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Carus, Carl Gustav: Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte der Seele. Pforzheim, 1846.

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Bestimmung des obigen Satzes, vermöge dessen das Hirn
überhaupt als Organ der höhern Offenbarung der Seele
zu betrachten war, hinzufügen: 1, im Hirn selbst bestehe
wieder ein Unterschied der zellenförmigen Ursubstanz und
der, theils vom übrigen Nervensystem ein- und austretenden,
theils zwischen verschiedenen Hirngebilden die Verbindung
herstellenden Fasersubstanz. 2, da die Strömung
der Innervation nur an der Fasersubstanz er¬
folgt
und dort als centripetale die Empfindungen, und
als centrifugale die Reactionen bestimmt, so ist der vom
Nervensystem ein- und austretenden Fasersubstanz des Ge¬
hirns allein, theils die Zuführung neuer Vorstellungen
zum Bewußtsein, theils das Ausgehen irgend welcher Reac¬
tionen vom Bewußtsein nach Außen, als Bedingung zuzu¬
schreiben. Denken wir diese Fasersubstanz abgetrennt, so
würde unmöglich der Geist neue Vorstellungen erhalten,
noch eine innere Erregung irgendwie nach Außen kund ge¬
ben können, und die Möglichkeit eigner weiterer Ausbildung
des Geistes würde hiemit sogleich gänzlich aufgehoben sein.
Ja man kann diesem Satze mit aller Schärfe eines physi¬
kalischen Experiments nachgehen: Z. B. irgend eine Ver¬
letzung zerstört beide Sehnerven, und von diesem Moment
an erhält das bewußte Seelenleben keine neue irgend auf
Lichtwirkung bezügliche Vorstellung; andererseits werden
etwa Nerven zerstört, welche zu Muskeln oder zu Stimm¬
werkzeugen sich verbreiten, und von diesem Augenblick an
hat die bewußte Seele nicht mehr die Macht nach diesen
Seiten des Organismus durch Reactionen sich zu bethä¬
tigen, u. s. w. 3, die ursprüngliche Substanz des
Nervensystems und des Gehirns ist überall die der Urbläs¬
chen, Urzellen -- im kleinen Embryo gibt es noch keine
Art von Primitivfasern des Nervensystems, alles ist nur
Bläschen- oder Zellbildung. Diese Substanz ist es also
auch, in welcher das, was wir die eigenthümliche Hand¬
lung des Nervensystems nennen -- die Innervation -- ur¬

Beſtimmung des obigen Satzes, vermöge deſſen das Hirn
überhaupt als Organ der höhern Offenbarung der Seele
zu betrachten war, hinzufügen: 1, im Hirn ſelbſt beſtehe
wieder ein Unterſchied der zellenförmigen Urſubſtanz und
der, theils vom übrigen Nervenſyſtem ein- und austretenden,
theils zwiſchen verſchiedenen Hirngebilden die Verbindung
herſtellenden Faſerſubſtanz. 2, da die Strömung
der Innervation nur an der Faſerſubſtanz er¬
folgt
und dort als centripetale die Empfindungen, und
als centrifugale die Reactionen beſtimmt, ſo iſt der vom
Nervenſyſtem ein- und austretenden Faſerſubſtanz des Ge¬
hirns allein, theils die Zuführung neuer Vorſtellungen
zum Bewußtſein, theils das Ausgehen irgend welcher Reac¬
tionen vom Bewußtſein nach Außen, als Bedingung zuzu¬
ſchreiben. Denken wir dieſe Faſerſubſtanz abgetrennt, ſo
würde unmöglich der Geiſt neue Vorſtellungen erhalten,
noch eine innere Erregung irgendwie nach Außen kund ge¬
ben können, und die Möglichkeit eigner weiterer Ausbildung
des Geiſtes würde hiemit ſogleich gänzlich aufgehoben ſein.
Ja man kann dieſem Satze mit aller Schärfe eines phyſi¬
kaliſchen Experiments nachgehen: Z. B. irgend eine Ver¬
letzung zerſtört beide Sehnerven, und von dieſem Moment
an erhält das bewußte Seelenleben keine neue irgend auf
Lichtwirkung bezügliche Vorſtellung; andererſeits werden
etwa Nerven zerſtört, welche zu Muskeln oder zu Stimm¬
werkzeugen ſich verbreiten, und von dieſem Augenblick an
hat die bewußte Seele nicht mehr die Macht nach dieſen
Seiten des Organismus durch Reactionen ſich zu bethä¬
tigen, u. ſ. w. 3, die urſprüngliche Subſtanz des
Nervenſyſtems und des Gehirns iſt überall die der Urbläs¬
chen, Urzellen — im kleinen Embryo gibt es noch keine
Art von Primitivfaſern des Nervenſyſtems, alles iſt nur
Bläschen- oder Zellbildung. Dieſe Subſtanz iſt es alſo
auch, in welcher das, was wir die eigenthümliche Hand¬
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[179/0195] Beſtimmung des obigen Satzes, vermöge deſſen das Hirn überhaupt als Organ der höhern Offenbarung der Seele zu betrachten war, hinzufügen: 1, im Hirn ſelbſt beſtehe wieder ein Unterſchied der zellenförmigen Urſubſtanz und der, theils vom übrigen Nervenſyſtem ein- und austretenden, theils zwiſchen verſchiedenen Hirngebilden die Verbindung herſtellenden Faſerſubſtanz. 2, da die Strömung der Innervation nur an der Faſerſubſtanz er¬ folgt und dort als centripetale die Empfindungen, und als centrifugale die Reactionen beſtimmt, ſo iſt der vom Nervenſyſtem ein- und austretenden Faſerſubſtanz des Ge¬ hirns allein, theils die Zuführung neuer Vorſtellungen zum Bewußtſein, theils das Ausgehen irgend welcher Reac¬ tionen vom Bewußtſein nach Außen, als Bedingung zuzu¬ ſchreiben. Denken wir dieſe Faſerſubſtanz abgetrennt, ſo würde unmöglich der Geiſt neue Vorſtellungen erhalten, noch eine innere Erregung irgendwie nach Außen kund ge¬ ben können, und die Möglichkeit eigner weiterer Ausbildung des Geiſtes würde hiemit ſogleich gänzlich aufgehoben ſein. Ja man kann dieſem Satze mit aller Schärfe eines phyſi¬ kaliſchen Experiments nachgehen: Z. B. irgend eine Ver¬ letzung zerſtört beide Sehnerven, und von dieſem Moment an erhält das bewußte Seelenleben keine neue irgend auf Lichtwirkung bezügliche Vorſtellung; andererſeits werden etwa Nerven zerſtört, welche zu Muskeln oder zu Stimm¬ werkzeugen ſich verbreiten, und von dieſem Augenblick an hat die bewußte Seele nicht mehr die Macht nach dieſen Seiten des Organismus durch Reactionen ſich zu bethä¬ tigen, u. ſ. w. 3, die urſprüngliche Subſtanz des Nervenſyſtems und des Gehirns iſt überall die der Urbläs¬ chen, Urzellen — im kleinen Embryo gibt es noch keine Art von Primitivfaſern des Nervenſyſtems, alles iſt nur Bläschen- oder Zellbildung. Dieſe Subſtanz iſt es alſo auch, in welcher das, was wir die eigenthümliche Hand¬ lung des Nervenſyſtems nennen — die Innervation — ur¬

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Zitationshilfe: Carus, Carl Gustav: Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte der Seele. Pforzheim, 1846, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_psyche_1846/195>, abgerufen am 24.11.2024.