immer in krankhaften Zuständen, und gehören somit ei- gentlich gar nicht hierher; wir wollen indeß einige, wenig- stens dem Namen nach aufführen. Es sind dahin, au- ßer der Niederkunft mit einem todten Kinde, zu rechnen: kachektische Zustände des mütterlichen Körpers, als Schwind- sucht oder Auszehrung, ferner Epilepsie, Gicht, Melancholie, ansteckende Krankheiten, als Syphilis, Krätze u. s. w.; end- lich aber der mehr männliche Habitus des weiblichen Kör- pers, Kleinheit der Brüste, Mangel an Milch oder völlige Mißbildung und Mangelhaftigkeit der Warzen (die bloße Spaltung oder Kleinheit derselben giebt keinesweges ein ge- gründetes Hinderniß ab) und große Schwäche.
§. 968.
Was nun zuerst die Zeit betrifft, zu welcher das Kind zum erstenmale angelegt werden soll, so richtet sich diese theils nach der Lust des Kindes, welches gewöhnlich erst nach meh- rern Stunden Schlaf Neigung zum Saugen bezeigen wird, theils nach der Erholung der Wöchnerin. Gemeiniglich wird sie nach 6 bis 8 oder 12 Stunden fähig seyn, dem Kinde die Brust zu reichen. Nie ist es gut, allzulange das Anle- gen des Kindes zu verschieben, da eines Theils die Brüste hierbei oft sich zu sehr anfüllen, hart werden, und dann vom Kinde nicht gut zu fassen sind; andern Theils die erste Milch (Colostrum) gerade für das neugeborene Kind nützlich (keinesweges, wie ein altes Vorurtheil sagt, schädlich) ist.
§. 969.
Sollten übrigens die Warzen früher noch nicht zum Stillen vorbereitet worden seyn, so muß das Hervorziehen derselben und das Waschen mit Brandtwein jetzt noch nach- geholt werden. Ferner wird die reichliche Absonderung einer guten nahrhaften Milch vorzüglich durch hinlängliches Warm- halten der Brüste Schultern und Oberarme unterstützt, wor- auf sonach die Wöchnerin aufmerksam zu machen ist. Die Ordnung, in welcher dem Kinde nun fernerhin die Brust zu
immer in krankhaften Zuſtaͤnden, und gehoͤren ſomit ei- gentlich gar nicht hierher; wir wollen indeß einige, wenig- ſtens dem Namen nach auffuͤhren. Es ſind dahin, au- ßer der Niederkunft mit einem todten Kinde, zu rechnen: kachektiſche Zuſtaͤnde des muͤtterlichen Koͤrpers, als Schwind- ſucht oder Auszehrung, ferner Epilepſie, Gicht, Melancholie, anſteckende Krankheiten, als Syphilis, Kraͤtze u. ſ. w.; end- lich aber der mehr maͤnnliche Habitus des weiblichen Koͤr- pers, Kleinheit der Bruͤſte, Mangel an Milch oder voͤllige Mißbildung und Mangelhaftigkeit der Warzen (die bloße Spaltung oder Kleinheit derſelben giebt keinesweges ein ge- gruͤndetes Hinderniß ab) und große Schwaͤche.
§. 968.
Was nun zuerſt die Zeit betrifft, zu welcher das Kind zum erſtenmale angelegt werden ſoll, ſo richtet ſich dieſe theils nach der Luſt des Kindes, welches gewoͤhnlich erſt nach meh- rern Stunden Schlaf Neigung zum Saugen bezeigen wird, theils nach der Erholung der Woͤchnerin. Gemeiniglich wird ſie nach 6 bis 8 oder 12 Stunden faͤhig ſeyn, dem Kinde die Bruſt zu reichen. Nie iſt es gut, allzulange das Anle- gen des Kindes zu verſchieben, da eines Theils die Bruͤſte hierbei oft ſich zu ſehr anfuͤllen, hart werden, und dann vom Kinde nicht gut zu faſſen ſind; andern Theils die erſte Milch (Colostrum) gerade fuͤr das neugeborene Kind nuͤtzlich (keinesweges, wie ein altes Vorurtheil ſagt, ſchaͤdlich) iſt.
§. 969.
Sollten uͤbrigens die Warzen fruͤher noch nicht zum Stillen vorbereitet worden ſeyn, ſo muß das Hervorziehen derſelben und das Waſchen mit Brandtwein jetzt noch nach- geholt werden. Ferner wird die reichliche Abſonderung einer guten nahrhaften Milch vorzuͤglich durch hinlaͤngliches Warm- halten der Bruͤſte Schultern und Oberarme unterſtuͤtzt, wor- auf ſonach die Woͤchnerin aufmerkſam zu machen iſt. Die Ordnung, in welcher dem Kinde nun fernerhin die Bruſt zu
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immer in krankhaften Zuſtaͤnden, und gehoͤren ſomit ei-
gentlich gar nicht hierher; wir wollen indeß einige, wenig-
ſtens dem Namen nach auffuͤhren. Es ſind dahin, au-
ßer der Niederkunft mit einem todten Kinde, zu rechnen:
kachektiſche Zuſtaͤnde des muͤtterlichen Koͤrpers, als Schwind-
ſucht oder Auszehrung, ferner Epilepſie, Gicht, Melancholie,
anſteckende Krankheiten, als Syphilis, Kraͤtze u. ſ. w.; end-
lich aber der mehr maͤnnliche Habitus des weiblichen Koͤr-
pers, Kleinheit der Bruͤſte, Mangel an Milch oder voͤllige
Mißbildung und Mangelhaftigkeit der Warzen (die bloße
Spaltung oder Kleinheit derſelben giebt keinesweges ein ge-
gruͤndetes Hinderniß ab) und große Schwaͤche.
§. 968.
Was nun zuerſt die Zeit betrifft, zu welcher das Kind
zum erſtenmale angelegt werden ſoll, ſo richtet ſich dieſe theils
nach der Luſt des Kindes, welches gewoͤhnlich erſt nach meh-
rern Stunden Schlaf Neigung zum Saugen bezeigen wird,
theils nach der Erholung der Woͤchnerin. Gemeiniglich wird
ſie nach 6 bis 8 oder 12 Stunden faͤhig ſeyn, dem Kinde
die Bruſt zu reichen. Nie iſt es gut, allzulange das Anle-
gen des Kindes zu verſchieben, da eines Theils die Bruͤſte
hierbei oft ſich zu ſehr anfuͤllen, hart werden, und dann
vom Kinde nicht gut zu faſſen ſind; andern Theils die erſte
Milch (Colostrum) gerade fuͤr das neugeborene Kind nuͤtzlich
(keinesweges, wie ein altes Vorurtheil ſagt, ſchaͤdlich) iſt.
§. 969.
Sollten uͤbrigens die Warzen fruͤher noch nicht zum
Stillen vorbereitet worden ſeyn, ſo muß das Hervorziehen
derſelben und das Waſchen mit Brandtwein jetzt noch nach-
geholt werden. Ferner wird die reichliche Abſonderung einer
guten nahrhaften Milch vorzuͤglich durch hinlaͤngliches Warm-
halten der Bruͤſte Schultern und Oberarme unterſtuͤtzt, wor-
auf ſonach die Woͤchnerin aufmerkſam zu machen iſt. Die
Ordnung, in welcher dem Kinde nun fernerhin die Bruſt zu
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Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 2. Leipzig, 1820, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie02_1820/220>, abgerufen am 26.11.2024.
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