Tagen eines rohern Zustandes der Geburtshülfe so viele Gräuel verübt worden sind, darf jetzt auf äußerst wenige und sel- tene Fälle eingeschränkt werden, ja sie bleibt eigentlich nur unter zwei Bedingungen noch zuläßig: 1) bei einer Mißge- burt, welche durch überzählige Theile oder abnorme Vergröße- rung einzelner Körpergegenden die Entbindung auf dem ge- wöhnlichen Wege schlechterdings unmöglich machen würde, und demungeachtet das Kind, dieser Verunstaltung wegen, nicht eines wahrhaft menschlichen Lebens für fähig zu achten wäre. 2) Bei falschen Lagen des Kindes wo der rechte Zeitpunkt die Wendung zu machen gänzlich verabsäumt worden ist, und nun das Kind mit irgend einer regelwidrig eingetretenen Flä- che des Rumpfs so fest im Beckeneingange sich eingekeilt fin- det, daß Herabführung der Füße gänzlich unmöglich erscheint. Allein selbst in diesem Falle pflegt höchstens die Eröffnung einer Rumpfhöhle und Entleerung derselben, keineswegs eine eigentliche Zerstückung, nöthig zu werden.
Anmerkung. Es ist übrigens hierbei zu erinnern, daß dem Anfänger oft eine Querlage, bei längere Zeit abgefloßenem Fruchtwasser, unübersteigliche Hindernisse darbieten wird, wenn dagegen der Geübtere auch hier die Wendung zu verrichten sehr wohl im Stande ist; welches denn den angehenden Geburtshelfer dazu vermö- gen muß, in einem solchen Falle nie etwa sogleich die Embryotomie für unvermeidlich zu halten, sondern lieber zuvor noch den Rath eines erfahrenern Mannes zu ver- nehmen.
§. 1258.
Die Instrumente betreffend, welche für diesen Zweck er- fordert werden, so hat man in früherer Zeit sich vorzüglich der scharfen Haken und Sichelmesser bedient; Instrumente, welche jetzt als gänzlich überflüßig betrachtet werden können, indem für die Eröffnung einer Rumpfhöhle das gewöhnliche scheerenförmige Perforatorium, für anderweitige Trennungen mißgebildeter Theile aber, ein gewöhnliches bis gegen die
Tagen eines rohern Zuſtandes der Geburtshuͤlfe ſo viele Graͤuel veruͤbt worden ſind, darf jetzt auf aͤußerſt wenige und ſel- tene Faͤlle eingeſchraͤnkt werden, ja ſie bleibt eigentlich nur unter zwei Bedingungen noch zulaͤßig: 1) bei einer Mißge- burt, welche durch uͤberzaͤhlige Theile oder abnorme Vergroͤße- rung einzelner Koͤrpergegenden die Entbindung auf dem ge- woͤhnlichen Wege ſchlechterdings unmoͤglich machen wuͤrde, und demungeachtet das Kind, dieſer Verunſtaltung wegen, nicht eines wahrhaft menſchlichen Lebens fuͤr faͤhig zu achten waͤre. 2) Bei falſchen Lagen des Kindes wo der rechte Zeitpunkt die Wendung zu machen gaͤnzlich verabſaͤumt worden iſt, und nun das Kind mit irgend einer regelwidrig eingetretenen Flaͤ- che des Rumpfs ſo feſt im Beckeneingange ſich eingekeilt fin- det, daß Herabfuͤhrung der Fuͤße gaͤnzlich unmoͤglich erſcheint. Allein ſelbſt in dieſem Falle pflegt hoͤchſtens die Eroͤffnung einer Rumpfhoͤhle und Entleerung derſelben, keineswegs eine eigentliche Zerſtuͤckung, noͤthig zu werden.
Anmerkung. Es iſt uͤbrigens hierbei zu erinnern, daß dem Anfaͤnger oft eine Querlage, bei laͤngere Zeit abgefloßenem Fruchtwaſſer, unuͤberſteigliche Hinderniſſe darbieten wird, wenn dagegen der Geuͤbtere auch hier die Wendung zu verrichten ſehr wohl im Stande iſt; welches denn den angehenden Geburtshelfer dazu vermoͤ- gen muß, in einem ſolchen Falle nie etwa ſogleich die Embryotomie fuͤr unvermeidlich zu halten, ſondern lieber zuvor noch den Rath eines erfahrenern Mannes zu ver- nehmen.
§. 1258.
Die Inſtrumente betreffend, welche fuͤr dieſen Zweck er- fordert werden, ſo hat man in fruͤherer Zeit ſich vorzuͤglich der ſcharfen Haken und Sichelmeſſer bedient; Inſtrumente, welche jetzt als gaͤnzlich uͤberfluͤßig betrachtet werden koͤnnen, indem fuͤr die Eroͤffnung einer Rumpfhoͤhle das gewoͤhnliche ſcheerenfoͤrmige Perforatorium, fuͤr anderweitige Trennungen mißgebildeter Theile aber, ein gewoͤhnliches bis gegen die
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Tagen eines rohern Zuſtandes der Geburtshuͤlfe ſo viele Graͤuel
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tene Faͤlle eingeſchraͤnkt werden, ja ſie bleibt eigentlich nur
unter zwei Bedingungen noch zulaͤßig: 1) bei einer Mißge-
burt, welche durch uͤberzaͤhlige Theile oder abnorme Vergroͤße-
rung einzelner Koͤrpergegenden die Entbindung auf dem ge-
woͤhnlichen Wege ſchlechterdings unmoͤglich machen wuͤrde, und
demungeachtet das Kind, dieſer Verunſtaltung wegen, nicht
eines wahrhaft menſchlichen Lebens fuͤr faͤhig zu achten waͤre.
2) Bei falſchen Lagen des Kindes wo der rechte Zeitpunkt
die Wendung zu machen gaͤnzlich verabſaͤumt worden iſt, und
nun das Kind mit irgend einer regelwidrig eingetretenen Flaͤ-
che des Rumpfs ſo feſt im Beckeneingange ſich eingekeilt fin-
det, daß Herabfuͤhrung der Fuͤße gaͤnzlich unmoͤglich erſcheint.
Allein ſelbſt in dieſem Falle pflegt hoͤchſtens die Eroͤffnung
einer Rumpfhoͤhle und Entleerung derſelben, keineswegs eine
eigentliche Zerſtuͤckung, noͤthig zu werden.
Anmerkung. Es iſt uͤbrigens hierbei zu erinnern, daß
dem Anfaͤnger oft eine Querlage, bei laͤngere Zeit
abgefloßenem Fruchtwaſſer, unuͤberſteigliche Hinderniſſe
darbieten wird, wenn dagegen der Geuͤbtere auch hier
die Wendung zu verrichten ſehr wohl im Stande iſt;
welches denn den angehenden Geburtshelfer dazu vermoͤ-
gen muß, in einem ſolchen Falle nie etwa ſogleich die
Embryotomie fuͤr unvermeidlich zu halten, ſondern lieber
zuvor noch den Rath eines erfahrenern Mannes zu ver-
nehmen.
§. 1258.
Die Inſtrumente betreffend, welche fuͤr dieſen Zweck er-
fordert werden, ſo hat man in fruͤherer Zeit ſich vorzuͤglich
der ſcharfen Haken und Sichelmeſſer bedient; Inſtrumente,
welche jetzt als gaͤnzlich uͤberfluͤßig betrachtet werden koͤnnen,
indem fuͤr die Eroͤffnung einer Rumpfhoͤhle das gewoͤhnliche
ſcheerenfoͤrmige Perforatorium, fuͤr anderweitige Trennungen
mißgebildeter Theile aber, ein gewoͤhnliches bis gegen die
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Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 2. Leipzig, 1820, S. 367. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie02_1820/391>, abgerufen am 22.11.2024.
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