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Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 2. Leipzig, 1820.

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bringen lebendiger Wesen auf ihrer Oberfläche, abhängt von
der Einwirkung der Sonne und anderer Weltkörper, oder,
wollen wir Krankheitserscheinungen erwägen, mit einem thie-
rischen Körper, welcher ein Exanthem auf seiner Fläche er-
zeugt, nachdem er durch die Atmosphäre eines an gleichem
Leiden Erkrankten zu diesem normwidrigen Bildungsprozesse
aufgeregt worden ist.

§. 644.

Für diese Ansicht, und gegen das materielle Mitein-
dringen und Bilden männlichen Zeugungsstoffes in den neuen
Organismus sprechen die Befruchtung der Pflanzen, wo ein
Zudringen des Pollens bis zum Fruchtknoten kaum gedenk-
bar ist, das Befruchten der Eier von Fischen und Amphi-
bien, wo schon die Berührung des Eies durch einen, oft
noch äußerst verdünnten Samen zur Anregung des Lebens
hinreicht, und endlich beim Menschen selbst die öftern Bei-
spiele von Conception ohne vollkommene Begattung, ja bei
Verschließung des Geburtsweges *).

§. 645.

Ist nun aber das Hervorbilden eines neuen Keimes aus
dem mütterlichen Körper auch anerkannt, so bleibt doch noch
der Ort, wo dieser Keim zuerst erscheint, zu untersuchen
übrig. -- In den Thieren ist dieser Ort ganz unläugbar
das Ovarium; bei dem Menschen hingegen ist dieß weniger
klar nachzuweisen, so daß man denn nicht selten (neuerlich
noch Wilbrand) die Entstehung des Eikeimes im Uterus
selbst angenommen hat; allein eben die Analogie so vieler
Thiergeschlechter, die Beobachtung von Bläschen, welche sich in
und auf den Ovarien, und zwar wohl erst in Folge der durch

*) S. hierüber den I. Th. S. 105 und 225. Auch führt Champion
(Journal universel des sciences medicales Mai 1819. p. 241.)
einen merkwürdigen Fall an, wo eine Frau, deren Hymen bis auf
eine kleine kaum eine Sonde schief durchlassende Oeffnung verwachsen
war, dennoch schwanger wurde.

bringen lebendiger Weſen auf ihrer Oberflaͤche, abhaͤngt von
der Einwirkung der Sonne und anderer Weltkoͤrper, oder,
wollen wir Krankheitserſcheinungen erwaͤgen, mit einem thie-
riſchen Koͤrper, welcher ein Exanthem auf ſeiner Flaͤche er-
zeugt, nachdem er durch die Atmosphaͤre eines an gleichem
Leiden Erkrankten zu dieſem normwidrigen Bildungsprozeſſe
aufgeregt worden iſt.

§. 644.

Fuͤr dieſe Anſicht, und gegen das materielle Mitein-
dringen und Bilden maͤnnlichen Zeugungsſtoffes in den neuen
Organismus ſprechen die Befruchtung der Pflanzen, wo ein
Zudringen des Pollens bis zum Fruchtknoten kaum gedenk-
bar iſt, das Befruchten der Eier von Fiſchen und Amphi-
bien, wo ſchon die Beruͤhrung des Eies durch einen, oft
noch aͤußerſt verduͤnnten Samen zur Anregung des Lebens
hinreicht, und endlich beim Menſchen ſelbſt die oͤftern Bei-
ſpiele von Conception ohne vollkommene Begattung, ja bei
Verſchließung des Geburtsweges *).

§. 645.

Iſt nun aber das Hervorbilden eines neuen Keimes aus
dem muͤtterlichen Koͤrper auch anerkannt, ſo bleibt doch noch
der Ort, wo dieſer Keim zuerſt erſcheint, zu unterſuchen
uͤbrig. — In den Thieren iſt dieſer Ort ganz unlaͤugbar
das Ovarium; bei dem Menſchen hingegen iſt dieß weniger
klar nachzuweiſen, ſo daß man denn nicht ſelten (neuerlich
noch Wilbrand) die Entſtehung des Eikeimes im Uterus
ſelbſt angenommen hat; allein eben die Analogie ſo vieler
Thiergeſchlechter, die Beobachtung von Blaͤschen, welche ſich in
und auf den Ovarien, und zwar wohl erſt in Folge der durch

*) S. hieruͤber den I. Th. S. 105 und 225. Auch fuͤhrt Champion
(Journal universel des sciences medicales Mai 1819. p. 241.)
einen merkwuͤrdigen Fall an, wo eine Frau, deren Hymen bis auf
eine kleine kaum eine Sonde ſchief durchlaſſende Oeffnung verwachſen
war, dennoch ſchwanger wurde.
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[8/0030] bringen lebendiger Weſen auf ihrer Oberflaͤche, abhaͤngt von der Einwirkung der Sonne und anderer Weltkoͤrper, oder, wollen wir Krankheitserſcheinungen erwaͤgen, mit einem thie- riſchen Koͤrper, welcher ein Exanthem auf ſeiner Flaͤche er- zeugt, nachdem er durch die Atmosphaͤre eines an gleichem Leiden Erkrankten zu dieſem normwidrigen Bildungsprozeſſe aufgeregt worden iſt. §. 644. Fuͤr dieſe Anſicht, und gegen das materielle Mitein- dringen und Bilden maͤnnlichen Zeugungsſtoffes in den neuen Organismus ſprechen die Befruchtung der Pflanzen, wo ein Zudringen des Pollens bis zum Fruchtknoten kaum gedenk- bar iſt, das Befruchten der Eier von Fiſchen und Amphi- bien, wo ſchon die Beruͤhrung des Eies durch einen, oft noch aͤußerſt verduͤnnten Samen zur Anregung des Lebens hinreicht, und endlich beim Menſchen ſelbſt die oͤftern Bei- ſpiele von Conception ohne vollkommene Begattung, ja bei Verſchließung des Geburtsweges *). §. 645. Iſt nun aber das Hervorbilden eines neuen Keimes aus dem muͤtterlichen Koͤrper auch anerkannt, ſo bleibt doch noch der Ort, wo dieſer Keim zuerſt erſcheint, zu unterſuchen uͤbrig. — In den Thieren iſt dieſer Ort ganz unlaͤugbar das Ovarium; bei dem Menſchen hingegen iſt dieß weniger klar nachzuweiſen, ſo daß man denn nicht ſelten (neuerlich noch Wilbrand) die Entſtehung des Eikeimes im Uterus ſelbſt angenommen hat; allein eben die Analogie ſo vieler Thiergeſchlechter, die Beobachtung von Blaͤschen, welche ſich in und auf den Ovarien, und zwar wohl erſt in Folge der durch *) S. hieruͤber den I. Th. S. 105 und 225. Auch fuͤhrt Champion (Journal universel des sciences medicales Mai 1819. p. 241.) einen merkwuͤrdigen Fall an, wo eine Frau, deren Hymen bis auf eine kleine kaum eine Sonde ſchief durchlaſſende Oeffnung verwachſen war, dennoch ſchwanger wurde.

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Zitationshilfe: Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 2. Leipzig, 1820, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie02_1820/30>, abgerufen am 23.11.2024.