Hunter'sche Haut (Membrana decidua Hunteri) auf- geführt hat, und noch zuweilen bemerkt, daß Theile derselben bei unzeitigen Geburten an den Flocken der Lederhaut hängen bleiben, und mit dieser geboren werden *)
§. 747.
Fragt man nun wie durch diese Flocken wohl die Wech- selwirkung zwischen Uterus und Frucht bewirkt werde? so darf man sich darüber, alles erwogen, folgende Vorstellung machen: Die Erweiterung der Venenzellen des Uterus im Innern seiner Substanz eröffnet auch die Venenmündungen, welche an der innern Fläche außer der Schwangerschaft nur als kleine Oeffnungen, zum Durchlassen des venösen monatlichen Blutes geeignet, erscheinen; diese Venenmündungen aber werden zum Theil durch die gebildete flockige Pseudomembran wieder ge- schlossen, und scheinen nur denjenigen lymphatischen Theil des Blutes, welcher zur Ernährung der Frucht bestimmt ist, hindurchzulassen. Untersucht man daher (was von mir im frisch geöffneten dreimonatlich, fünfmonatlich und zehnmonat- lich schwangern menschlichen Uterus geschehen ist) die Struk- tur der Gebärmutterwände mittelst einer in die Venenzellen eingebrachten Sonde, so wird man sich leicht überzeugen können, wie durch mehrere beträchtlich weite Venenöffnungen die Sonde auf der innern Fläche zum Vorschein kommt und leicht die flockige Haut durchdringt, ja injicirt man die Ve- nen eines solchen Uterus mit Wachsmasse, so findet man immer große Extravasate geronnenen Wachses zwischen Uterus und Placenta. -- Man darf sich daher hier nicht von dem Uterus der meisten Säugthiere, welcher bei seiner dünnhäuti- gen mehr darmartigen Struktur ein anderes Verhältniß und zwar eine wahre Sekretion durch Gefäßbüschelchen auf der innern Fläche, aber keinesweges so erweiterte Venenzellen und Mündungen zeigt, verleiten lassen, auf etwas ähnli-
*) Daß übrigens diese Flockenhaut nicht zum Ei gehört, beweist der Umstand, daß sie auch bei Schwangerschaften außer der Gebär- mutter im Uterus sich bildet.
II. Theil. 5
Hunter’ſche Haut (Membrana decidua Hunteri) auf- gefuͤhrt hat, und noch zuweilen bemerkt, daß Theile derſelben bei unzeitigen Geburten an den Flocken der Lederhaut haͤngen bleiben, und mit dieſer geboren werden *)
§. 747.
Fragt man nun wie durch dieſe Flocken wohl die Wech- ſelwirkung zwiſchen Uterus und Frucht bewirkt werde? ſo darf man ſich daruͤber, alles erwogen, folgende Vorſtellung machen: Die Erweiterung der Venenzellen des Uterus im Innern ſeiner Subſtanz eroͤffnet auch die Venenmuͤndungen, welche an der innern Flaͤche außer der Schwangerſchaft nur als kleine Oeffnungen, zum Durchlaſſen des venoͤſen monatlichen Blutes geeignet, erſcheinen; dieſe Venenmuͤndungen aber werden zum Theil durch die gebildete flockige Pſeudomembran wieder ge- ſchloſſen, und ſcheinen nur denjenigen lymphatiſchen Theil des Blutes, welcher zur Ernaͤhrung der Frucht beſtimmt iſt, hindurchzulaſſen. Unterſucht man daher (was von mir im friſch geoͤffneten dreimonatlich, fuͤnfmonatlich und zehnmonat- lich ſchwangern menſchlichen Uterus geſchehen iſt) die Struk- tur der Gebaͤrmutterwaͤnde mittelſt einer in die Venenzellen eingebrachten Sonde, ſo wird man ſich leicht uͤberzeugen koͤnnen, wie durch mehrere betraͤchtlich weite Venenoͤffnungen die Sonde auf der innern Flaͤche zum Vorſchein kommt und leicht die flockige Haut durchdringt, ja injicirt man die Ve- nen eines ſolchen Uterus mit Wachsmaſſe, ſo findet man immer große Extravaſate geronnenen Wachſes zwiſchen Uterus und Placenta. — Man darf ſich daher hier nicht von dem Uterus der meiſten Saͤugthiere, welcher bei ſeiner duͤnnhaͤuti- gen mehr darmartigen Struktur ein anderes Verhaͤltniß und zwar eine wahre Sekretion durch Gefaͤßbuͤſchelchen auf der innern Flaͤche, aber keinesweges ſo erweiterte Venenzellen und Muͤndungen zeigt, verleiten laſſen, auf etwas aͤhnli-
*) Daß uͤbrigens dieſe Flockenhaut nicht zum Ei gehoͤrt, beweiſt der Umſtand, daß ſie auch bei Schwangerſchaften außer der Gebaͤr- mutter im Uterus ſich bildet.
II. Theil. 5
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><divn="6"><divn="7"><divn="8"><p><hirendition="#g"><pbfacs="#f0087"n="65"/>
Hunter’ſche</hi> Haut (<hirendition="#aq">Membrana decidua Hunteri</hi>) auf-<lb/>
gefuͤhrt hat, und noch zuweilen bemerkt, daß Theile derſelben<lb/>
bei unzeitigen Geburten an den Flocken der Lederhaut haͤngen<lb/>
bleiben, und mit dieſer geboren werden <noteplace="foot"n="*)">Daß uͤbrigens dieſe Flockenhaut nicht zum Ei gehoͤrt, beweiſt der<lb/>
Umſtand, daß ſie auch bei Schwangerſchaften <hirendition="#g">außer</hi> der Gebaͤr-<lb/>
mutter im Uterus ſich bildet.</note></p></div><lb/><divn="8"><head>§. 747.</head><lb/><p>Fragt man nun wie durch dieſe Flocken wohl die Wech-<lb/>ſelwirkung zwiſchen Uterus und Frucht bewirkt werde? ſo<lb/>
darf man ſich daruͤber, alles erwogen, folgende Vorſtellung<lb/>
machen: Die Erweiterung der Venenzellen des Uterus im Innern<lb/>ſeiner Subſtanz eroͤffnet auch die Venenmuͤndungen, welche<lb/>
an der innern Flaͤche außer der Schwangerſchaft nur als<lb/>
kleine Oeffnungen, zum Durchlaſſen des venoͤſen monatlichen<lb/>
Blutes geeignet, erſcheinen; dieſe Venenmuͤndungen aber werden<lb/>
zum Theil durch die gebildete flockige Pſeudomembran wieder ge-<lb/>ſchloſſen, und ſcheinen nur denjenigen lymphatiſchen Theil<lb/>
des Blutes, welcher zur Ernaͤhrung der Frucht beſtimmt iſt,<lb/>
hindurchzulaſſen. Unterſucht man daher (was von mir im<lb/>
friſch geoͤffneten dreimonatlich, fuͤnfmonatlich und zehnmonat-<lb/>
lich ſchwangern menſchlichen Uterus geſchehen iſt) die Struk-<lb/>
tur der Gebaͤrmutterwaͤnde mittelſt einer in die Venenzellen<lb/>
eingebrachten Sonde, ſo wird man ſich leicht uͤberzeugen<lb/>
koͤnnen, wie durch mehrere betraͤchtlich weite Venenoͤffnungen<lb/>
die Sonde auf der innern Flaͤche zum Vorſchein kommt und<lb/>
leicht die flockige Haut durchdringt, ja injicirt man die Ve-<lb/>
nen eines ſolchen Uterus mit Wachsmaſſe, ſo findet man<lb/>
immer große Extravaſate geronnenen Wachſes zwiſchen Uterus<lb/>
und Placenta. — Man darf ſich daher hier nicht von dem<lb/>
Uterus der meiſten Saͤugthiere, welcher bei ſeiner duͤnnhaͤuti-<lb/>
gen mehr darmartigen Struktur ein anderes Verhaͤltniß und<lb/>
zwar eine wahre Sekretion durch Gefaͤßbuͤſchelchen auf der<lb/>
innern Flaͤche, aber keinesweges ſo erweiterte Venenzellen<lb/>
und Muͤndungen zeigt, verleiten laſſen, auf etwas aͤhnli-<lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#aq">II.</hi> Theil. 5</fw><lb/></p></div></div></div></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[65/0087]
Hunter’ſche Haut (Membrana decidua Hunteri) auf-
gefuͤhrt hat, und noch zuweilen bemerkt, daß Theile derſelben
bei unzeitigen Geburten an den Flocken der Lederhaut haͤngen
bleiben, und mit dieſer geboren werden *)
§. 747.
Fragt man nun wie durch dieſe Flocken wohl die Wech-
ſelwirkung zwiſchen Uterus und Frucht bewirkt werde? ſo
darf man ſich daruͤber, alles erwogen, folgende Vorſtellung
machen: Die Erweiterung der Venenzellen des Uterus im Innern
ſeiner Subſtanz eroͤffnet auch die Venenmuͤndungen, welche
an der innern Flaͤche außer der Schwangerſchaft nur als
kleine Oeffnungen, zum Durchlaſſen des venoͤſen monatlichen
Blutes geeignet, erſcheinen; dieſe Venenmuͤndungen aber werden
zum Theil durch die gebildete flockige Pſeudomembran wieder ge-
ſchloſſen, und ſcheinen nur denjenigen lymphatiſchen Theil
des Blutes, welcher zur Ernaͤhrung der Frucht beſtimmt iſt,
hindurchzulaſſen. Unterſucht man daher (was von mir im
friſch geoͤffneten dreimonatlich, fuͤnfmonatlich und zehnmonat-
lich ſchwangern menſchlichen Uterus geſchehen iſt) die Struk-
tur der Gebaͤrmutterwaͤnde mittelſt einer in die Venenzellen
eingebrachten Sonde, ſo wird man ſich leicht uͤberzeugen
koͤnnen, wie durch mehrere betraͤchtlich weite Venenoͤffnungen
die Sonde auf der innern Flaͤche zum Vorſchein kommt und
leicht die flockige Haut durchdringt, ja injicirt man die Ve-
nen eines ſolchen Uterus mit Wachsmaſſe, ſo findet man
immer große Extravaſate geronnenen Wachſes zwiſchen Uterus
und Placenta. — Man darf ſich daher hier nicht von dem
Uterus der meiſten Saͤugthiere, welcher bei ſeiner duͤnnhaͤuti-
gen mehr darmartigen Struktur ein anderes Verhaͤltniß und
zwar eine wahre Sekretion durch Gefaͤßbuͤſchelchen auf der
innern Flaͤche, aber keinesweges ſo erweiterte Venenzellen
und Muͤndungen zeigt, verleiten laſſen, auf etwas aͤhnli-
*) Daß uͤbrigens dieſe Flockenhaut nicht zum Ei gehoͤrt, beweiſt der
Umſtand, daß ſie auch bei Schwangerſchaften außer der Gebaͤr-
mutter im Uterus ſich bildet.
II. Theil. 5
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 2. Leipzig, 1820, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie02_1820/87>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.