cesses oft zu einer nachtheiligen Behandlung verleitet, in- dem man den Reichthum an einem nahrhaftern Blute in Schwangern für krankhaft hielt, und deßhalb solche Ausleerun- gen für nöthig erachtete. -- Der würdige Boer*) sagt aber in dieser Hinsicht schon: "Wahre und gesunde Vollblü- tigkeit gehört mit zur Idiosynkrasie der Schwangern. Alles was diese Vollblütigkeit ohne gegründete Ursache unter den natürlichen Standpunkt setzt, verursacht in dem Organismus Nachtheil. Reichthum an gutem Blute macht weder abor- tiren, noch erregt es sonsten unangenehme Zufälle." -- Alle diese ausleerenden und andere Mittel müssen daher bei Schwangern für wirklich krankhafte Zustände aufgespart bleiben.
§. 894.
Obwohl nun also die Schwangerschaft kein krankhafter Zustand ist, so muß doch auch nicht übersehen werden, daß sie gleich jeder andern Entwickelungsperiode ein ungewöhn- licher Zustand sey, daß der Körper eben dadurch für krankhafte Einflüsse jeder Art empfänglicher werde, und daß folglich, da Störungen des Wohlbefindens hier auch für das Kind nachtheilig werden können, ein besonders vorsichti- ges Verhalten um so nothwendiger sey. Wir gehen deshalb die einzelnen Regeln welche die Schwangere, sowohl rück- sichtlich ihres allgemeinen Befindens, als rücksichtlich der Veränderungen welche das Geschlechtssystem erleidet, zu befolgen hat, der Reihe nach durch.
§. 895.
Allgemeines Verhalten. Jeder Schwangern ist zu empfehlen, daß sie von ihrer früher gewohnten Lebens- ordnung sich nicht zu plötzlich entferne, nicht etwa aus ge- wohnter Thätigkeit zu müßiger Ruhe übergehe u. s. w. --
*) Abhandlungen und Versuche. I. Bd. -- Von der Gesundheit der Schwangern. S. 56.
ceſſes oft zu einer nachtheiligen Behandlung verleitet, in- dem man den Reichthum an einem nahrhaftern Blute in Schwangern fuͤr krankhaft hielt, und deßhalb ſolche Ausleerun- gen fuͤr noͤthig erachtete. — Der wuͤrdige Boër*) ſagt aber in dieſer Hinſicht ſchon: „Wahre und geſunde Vollbluͤ- tigkeit gehoͤrt mit zur Idioſynkraſie der Schwangern. Alles was dieſe Vollbluͤtigkeit ohne gegruͤndete Urſache unter den natuͤrlichen Standpunkt ſetzt, verurſacht in dem Organismus Nachtheil. Reichthum an gutem Blute macht weder abor- tiren, noch erregt es ſonſten unangenehme Zufaͤlle.“ — Alle dieſe ausleerenden und andere Mittel muͤſſen daher bei Schwangern fuͤr wirklich krankhafte Zuſtaͤnde aufgeſpart bleiben.
§. 894.
Obwohl nun alſo die Schwangerſchaft kein krankhafter Zuſtand iſt, ſo muß doch auch nicht uͤberſehen werden, daß ſie gleich jeder andern Entwickelungsperiode ein ungewoͤhn- licher Zuſtand ſey, daß der Koͤrper eben dadurch fuͤr krankhafte Einfluͤſſe jeder Art empfaͤnglicher werde, und daß folglich, da Stoͤrungen des Wohlbefindens hier auch fuͤr das Kind nachtheilig werden koͤnnen, ein beſonders vorſichti- ges Verhalten um ſo nothwendiger ſey. Wir gehen deshalb die einzelnen Regeln welche die Schwangere, ſowohl ruͤck- ſichtlich ihres allgemeinen Befindens, als ruͤckſichtlich der Veraͤnderungen welche das Geſchlechtsſyſtem erleidet, zu befolgen hat, der Reihe nach durch.
§. 895.
Allgemeines Verhalten. Jeder Schwangern iſt zu empfehlen, daß ſie von ihrer fruͤher gewohnten Lebens- ordnung ſich nicht zu ploͤtzlich entferne, nicht etwa aus ge- wohnter Thaͤtigkeit zu muͤßiger Ruhe uͤbergehe u. ſ. w. —
*) Abhandlungen und Verſuche. I. Bd. — Von der Geſundheit der Schwangern. S. 56.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><p><pbfacs="#f0177"n="153"/>
ceſſes oft zu einer nachtheiligen Behandlung verleitet, in-<lb/>
dem man den Reichthum an einem nahrhaftern Blute in<lb/>
Schwangern fuͤr krankhaft hielt, und deßhalb ſolche Ausleerun-<lb/>
gen fuͤr noͤthig erachtete. — Der wuͤrdige <hirendition="#g">Boër</hi><noteplace="foot"n="*)">Abhandlungen und Verſuche. <hirendition="#aq">I.</hi> Bd. — Von der Geſundheit<lb/>
der Schwangern. S. 56.</note>ſagt<lb/>
aber in dieſer Hinſicht ſchon: „Wahre und geſunde Vollbluͤ-<lb/>
tigkeit gehoͤrt mit zur Idioſynkraſie der Schwangern. Alles<lb/>
was dieſe Vollbluͤtigkeit ohne gegruͤndete Urſache unter den<lb/>
natuͤrlichen Standpunkt ſetzt, verurſacht in dem Organismus<lb/>
Nachtheil. Reichthum an gutem Blute macht weder abor-<lb/>
tiren, noch erregt es ſonſten unangenehme Zufaͤlle.“—<lb/>
Alle dieſe ausleerenden und andere Mittel muͤſſen daher bei<lb/>
Schwangern fuͤr wirklich krankhafte Zuſtaͤnde aufgeſpart<lb/>
bleiben.</p></div><lb/><divn="5"><head>§. 894.</head><lb/><p>Obwohl nun alſo die Schwangerſchaft kein krankhafter<lb/>
Zuſtand iſt, ſo muß doch auch nicht uͤberſehen werden, daß<lb/>ſie gleich jeder andern Entwickelungsperiode ein <hirendition="#g">ungewoͤhn-<lb/>
licher</hi> Zuſtand ſey, daß der Koͤrper eben dadurch fuͤr<lb/>
krankhafte Einfluͤſſe jeder Art empfaͤnglicher werde, und daß<lb/>
folglich, da Stoͤrungen des Wohlbefindens hier auch fuͤr<lb/>
das Kind nachtheilig werden koͤnnen, ein beſonders vorſichti-<lb/>
ges Verhalten um ſo nothwendiger ſey. Wir gehen deshalb<lb/>
die einzelnen Regeln welche die Schwangere, ſowohl ruͤck-<lb/>ſichtlich ihres allgemeinen Befindens, als ruͤckſichtlich der<lb/>
Veraͤnderungen welche das Geſchlechtsſyſtem erleidet, zu<lb/>
befolgen hat, der Reihe nach durch.</p></div><lb/><divn="5"><head>§. 895.</head><lb/><p><hirendition="#g">Allgemeines Verhalten</hi>. Jeder Schwangern iſt<lb/>
zu empfehlen, daß ſie von ihrer fruͤher gewohnten Lebens-<lb/>
ordnung ſich nicht zu ploͤtzlich entferne, nicht etwa aus ge-<lb/>
wohnter Thaͤtigkeit zu muͤßiger Ruhe uͤbergehe u. ſ. w. —<lb/></p></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[153/0177]
ceſſes oft zu einer nachtheiligen Behandlung verleitet, in-
dem man den Reichthum an einem nahrhaftern Blute in
Schwangern fuͤr krankhaft hielt, und deßhalb ſolche Ausleerun-
gen fuͤr noͤthig erachtete. — Der wuͤrdige Boër *) ſagt
aber in dieſer Hinſicht ſchon: „Wahre und geſunde Vollbluͤ-
tigkeit gehoͤrt mit zur Idioſynkraſie der Schwangern. Alles
was dieſe Vollbluͤtigkeit ohne gegruͤndete Urſache unter den
natuͤrlichen Standpunkt ſetzt, verurſacht in dem Organismus
Nachtheil. Reichthum an gutem Blute macht weder abor-
tiren, noch erregt es ſonſten unangenehme Zufaͤlle.“ —
Alle dieſe ausleerenden und andere Mittel muͤſſen daher bei
Schwangern fuͤr wirklich krankhafte Zuſtaͤnde aufgeſpart
bleiben.
§. 894.
Obwohl nun alſo die Schwangerſchaft kein krankhafter
Zuſtand iſt, ſo muß doch auch nicht uͤberſehen werden, daß
ſie gleich jeder andern Entwickelungsperiode ein ungewoͤhn-
licher Zuſtand ſey, daß der Koͤrper eben dadurch fuͤr
krankhafte Einfluͤſſe jeder Art empfaͤnglicher werde, und daß
folglich, da Stoͤrungen des Wohlbefindens hier auch fuͤr
das Kind nachtheilig werden koͤnnen, ein beſonders vorſichti-
ges Verhalten um ſo nothwendiger ſey. Wir gehen deshalb
die einzelnen Regeln welche die Schwangere, ſowohl ruͤck-
ſichtlich ihres allgemeinen Befindens, als ruͤckſichtlich der
Veraͤnderungen welche das Geſchlechtsſyſtem erleidet, zu
befolgen hat, der Reihe nach durch.
§. 895.
Allgemeines Verhalten. Jeder Schwangern iſt
zu empfehlen, daß ſie von ihrer fruͤher gewohnten Lebens-
ordnung ſich nicht zu ploͤtzlich entferne, nicht etwa aus ge-
wohnter Thaͤtigkeit zu muͤßiger Ruhe uͤbergehe u. ſ. w. —
*) Abhandlungen und Verſuche. I. Bd. — Von der Geſundheit
der Schwangern. S. 56.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 2. Leipzig, 1820, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie02_1820/177>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.