2) Ist das Verhältniß zu bemerken, in welchem meh- rere Regelwidrigkeiten rücksichtlich der Verbesserung oder Ver- schlimmerung des Gesammtzustandes sich befinden. Zuweilen nämlich können Regelwidrigkeiten zusammentreffen welche sich gegenseitig einander ziemlich aufheben, und so den Geburts- verlauf erleichtern, z. B. übermäßige Größe des Kindes bei einem sehr weiten Becken, eine etwas zu zeitige Geburt bei sehr verengertem Becken, lockere Eihäute bei zu großer Was- seranhäufung u. s. w. -- Allein weit öfterer kommt es noch vor, daß sich Regelwidrigkeiten mit einander verbinden, de- ren Zusammentreffen den Gesammtzustand verschlimmert, z. B. krampfhafte, schlechte Wehen bei engem Becken, Entzün- dung und Krampf, falsche Lage, schwer zu öffnender Mutter- mund, Incarceration der Nachgeburt, mit fester partieller Anheftung der Placenta und innerer Metrorrhagie u. s. w. --
§. 1538.
Was die Behandlung solcher complicirter Fälle be- trifft, so muß der Geburtsarzt vorzüglich erwägen, erstlich, ob die eine Abnormität erst Folge der andern ist, und ob beide einander wechselseitig verschlimmern oder verbessern. Ist das erste der Fall, so wird auf die ursachliche Abnormität die Behandlung zunächst gerichtet seyn müßen, und auf welche Weise überhaupt die specielle Leitung des Falles einzurichten sey, wird sich ergeben, wenn man die für jede besondere Ab- normität nöthige und im Vorigen beschriebene Behandlung be- denkt, und diese Heilregeln für die Individualität des Falles möglichst vereinfacht in Anwendung bringt. Atonie des Ute- rus von zu vielem Fruchtwasser mit Festigkeit der Eihäute z. B., wird durch das künstliche Sprengen der Blase am zweckmäßigsten behandelt; und so wird sich aus hinlänglicher Kenntniß der Behandlung für jede einfache Abnormität, die Behandlung der complicirten Fälle leicht entnehmen lassen.
II. Theil. 34
§. 1537.
2) Iſt das Verhaͤltniß zu bemerken, in welchem meh- rere Regelwidrigkeiten ruͤckſichtlich der Verbeſſerung oder Ver- ſchlimmerung des Geſammtzuſtandes ſich befinden. Zuweilen naͤmlich koͤnnen Regelwidrigkeiten zuſammentreffen welche ſich gegenſeitig einander ziemlich aufheben, und ſo den Geburts- verlauf erleichtern, z. B. uͤbermaͤßige Groͤße des Kindes bei einem ſehr weiten Becken, eine etwas zu zeitige Geburt bei ſehr verengertem Becken, lockere Eihaͤute bei zu großer Waſ- ſeranhaͤufung u. ſ. w. — Allein weit oͤfterer kommt es noch vor, daß ſich Regelwidrigkeiten mit einander verbinden, de- ren Zuſammentreffen den Geſammtzuſtand verſchlimmert, z. B. krampfhafte, ſchlechte Wehen bei engem Becken, Entzuͤn- dung und Krampf, falſche Lage, ſchwer zu oͤffnender Mutter- mund, Incarceration der Nachgeburt, mit feſter partieller Anheftung der Placenta und innerer Metrorrhagie u. ſ. w. —
§. 1538.
Was die Behandlung ſolcher complicirter Faͤlle be- trifft, ſo muß der Geburtsarzt vorzuͤglich erwaͤgen, erſtlich, ob die eine Abnormitaͤt erſt Folge der andern iſt, und ob beide einander wechſelſeitig verſchlimmern oder verbeſſern. Iſt das erſte der Fall, ſo wird auf die urſachliche Abnormitaͤt die Behandlung zunaͤchſt gerichtet ſeyn muͤßen, und auf welche Weiſe uͤberhaupt die ſpecielle Leitung des Falles einzurichten ſey, wird ſich ergeben, wenn man die fuͤr jede beſondere Ab- normitaͤt noͤthige und im Vorigen beſchriebene Behandlung be- denkt, und dieſe Heilregeln fuͤr die Individualitaͤt des Falles moͤglichſt vereinfacht in Anwendung bringt. Atonie des Ute- rus von zu vielem Fruchtwaſſer mit Feſtigkeit der Eihaͤute z. B., wird durch das kuͤnſtliche Sprengen der Blaſe am zweckmaͤßigſten behandelt; und ſo wird ſich aus hinlaͤnglicher Kenntniß der Behandlung fuͤr jede einfache Abnormitaͤt, die Behandlung der complicirten Faͤlle leicht entnehmen laſſen.
II. Theil. 34
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§. 1537.
2) Iſt das Verhaͤltniß zu bemerken, in welchem meh-
rere Regelwidrigkeiten ruͤckſichtlich der Verbeſſerung oder Ver-
ſchlimmerung des Geſammtzuſtandes ſich befinden. Zuweilen
naͤmlich koͤnnen Regelwidrigkeiten zuſammentreffen welche ſich
gegenſeitig einander ziemlich aufheben, und ſo den Geburts-
verlauf erleichtern, z. B. uͤbermaͤßige Groͤße des Kindes bei
einem ſehr weiten Becken, eine etwas zu zeitige Geburt bei
ſehr verengertem Becken, lockere Eihaͤute bei zu großer Waſ-
ſeranhaͤufung u. ſ. w. — Allein weit oͤfterer kommt es noch
vor, daß ſich Regelwidrigkeiten mit einander verbinden, de-
ren Zuſammentreffen den Geſammtzuſtand verſchlimmert, z.
B. krampfhafte, ſchlechte Wehen bei engem Becken, Entzuͤn-
dung und Krampf, falſche Lage, ſchwer zu oͤffnender Mutter-
mund, Incarceration der Nachgeburt, mit feſter partieller
Anheftung der Placenta und innerer Metrorrhagie u. ſ. w. —
§. 1538.
Was die Behandlung ſolcher complicirter Faͤlle be-
trifft, ſo muß der Geburtsarzt vorzuͤglich erwaͤgen, erſtlich, ob
die eine Abnormitaͤt erſt Folge der andern iſt, und ob beide
einander wechſelſeitig verſchlimmern oder verbeſſern. Iſt das
erſte der Fall, ſo wird auf die urſachliche Abnormitaͤt die
Behandlung zunaͤchſt gerichtet ſeyn muͤßen, und auf welche
Weiſe uͤberhaupt die ſpecielle Leitung des Falles einzurichten
ſey, wird ſich ergeben, wenn man die fuͤr jede beſondere Ab-
normitaͤt noͤthige und im Vorigen beſchriebene Behandlung be-
denkt, und dieſe Heilregeln fuͤr die Individualitaͤt des Falles
moͤglichſt vereinfacht in Anwendung bringt. Atonie des Ute-
rus von zu vielem Fruchtwaſſer mit Feſtigkeit der Eihaͤute
z. B., wird durch das kuͤnſtliche Sprengen der Blaſe am
zweckmaͤßigſten behandelt; und ſo wird ſich aus hinlaͤnglicher
Kenntniß der Behandlung fuͤr jede einfache Abnormitaͤt, die
Behandlung der complicirten Faͤlle leicht entnehmen laſſen.
II. Theil. 34
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Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 2. Leipzig, 1820, S. 529. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie02_1820/555>, abgerufen am 22.11.2024.
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