durch die Zeit, in welcher sie erscheint, durch die Zufälle, mit welchen sie eintritt, durch die Art ihrer Wiederkehr, durch die Quantität und Qualität des abfließenden Blutes, vielen Auf- schluß über die ursprüngliche Thätigkeit des Geschlechtssystems, und die mehr oder minder vollkommene Harmonie in den Funktionen des Körpers verheißt. -- Nahe verbunden ist hiermit Erforschung der Regungen des Geschlechtstriebes, ob sie spät oder früh erwacht, ob sie in geringem oder hohem Grade, vielleicht zu Ausschweifungen führend, empfunden wurden? -- Erörterungen, wobey allerdings nur durch be- sondere Vorsicht und Schonung der Schamhaftigkeit, und oft mehr durch Benutzung der Aussagen von Eltern, Verwand- ten, Hebammen u. s. w. als durch mündliches Examen zum Ziel der Erkenntniß des eigentlichen Zustandes zu gelangen ist.
§. 92.
Ferner verdienen bey nicht mehr jungfräulichem Zu- stande, namentlich bey Verheiratheten theils (unter der er- wähnten Vorsicht) die ehelichen Verhältnisse, theils und na- mentlich die vorausgegangenen oder jetzt Statt habenden Zu- stände von Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett und Stil- lungsperiode die genaueste Berücksichtigung, da vorzüglich von den letztern Zuständen aus oft die Entstehung der ver- schiedenartigsten krankhaften Zustände gerechnet werden muß. Es sind daher theils die Anzahl und Art vorausgegangener Geburten, theils der Verlauf vorausgegangener Schwanger- schaften, das Befinden in denselben, die etwa Statt gehab- ten physiologischen und pathologischen Eigenthümlichkeiten der Wochenbetten stets und zwar nach den einzelnen diese Perio- den charakterisirenden Erscheinungen (von welchen später die Rede seyn wird) möglichst genau zu erforschen; und endlich ist denn auch bey ältern weiblichen Individuen der Eintritt der klimakterischen Jahre (das Außenbleiben der Menstrua- tion) ausführlich zu berücksichtigen, da auch in diesen Zeit- raum mancher Krankheitszustand des weiblichen Körpers wurzelt.
durch die Zeit, in welcher ſie erſcheint, durch die Zufaͤlle, mit welchen ſie eintritt, durch die Art ihrer Wiederkehr, durch die Quantitaͤt und Qualitaͤt des abfließenden Blutes, vielen Auf- ſchluß uͤber die urſpruͤngliche Thaͤtigkeit des Geſchlechtsſyſtems, und die mehr oder minder vollkommene Harmonie in den Funktionen des Koͤrpers verheißt. — Nahe verbunden iſt hiermit Erforſchung der Regungen des Geſchlechtstriebes, ob ſie ſpaͤt oder fruͤh erwacht, ob ſie in geringem oder hohem Grade, vielleicht zu Ausſchweifungen fuͤhrend, empfunden wurden? — Eroͤrterungen, wobey allerdings nur durch be- ſondere Vorſicht und Schonung der Schamhaftigkeit, und oft mehr durch Benutzung der Ausſagen von Eltern, Verwand- ten, Hebammen u. ſ. w. als durch muͤndliches Examen zum Ziel der Erkenntniß des eigentlichen Zuſtandes zu gelangen iſt.
§. 92.
Ferner verdienen bey nicht mehr jungfraͤulichem Zu- ſtande, namentlich bey Verheiratheten theils (unter der er- waͤhnten Vorſicht) die ehelichen Verhaͤltniſſe, theils und na- mentlich die vorausgegangenen oder jetzt Statt habenden Zu- ſtaͤnde von Schwangerſchaft, Geburt, Wochenbett und Stil- lungsperiode die genaueſte Beruͤckſichtigung, da vorzuͤglich von den letztern Zuſtaͤnden aus oft die Entſtehung der ver- ſchiedenartigſten krankhaften Zuſtaͤnde gerechnet werden muß. Es ſind daher theils die Anzahl und Art vorausgegangener Geburten, theils der Verlauf vorausgegangener Schwanger- ſchaften, das Befinden in denſelben, die etwa Statt gehab- ten phyſiologiſchen und pathologiſchen Eigenthuͤmlichkeiten der Wochenbetten ſtets und zwar nach den einzelnen dieſe Perio- den charakteriſirenden Erſcheinungen (von welchen ſpaͤter die Rede ſeyn wird) moͤglichſt genau zu erforſchen; und endlich iſt denn auch bey aͤltern weiblichen Individuen der Eintritt der klimakteriſchen Jahre (das Außenbleiben der Menſtrua- tion) ausfuͤhrlich zu beruͤckſichtigen, da auch in dieſen Zeit- raum mancher Krankheitszuſtand des weiblichen Koͤrpers wurzelt.
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durch die Zeit, in welcher ſie erſcheint, durch die Zufaͤlle, mit
welchen ſie eintritt, durch die Art ihrer Wiederkehr, durch die
Quantitaͤt und Qualitaͤt des abfließenden Blutes, vielen Auf-
ſchluß uͤber die urſpruͤngliche Thaͤtigkeit des Geſchlechtsſyſtems,
und die mehr oder minder vollkommene Harmonie in den
Funktionen des Koͤrpers verheißt. — Nahe verbunden iſt
hiermit Erforſchung der Regungen des Geſchlechtstriebes, ob
ſie ſpaͤt oder fruͤh erwacht, ob ſie in geringem oder hohem
Grade, vielleicht zu Ausſchweifungen fuͤhrend, empfunden
wurden? — Eroͤrterungen, wobey allerdings nur durch be-
ſondere Vorſicht und Schonung der Schamhaftigkeit, und oft
mehr durch Benutzung der Ausſagen von Eltern, Verwand-
ten, Hebammen u. ſ. w. als durch muͤndliches Examen zum
Ziel der Erkenntniß des eigentlichen Zuſtandes zu gelangen iſt.
§. 92.
Ferner verdienen bey nicht mehr jungfraͤulichem Zu-
ſtande, namentlich bey Verheiratheten theils (unter der er-
waͤhnten Vorſicht) die ehelichen Verhaͤltniſſe, theils und na-
mentlich die vorausgegangenen oder jetzt Statt habenden Zu-
ſtaͤnde von Schwangerſchaft, Geburt, Wochenbett und Stil-
lungsperiode die genaueſte Beruͤckſichtigung, da vorzuͤglich
von den letztern Zuſtaͤnden aus oft die Entſtehung der ver-
ſchiedenartigſten krankhaften Zuſtaͤnde gerechnet werden muß.
Es ſind daher theils die Anzahl und Art vorausgegangener
Geburten, theils der Verlauf vorausgegangener Schwanger-
ſchaften, das Befinden in denſelben, die etwa Statt gehab-
ten phyſiologiſchen und pathologiſchen Eigenthuͤmlichkeiten der
Wochenbetten ſtets und zwar nach den einzelnen dieſe Perio-
den charakteriſirenden Erſcheinungen (von welchen ſpaͤter die
Rede ſeyn wird) moͤglichſt genau zu erforſchen; und endlich
iſt denn auch bey aͤltern weiblichen Individuen der Eintritt
der klimakteriſchen Jahre (das Außenbleiben der Menſtrua-
tion) ausfuͤhrlich zu beruͤckſichtigen, da auch in dieſen Zeit-
raum mancher Krankheitszuſtand des weiblichen Koͤrpers
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Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 1. Leipzig, 1820, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie01_1820/86>, abgerufen am 21.11.2024.
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