfaͤden, Stamina).
§. 57.
Wenn indeß dieſes Verhaͤltniß in der Pflanze, welche der Erde eingewurzelt gleichſam noch weniger in ſich beſchloſ- ſen iſt, mit minderer Klarheit erſcheint, ſo tritt es dagegen in der Sexualverſchiedenheit der hoͤheren Thiere, und am ſchoͤnſten im Menſchen mit vollkommenſter Freiheit hervor; und wie wir in der Fortpflanzung das Weib als rein em- pfangend, das Koͤrperliche geſtaltend, den Mann aber als befruchtend, als begeiſtigend finden, ſo iſt auch in ihrem ge- ſammten Leben ein ſolcher Gegenſatz ausgeſprochen, welcher, obwohl der Gattungscharakter in Thaͤtigkeit und Geſtalt bey- den gemeinſam iſt, doch in dem Weibe das phyſiſche, das auf vegetatives oder produktives Leben ſich Beziehende eben ſo beſtimmt uͤberwiegen laͤßt, als im Manne das pſychiſche, das animale Leben vorherrſchend erſcheint. — Es wird ſich dieß bey der nun erforderlichen Betrachtung der beſondern Aeußerungen weiblichen Lebens am ſicherſten und deutlichſten ergeben.
§. 58.
Beruͤckſichtigen wir aber das weibliche Leben, in wie fern es ſich durch Aſſimilation, Cirkulation und Reſpiration, Se- und Excretion, ſo wie durch Geſchlechtsfunktion aus-
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Umwandlung, d. i. in einem ſtaͤten Hervortreten, Erzeugen,
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nachzuweiſen, Sache der hoͤheren Philoſophie der Natur iſt),
ſo muͤſſen auch, wo ein Individuelles neu hervortreten, d. i.
erzeugt werden ſoll, Entgegengeſetzte ſich verbinden, um in
ihrer Durchdringung eine neue Verwendung der ewigen Subſtanz
(keine eigentlich neue Erſchaffung, als welche undenkbar iſt) zu
bewirken, und wir ſehen daher denn ſchon in der Pflanzenwelt
das Hervortreten verſchiedenartiger Gebilde, von denen einige
die materielle Anlage zur kuͤnftigen Frucht in ſich tragen
(Staubwege, Pistilla), wenn andere die befruchtende, d. i.
begeiſtigende Thaͤtigkeit, die Idee der Geſetzmaͤßigkeit, der
Beſtimmung einer regelmaͤßigen Entwicklung,
enthalten (Staubfaͤden, Stamina).
§. 57.
Wenn indeß dieſes Verhaͤltniß in der Pflanze, welche
der Erde eingewurzelt gleichſam noch weniger in ſich beſchloſ-
ſen iſt, mit minderer Klarheit erſcheint, ſo tritt es dagegen
in der Sexualverſchiedenheit der hoͤheren Thiere, und am
ſchoͤnſten im Menſchen mit vollkommenſter Freiheit hervor;
und wie wir in der Fortpflanzung das Weib als rein em-
pfangend, das Koͤrperliche geſtaltend, den Mann aber als
befruchtend, als begeiſtigend finden, ſo iſt auch in ihrem ge-
ſammten Leben ein ſolcher Gegenſatz ausgeſprochen, welcher,
obwohl der Gattungscharakter in Thaͤtigkeit und Geſtalt bey-
den gemeinſam iſt, doch in dem Weibe das phyſiſche, das
auf vegetatives oder produktives Leben ſich Beziehende eben
ſo beſtimmt uͤberwiegen laͤßt, als im Manne das pſychiſche,
das animale Leben vorherrſchend erſcheint. — Es wird ſich
dieß bey der nun erforderlichen Betrachtung der beſondern
Aeußerungen weiblichen Lebens am ſicherſten und deutlichſten
ergeben.
§. 58.
Beruͤckſichtigen wir aber das weibliche Leben, in wie
fern es ſich durch Aſſimilation, Cirkulation und Reſpiration,
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Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 1. Leipzig, 1820, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie01_1820/62>, abgerufen am 24.11.2024.
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