so entsteht nun als Wiederholung dieses Gegensatzes ein zweiter, nämlich zwischen Embryo (Kern) und Amnion (Schale). Um den Embryo herum nämlich legt sich eine lockere, häutige, höchst feine, wohl in dem Umfange der Keimhaut des Nabelbläschens von dieser Keimhaut selbst ab- gelöste Schicht, welche man als eine zweite noch ungestal- tere Oberhaut der frühesten Periode des selbst noch ungestal- teten Embryo's betrachten kann, in welcher er steckt, unge- fähr wie der sich bildende Schmetterling in der Puppenhülle, welche selbst ehemals die (nun vertrocknete) Haut der Raupe war. -- Diese Haut ist im menschlichen Embryo fast gefäß- los (wie die Epidermis), hat wenigstens nie Blutgefäße, heißt Schafhaut (Amnion, Indusium), und enthält das Schafwasser oder Fruchtwasser (Liquor amnii). (S. Taf. II. f. II.)
§. 675.
In dem Embryo haben sich nun gebildet: Wirbelsäule mit Hirn und Rückenmark, und zwar im Gegensatz mit dem gleichzeitig und antagonistisch entstehenden Gefäßsystem, des- sen Anfang man im Vogelei in der figura venosa der Dotterhaut findet, und welches auch im Säugethier- und Menschenembryo wohl eben so in der Richtung von Außen nach Innen (centripetal, sich contrahirend) von der Nabel- blase zum Embryo entstehen muß, als die Bildung des Nervensystems mit Knochen und Muskeln in der Richtung von Innen nach Außen (centrifugal, sich expandirend) her- vortritt.
§. 676.
Wenn wir nun §. 669 den ersten, §. 674 den zwei- ten und im vorigen §. den dritten Gegensatz (zwischen Ner- ven und Gefäßen) nachgewiesen haben, so wird nun ferner im Embryo als vierter Gegensatz dieser Bildungen bemerk- lich: auf der Seite des Nervensystems (animale Sphäre) der zwischen Bewegungsorganen (Muskeln und Knochen) und Sinneswerkzeugen; auf der Seite des Gefäßsystems (vegeta-
ſo entſteht nun als Wiederholung dieſes Gegenſatzes ein zweiter, naͤmlich zwiſchen Embryo (Kern) und Amnion (Schale). Um den Embryo herum naͤmlich legt ſich eine lockere, haͤutige, hoͤchſt feine, wohl in dem Umfange der Keimhaut des Nabelblaͤschens von dieſer Keimhaut ſelbſt ab- geloͤſte Schicht, welche man als eine zweite noch ungeſtal- tere Oberhaut der fruͤheſten Periode des ſelbſt noch ungeſtal- teten Embryo’s betrachten kann, in welcher er ſteckt, unge- faͤhr wie der ſich bildende Schmetterling in der Puppenhuͤlle, welche ſelbſt ehemals die (nun vertrocknete) Haut der Raupe war. — Dieſe Haut iſt im menſchlichen Embryo faſt gefaͤß- los (wie die Epidermis), hat wenigſtens nie Blutgefaͤße, heißt Schafhaut (Amnion, Indusium), und enthaͤlt das Schafwaſſer oder Fruchtwaſſer (Liquor amnii). (S. Taf. II. f. II.)
§. 675.
In dem Embryo haben ſich nun gebildet: Wirbelſaͤule mit Hirn und Ruͤckenmark, und zwar im Gegenſatz mit dem gleichzeitig und antagoniſtiſch entſtehenden Gefaͤßſyſtem, deſ- ſen Anfang man im Vogelei in der figura venosa der Dotterhaut findet, und welches auch im Saͤugethier- und Menſchenembryo wohl eben ſo in der Richtung von Außen nach Innen (centripetal, ſich contrahirend) von der Nabel- blaſe zum Embryo entſtehen muß, als die Bildung des Nervenſyſtems mit Knochen und Muskeln in der Richtung von Innen nach Außen (centrifugal, ſich expandirend) her- vortritt.
§. 676.
Wenn wir nun §. 669 den erſten, §. 674 den zwei- ten und im vorigen §. den dritten Gegenſatz (zwiſchen Ner- ven und Gefaͤßen) nachgewieſen haben, ſo wird nun ferner im Embryo als vierter Gegenſatz dieſer Bildungen bemerk- lich: auf der Seite des Nervenſyſtems (animale Sphaͤre) der zwiſchen Bewegungsorganen (Muskeln und Knochen) und Sinneswerkzeugen; auf der Seite des Gefaͤßſyſtems (vegeta-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><divn="6"><divn="7"><p><pbfacs="#f0045"n="23"/>ſo entſteht nun als Wiederholung dieſes Gegenſatzes ein<lb/><hirendition="#g">zweiter</hi>, naͤmlich zwiſchen Embryo (Kern) und Amnion<lb/>
(Schale). Um den Embryo herum naͤmlich legt ſich eine<lb/>
lockere, haͤutige, hoͤchſt feine, wohl in dem Umfange der<lb/>
Keimhaut des Nabelblaͤschens von dieſer Keimhaut ſelbſt ab-<lb/>
geloͤſte Schicht, welche man als eine zweite noch ungeſtal-<lb/>
tere Oberhaut der fruͤheſten Periode des ſelbſt noch ungeſtal-<lb/>
teten Embryo’s betrachten kann, in welcher er ſteckt, unge-<lb/>
faͤhr wie der ſich bildende Schmetterling in der Puppenhuͤlle,<lb/>
welche ſelbſt ehemals die (nun vertrocknete) Haut der Raupe<lb/>
war. — Dieſe Haut iſt im menſchlichen Embryo faſt gefaͤß-<lb/>
los (wie die Epidermis), hat wenigſtens nie Blutgefaͤße,<lb/>
heißt <hirendition="#g">Schafhaut</hi> (<hirendition="#aq">Amnion, Indusium</hi>), und enthaͤlt das<lb/>
Schafwaſſer oder Fruchtwaſſer (<hirendition="#aq">Liquor amnii).</hi> (S. <hirendition="#aq">Taf.<lb/>
II. f. II.</hi>)</p></div><lb/><divn="7"><head>§. 675.</head><lb/><p>In dem Embryo haben ſich nun gebildet: Wirbelſaͤule<lb/>
mit Hirn und Ruͤckenmark, und zwar im Gegenſatz mit dem<lb/>
gleichzeitig und antagoniſtiſch entſtehenden Gefaͤßſyſtem, deſ-<lb/>ſen Anfang man im Vogelei in der <hirendition="#aq">figura venosa</hi> der<lb/>
Dotterhaut findet, und welches auch im Saͤugethier- und<lb/>
Menſchenembryo wohl eben ſo in der Richtung von Außen<lb/>
nach Innen (centripetal, ſich contrahirend) von der Nabel-<lb/>
blaſe zum Embryo entſtehen muß, als die Bildung des<lb/>
Nervenſyſtems mit Knochen und Muskeln in der Richtung<lb/>
von Innen nach Außen (centrifugal, ſich expandirend) her-<lb/>
vortritt.</p></div><lb/><divn="7"><head>§. 676.</head><lb/><p>Wenn wir nun §. 669 den erſten, §. 674 den zwei-<lb/>
ten und im vorigen §. den dritten Gegenſatz (zwiſchen Ner-<lb/>
ven und Gefaͤßen) nachgewieſen haben, ſo wird nun ferner<lb/>
im Embryo als <hirendition="#g">vierter</hi> Gegenſatz dieſer Bildungen bemerk-<lb/>
lich: auf der Seite des Nervenſyſtems (<hirendition="#g">animale Sphaͤre</hi>)<lb/>
der zwiſchen Bewegungsorganen (Muskeln und Knochen) und<lb/>
Sinneswerkzeugen; auf der Seite des Gefaͤßſyſtems (vegeta-<lb/></p></div></div></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[23/0045]
ſo entſteht nun als Wiederholung dieſes Gegenſatzes ein
zweiter, naͤmlich zwiſchen Embryo (Kern) und Amnion
(Schale). Um den Embryo herum naͤmlich legt ſich eine
lockere, haͤutige, hoͤchſt feine, wohl in dem Umfange der
Keimhaut des Nabelblaͤschens von dieſer Keimhaut ſelbſt ab-
geloͤſte Schicht, welche man als eine zweite noch ungeſtal-
tere Oberhaut der fruͤheſten Periode des ſelbſt noch ungeſtal-
teten Embryo’s betrachten kann, in welcher er ſteckt, unge-
faͤhr wie der ſich bildende Schmetterling in der Puppenhuͤlle,
welche ſelbſt ehemals die (nun vertrocknete) Haut der Raupe
war. — Dieſe Haut iſt im menſchlichen Embryo faſt gefaͤß-
los (wie die Epidermis), hat wenigſtens nie Blutgefaͤße,
heißt Schafhaut (Amnion, Indusium), und enthaͤlt das
Schafwaſſer oder Fruchtwaſſer (Liquor amnii). (S. Taf.
II. f. II.)
§. 675.
In dem Embryo haben ſich nun gebildet: Wirbelſaͤule
mit Hirn und Ruͤckenmark, und zwar im Gegenſatz mit dem
gleichzeitig und antagoniſtiſch entſtehenden Gefaͤßſyſtem, deſ-
ſen Anfang man im Vogelei in der figura venosa der
Dotterhaut findet, und welches auch im Saͤugethier- und
Menſchenembryo wohl eben ſo in der Richtung von Außen
nach Innen (centripetal, ſich contrahirend) von der Nabel-
blaſe zum Embryo entſtehen muß, als die Bildung des
Nervenſyſtems mit Knochen und Muskeln in der Richtung
von Innen nach Außen (centrifugal, ſich expandirend) her-
vortritt.
§. 676.
Wenn wir nun §. 669 den erſten, §. 674 den zwei-
ten und im vorigen §. den dritten Gegenſatz (zwiſchen Ner-
ven und Gefaͤßen) nachgewieſen haben, ſo wird nun ferner
im Embryo als vierter Gegenſatz dieſer Bildungen bemerk-
lich: auf der Seite des Nervenſyſtems (animale Sphaͤre)
der zwiſchen Bewegungsorganen (Muskeln und Knochen) und
Sinneswerkzeugen; auf der Seite des Gefaͤßſyſtems (vegeta-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 2. Leipzig, 1820, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie02_1820/45>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.