häufigere Abstumpfung dieses Sinnes und öftere Schwerhö- rigkeit bemerkt wird. Endlich was die Sinnesarten des Ge- tastes, Geruchs und Geschmacks beym Weibe anbelangt, so ist auch in diesen eine größere Erregbarkeit und leichter mög- liche Ueberreitzung deutlich wahrnehmbar. Die größere Recep- tivität sensibeler Organe ist übrigens auch in aller andern Hinsicht, z. B. der Wirkung der Arzneymittel, der Einflüsse äußerer Temperatur und Witterungsveränderungen, der grö- ßern Neigung zu exaltirten Zuständen des Nervensystems, der größern Empfänglichkeit gegen thierischen Magnetismus u. s. w. so unverkennbar und folgt aus der mehr hervorgehobenen ve- getativen Natur, und somit weniger ausgesprochenen indivi- duellen Selbstständigkeit so bestimmt, daß wir noch weitere Erläuterungen hierüber für überflüßig halten.
§. 61.
Die Bewegkraft angehend, so ist aus denselben Grün- den, welche die erhöhte Sensibilität dieses Geschlechts erklä- ren, auch die zwar schwächere, dafür aber auch dem Ner- vensysteme mehr unterworfene Muskelkraft zu folgern, und wir finden demnach in Uebereinstimmung mit der früher be- merkten geringern Entwicklung des Muskel- und Knochensy- stems, daß die Bewegungen des weiblichen Körpers, obwohl mit geringerer Energie, doch mit größerer Zierlichkeit und Leich- tigkeit ausgeübt werden; wobey übrigens selbst der parallele Stand der verminderten Respiration und der schwächern Mus- kelkraft in so fern merkwürdig ist, als schon in der Thier- reihe eine solche Gleichstellung nachgewiesen werden kann, und schwächere Respiration auch insgemein mit geringerer Mus- kelkraft verbunden ist. -- Als Erzeugniß endlich von Bewe- gung und Athmung, von Sinneswahrnehmung und Reflexion zugleich, gehört noch hierher der Ton, die Sprache, als welche wir dann in Folge verminderter Athmung (§. 20.) und Bewegung auch schwächer und höher (kindlicher), zu- gleich aber auch gemüthvoller als die männliche finden.
§. 62.
Endlich rücksichtlich des höhern Nervenlebens, auf welches wir die Eigenthümlichkeit weiblicher Gemüthsstimmung,
haͤufigere Abſtumpfung dieſes Sinnes und oͤftere Schwerhoͤ- rigkeit bemerkt wird. Endlich was die Sinnesarten des Ge- taſtes, Geruchs und Geſchmacks beym Weibe anbelangt, ſo iſt auch in dieſen eine groͤßere Erregbarkeit und leichter moͤg- liche Ueberreitzung deutlich wahrnehmbar. Die groͤßere Recep- tivitaͤt ſenſibeler Organe iſt uͤbrigens auch in aller andern Hinſicht, z. B. der Wirkung der Arzneymittel, der Einfluͤſſe aͤußerer Temperatur und Witterungsveraͤnderungen, der groͤ- ßern Neigung zu exaltirten Zuſtaͤnden des Nervenſyſtems, der groͤßern Empfaͤnglichkeit gegen thieriſchen Magnetismus u. ſ. w. ſo unverkennbar und folgt aus der mehr hervorgehobenen ve- getativen Natur, und ſomit weniger ausgeſprochenen indivi- duellen Selbſtſtaͤndigkeit ſo beſtimmt, daß wir noch weitere Erlaͤuterungen hieruͤber fuͤr uͤberfluͤßig halten.
§. 61.
Die Bewegkraft angehend, ſo iſt aus denſelben Gruͤn- den, welche die erhoͤhte Senſibilitaͤt dieſes Geſchlechts erklaͤ- ren, auch die zwar ſchwaͤchere, dafuͤr aber auch dem Ner- venſyſteme mehr unterworfene Muskelkraft zu folgern, und wir finden demnach in Uebereinſtimmung mit der fruͤher be- merkten geringern Entwicklung des Muskel- und Knochenſy- ſtems, daß die Bewegungen des weiblichen Koͤrpers, obwohl mit geringerer Energie, doch mit groͤßerer Zierlichkeit und Leich- tigkeit ausgeuͤbt werden; wobey uͤbrigens ſelbſt der parallele Stand der verminderten Reſpiration und der ſchwaͤchern Mus- kelkraft in ſo fern merkwuͤrdig iſt, als ſchon in der Thier- reihe eine ſolche Gleichſtellung nachgewieſen werden kann, und ſchwaͤchere Reſpiration auch insgemein mit geringerer Mus- kelkraft verbunden iſt. — Als Erzeugniß endlich von Bewe- gung und Athmung, von Sinneswahrnehmung und Reflexion zugleich, gehoͤrt noch hierher der Ton, die Sprache, als welche wir dann in Folge verminderter Athmung (§. 20.) und Bewegung auch ſchwaͤcher und hoͤher (kindlicher), zu- gleich aber auch gemuͤthvoller als die maͤnnliche finden.
§. 62.
Endlich ruͤckſichtlich des hoͤhern Nervenlebens, auf welches wir die Eigenthuͤmlichkeit weiblicher Gemuͤthsſtimmung,
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[45/0065]
haͤufigere Abſtumpfung dieſes Sinnes und oͤftere Schwerhoͤ-
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taſtes, Geruchs und Geſchmacks beym Weibe anbelangt, ſo
iſt auch in dieſen eine groͤßere Erregbarkeit und leichter moͤg-
liche Ueberreitzung deutlich wahrnehmbar. Die groͤßere Recep-
tivitaͤt ſenſibeler Organe iſt uͤbrigens auch in aller andern
Hinſicht, z. B. der Wirkung der Arzneymittel, der Einfluͤſſe
aͤußerer Temperatur und Witterungsveraͤnderungen, der groͤ-
ßern Neigung zu exaltirten Zuſtaͤnden des Nervenſyſtems, der
groͤßern Empfaͤnglichkeit gegen thieriſchen Magnetismus u. ſ. w.
ſo unverkennbar und folgt aus der mehr hervorgehobenen ve-
getativen Natur, und ſomit weniger ausgeſprochenen indivi-
duellen Selbſtſtaͤndigkeit ſo beſtimmt, daß wir noch weitere
Erlaͤuterungen hieruͤber fuͤr uͤberfluͤßig halten.
§. 61.
Die Bewegkraft angehend, ſo iſt aus denſelben Gruͤn-
den, welche die erhoͤhte Senſibilitaͤt dieſes Geſchlechts erklaͤ-
ren, auch die zwar ſchwaͤchere, dafuͤr aber auch dem Ner-
venſyſteme mehr unterworfene Muskelkraft zu folgern, und
wir finden demnach in Uebereinſtimmung mit der fruͤher be-
merkten geringern Entwicklung des Muskel- und Knochenſy-
ſtems, daß die Bewegungen des weiblichen Koͤrpers, obwohl
mit geringerer Energie, doch mit groͤßerer Zierlichkeit und Leich-
tigkeit ausgeuͤbt werden; wobey uͤbrigens ſelbſt der parallele
Stand der verminderten Reſpiration und der ſchwaͤchern Mus-
kelkraft in ſo fern merkwuͤrdig iſt, als ſchon in der Thier-
reihe eine ſolche Gleichſtellung nachgewieſen werden kann, und
ſchwaͤchere Reſpiration auch insgemein mit geringerer Mus-
kelkraft verbunden iſt. — Als Erzeugniß endlich von Bewe-
gung und Athmung, von Sinneswahrnehmung und Reflexion
zugleich, gehoͤrt noch hierher der Ton, die Sprache, als
welche wir dann in Folge verminderter Athmung (§. 20.)
und Bewegung auch ſchwaͤcher und hoͤher (kindlicher), zu-
gleich aber auch gemuͤthvoller als die maͤnnliche finden.
§. 62.
Endlich ruͤckſichtlich des hoͤhern Nervenlebens, auf
welches wir die Eigenthuͤmlichkeit weiblicher Gemuͤthsſtimmung,
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Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 1. Leipzig, 1820, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie01_1820/65>, abgerufen am 21.11.2024.
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