Wird begründet durch abnorme Größe und Derbheit des Zungenbändchens, hindert das Kind am Saugen und später- hin am Sprechen, und wird entdeckt, indem man den geöff- neten Mund des Kindes untersucht und wahrnimmt, daß es weder die Zunge vom Mundhöhlenboden erheben, noch über das Zahnfleisch vorwärts ausstrecken kann. Die Abhülfe ge- schieht durch Einschneiden des Zungenbändchens mittelst einer im Blatt gebogenen Schere, wobei nur darauf zu sehen, daß nicht ein zu tiefer Schnitt Blutungen (welche hier schwer zu stillen sind) oder zu große Beweglichkeit der Zunge veranlasse.
12. Verwachsung des Mastdarms(Atresia ani).
§. 1668.
Sie ist entweder unvollkommen oder vollkommen: im erstern Falle ist die Afteröffnung nur ungewöhnlich klein und enge, und läßt sich dann durch eingebrachte Darmsaiten, Wieken oder selbst durch kleine Einschnitte mehr eröffnen, im letztern Falle ist die Oeffnung völlig verschlossen, und zwar entweder nur durch Haut, oder indem ein Stück des Mast- darms verwachsen ist, ja wohl selbst dieser Kanal an unge- wöhnlichen Stellen einmündet, z. B. in die Harnröhre oder in die Mutterscheide. Diese vollkommnen Verwachsungen wer- den, wenn der Mastdarm in größern Strecken verwachsen ist, oder wenn er in Organe, welche, wie die Harnröhre *), zur Ausleerung des Darmkothes nicht geeignet sind, einmündet, gewöhnlich bald tödtlich, ohne daß hierbei eine Hülfe der Kunst möglich wäre. Blos häutige Verschließungen fordern die Er- öffnung durch das Messer, und die Einbringung von Wieken.
*) Ein merkwürdiges Beispiel dieser Art s. m. bei Wrisberg Com- mentationum med. physiol. act. argum. Vol. I. 149.
II. Theil. 39
11. Angewachſene Zunge(Ankyloglossum).
§. 1667.
Wird begruͤndet durch abnorme Groͤße und Derbheit des Zungenbaͤndchens, hindert das Kind am Saugen und ſpaͤter- hin am Sprechen, und wird entdeckt, indem man den geoͤff- neten Mund des Kindes unterſucht und wahrnimmt, daß es weder die Zunge vom Mundhoͤhlenboden erheben, noch uͤber das Zahnfleiſch vorwaͤrts ausſtrecken kann. Die Abhuͤlfe ge- ſchieht durch Einſchneiden des Zungenbaͤndchens mittelſt einer im Blatt gebogenen Schere, wobei nur darauf zu ſehen, daß nicht ein zu tiefer Schnitt Blutungen (welche hier ſchwer zu ſtillen ſind) oder zu große Beweglichkeit der Zunge veranlaſſe.
12. Verwachſung des Maſtdarms(Atresia ani).
§. 1668.
Sie iſt entweder unvollkommen oder vollkommen: im erſtern Falle iſt die Afteroͤffnung nur ungewoͤhnlich klein und enge, und laͤßt ſich dann durch eingebrachte Darmſaiten, Wieken oder ſelbſt durch kleine Einſchnitte mehr eroͤffnen, im letztern Falle iſt die Oeffnung voͤllig verſchloſſen, und zwar entweder nur durch Haut, oder indem ein Stuͤck des Maſt- darms verwachſen iſt, ja wohl ſelbſt dieſer Kanal an unge- woͤhnlichen Stellen einmuͤndet, z. B. in die Harnroͤhre oder in die Mutterſcheide. Dieſe vollkommnen Verwachſungen wer- den, wenn der Maſtdarm in groͤßern Strecken verwachſen iſt, oder wenn er in Organe, welche, wie die Harnroͤhre *), zur Ausleerung des Darmkothes nicht geeignet ſind, einmuͤndet, gewoͤhnlich bald toͤdtlich, ohne daß hierbei eine Huͤlfe der Kunſt moͤglich waͤre. Blos haͤutige Verſchließungen fordern die Er- oͤffnung durch das Meſſer, und die Einbringung von Wieken.
*) Ein merkwuͤrdiges Beiſpiel dieſer Art ſ. m. bei Wrisberg Com- mentationum med. physiol. act. argum. Vol. I. 149.
II. Theil. 39
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11. Angewachſene Zunge (Ankyloglossum).
§. 1667.
Wird begruͤndet durch abnorme Groͤße und Derbheit des
Zungenbaͤndchens, hindert das Kind am Saugen und ſpaͤter-
hin am Sprechen, und wird entdeckt, indem man den geoͤff-
neten Mund des Kindes unterſucht und wahrnimmt, daß es
weder die Zunge vom Mundhoͤhlenboden erheben, noch uͤber
das Zahnfleiſch vorwaͤrts ausſtrecken kann. Die Abhuͤlfe ge-
ſchieht durch Einſchneiden des Zungenbaͤndchens mittelſt einer
im Blatt gebogenen Schere, wobei nur darauf zu ſehen, daß
nicht ein zu tiefer Schnitt Blutungen (welche hier ſchwer zu
ſtillen ſind) oder zu große Beweglichkeit der Zunge veranlaſſe.
12. Verwachſung des Maſtdarms (Atresia ani).
§. 1668.
Sie iſt entweder unvollkommen oder vollkommen: im
erſtern Falle iſt die Afteroͤffnung nur ungewoͤhnlich klein und
enge, und laͤßt ſich dann durch eingebrachte Darmſaiten,
Wieken oder ſelbſt durch kleine Einſchnitte mehr eroͤffnen, im
letztern Falle iſt die Oeffnung voͤllig verſchloſſen, und zwar
entweder nur durch Haut, oder indem ein Stuͤck des Maſt-
darms verwachſen iſt, ja wohl ſelbſt dieſer Kanal an unge-
woͤhnlichen Stellen einmuͤndet, z. B. in die Harnroͤhre oder
in die Mutterſcheide. Dieſe vollkommnen Verwachſungen wer-
den, wenn der Maſtdarm in groͤßern Strecken verwachſen iſt,
oder wenn er in Organe, welche, wie die Harnroͤhre *), zur
Ausleerung des Darmkothes nicht geeignet ſind, einmuͤndet,
gewoͤhnlich bald toͤdtlich, ohne daß hierbei eine Huͤlfe der Kunſt
moͤglich waͤre. Blos haͤutige Verſchließungen fordern die Er-
oͤffnung durch das Meſſer, und die Einbringung von Wieken.
*) Ein merkwuͤrdiges Beiſpiel dieſer Art ſ. m. bei Wrisberg Com-
mentationum med. physiol. act. argum. Vol. I. 149.
II. Theil. 39
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Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 2. Leipzig, 1820, S. 609. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie02_1820/635>, abgerufen am 22.11.2024.
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