digen der Geburt auf dem natürlichen Wege, selbst bei schon ziemlich eröffnetem Muttermunde, unbedingt den Vorzug, da in allen diesen Fällen doch Erhaltung des Kindes der einzige Zweck des Geburtshelfers seyn kann, und man fast nie (bei noch gar nicht geöffnetem Muttermunde gewiß nicht) erwar- ten darf, daß bei einem ohne alle Wehen bewerkstelligten Hin- durchziehen des Kindes durch das Becken, dieses am Leben bleiben könne.
§. 1264.
Was die Prognose betrifft, so ist diese leider für die Mutter immer höchst ungünstig, und nur ein sehr kleiner Theil der auf diese Weise Operirten wurde erhalten; *) da indeß die Erfahrung gezeigt hat, daß andere nicht minder bedeutende Verletzungen der Bauchdecken und selbst der Unter- leibseingeweide oft weit leichter die Heilung gestatten, so wird es nöthig etwas ausführlicher zu betrachten, worin eigentlich der Grund der häufigen Tödtlichkeit des Kaiserschnitts liege. -- Es ergiebt sich aber derselbe gewiß am richtigsten aus der Berücksichtigung der Periode in welcher diese Verwundung, und des Ortes, an welchem dieselbe den weiblichen Körper betrifft. Als vorzüglich wichtig nämlich erkannten wir es für den Verlauf der Wochenperiode, daß die produktive Thätigkeit der innern Genitalien sich allmählig vermindere, und alles wodurch in der Nähe dieser, jetzt in Zurückbildung begriffenen Theile, krankhafte Erhöhung produktiver Thätigkeit (Entzün- dung) veranlaßt werden könnte, sorgfältig vermieden bleibe. Bei einer solchen Verletzung des Bauchfells wie der Gebär- mutter nun, ist dagegen ein gewisser Grad von Entzündung schon zu Bewerkstelligung der Heilung unerläßlich, ja diese Entzündung wird durch den Reitz eingedrungener Luft, aus-
*) Obwohl hinwiederum Beispiele nicht fehlen, wo sogar an einer Frau der Kaiserschnitt zweimal glücklich verrichtet worden ist (s. d. neueste Beispiel dieser Art in v. Siebolds Journal s. Ge- burtsh. III. Bd. 1. Heft).
digen der Geburt auf dem natuͤrlichen Wege, ſelbſt bei ſchon ziemlich eroͤffnetem Muttermunde, unbedingt den Vorzug, da in allen dieſen Faͤllen doch Erhaltung des Kindes der einzige Zweck des Geburtshelfers ſeyn kann, und man faſt nie (bei noch gar nicht geoͤffnetem Muttermunde gewiß nicht) erwar- ten darf, daß bei einem ohne alle Wehen bewerkſtelligten Hin- durchziehen des Kindes durch das Becken, dieſes am Leben bleiben koͤnne.
§. 1264.
Was die Prognoſe betrifft, ſo iſt dieſe leider fuͤr die Mutter immer hoͤchſt unguͤnſtig, und nur ein ſehr kleiner Theil der auf dieſe Weiſe Operirten wurde erhalten; *) da indeß die Erfahrung gezeigt hat, daß andere nicht minder bedeutende Verletzungen der Bauchdecken und ſelbſt der Unter- leibseingeweide oft weit leichter die Heilung geſtatten, ſo wird es noͤthig etwas ausfuͤhrlicher zu betrachten, worin eigentlich der Grund der haͤufigen Toͤdtlichkeit des Kaiſerſchnitts liege. — Es ergiebt ſich aber derſelbe gewiß am richtigſten aus der Beruͤckſichtigung der Periode in welcher dieſe Verwundung, und des Ortes, an welchem dieſelbe den weiblichen Koͤrper betrifft. Als vorzuͤglich wichtig naͤmlich erkannten wir es fuͤr den Verlauf der Wochenperiode, daß die produktive Thaͤtigkeit der innern Genitalien ſich allmaͤhlig vermindere, und alles wodurch in der Naͤhe dieſer, jetzt in Zuruͤckbildung begriffenen Theile, krankhafte Erhoͤhung produktiver Thaͤtigkeit (Entzuͤn- dung) veranlaßt werden koͤnnte, ſorgfaͤltig vermieden bleibe. Bei einer ſolchen Verletzung des Bauchfells wie der Gebaͤr- mutter nun, iſt dagegen ein gewiſſer Grad von Entzuͤndung ſchon zu Bewerkſtelligung der Heilung unerlaͤßlich, ja dieſe Entzuͤndung wird durch den Reitz eingedrungener Luft, aus-
*) Obwohl hinwiederum Beiſpiele nicht fehlen, wo ſogar an einer Frau der Kaiſerſchnitt zweimal gluͤcklich verrichtet worden iſt (ſ. d. neueſte Beiſpiel dieſer Art in v. Siebolds Journal ſ. Ge- burtſh. III. Bd. 1. Heft).
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digen der Geburt auf dem natuͤrlichen Wege, ſelbſt bei ſchon
ziemlich eroͤffnetem Muttermunde, unbedingt den Vorzug, da
in allen dieſen Faͤllen doch Erhaltung des Kindes der einzige
Zweck des Geburtshelfers ſeyn kann, und man faſt nie (bei
noch gar nicht geoͤffnetem Muttermunde gewiß nicht) erwar-
ten darf, daß bei einem ohne alle Wehen bewerkſtelligten Hin-
durchziehen des Kindes durch das Becken, dieſes am Leben
bleiben koͤnne.
§. 1264.
Was die Prognoſe betrifft, ſo iſt dieſe leider fuͤr die
Mutter immer hoͤchſt unguͤnſtig, und nur ein ſehr kleiner
Theil der auf dieſe Weiſe Operirten wurde erhalten; *) da
indeß die Erfahrung gezeigt hat, daß andere nicht minder
bedeutende Verletzungen der Bauchdecken und ſelbſt der Unter-
leibseingeweide oft weit leichter die Heilung geſtatten, ſo wird
es noͤthig etwas ausfuͤhrlicher zu betrachten, worin eigentlich
der Grund der haͤufigen Toͤdtlichkeit des Kaiſerſchnitts liege. —
Es ergiebt ſich aber derſelbe gewiß am richtigſten aus der
Beruͤckſichtigung der Periode in welcher dieſe Verwundung,
und des Ortes, an welchem dieſelbe den weiblichen Koͤrper
betrifft. Als vorzuͤglich wichtig naͤmlich erkannten wir es fuͤr
den Verlauf der Wochenperiode, daß die produktive Thaͤtigkeit
der innern Genitalien ſich allmaͤhlig vermindere, und alles
wodurch in der Naͤhe dieſer, jetzt in Zuruͤckbildung begriffenen
Theile, krankhafte Erhoͤhung produktiver Thaͤtigkeit (Entzuͤn-
dung) veranlaßt werden koͤnnte, ſorgfaͤltig vermieden bleibe.
Bei einer ſolchen Verletzung des Bauchfells wie der Gebaͤr-
mutter nun, iſt dagegen ein gewiſſer Grad von Entzuͤndung
ſchon zu Bewerkſtelligung der Heilung unerlaͤßlich, ja dieſe
Entzuͤndung wird durch den Reitz eingedrungener Luft, aus-
*) Obwohl hinwiederum Beiſpiele nicht fehlen, wo ſogar an einer
Frau der Kaiſerſchnitt zweimal gluͤcklich verrichtet worden iſt (ſ.
d. neueſte Beiſpiel dieſer Art in v. Siebolds Journal ſ. Ge-
burtſh. III. Bd. 1. Heft).
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Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 2. Leipzig, 1820, S. 371. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie02_1820/395>, abgerufen am 22.11.2024.
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