Verschiedenheit des Vorstellungslebens in ver¬ schiedenen Seelen, wird und muß sich daher auch namentlich in der verschiedenen Anordnung und Masse dieser Substanzen des Gehirns be¬ dingt finden. Anzuerkennen ist übrigens, daß nicht bloß Fasersubstanz im Gehirn sei, welche Fortsetzung äuße¬ rer Nervenstrahlung ist, sondern daß auch Fasersubstanz und zwar bedeutende, im ausgebildeten Hirn sich finde, welche dem Hirn selbst angehört und in den mannichfaltigsten Strahlungen die Verbindungen (Commissurae) herstellt, zwischen den verschiedensten Anhäufungen der primitiven Zellsubstanz. Noch kein Experiment hat hier nachweisen können, daß auch an diesen Fasern Strömungen der In¬ nervation vorhanden seien; aber, wenn entschieden ausge¬ macht ist, was die psychische Bedeutung der Bläschenmasse, und was die der Fasermasse als Fortsetzung der Nerven sei, so kann eigentlich durchaus kein Zweifel darüber ob¬ walten: daß nämlich in der Fasermasse der Com¬ missuren die psychische Bedeutung nur gegeben sei als organische Bedingung der tausendfäl¬ tigen Beziehungen und Verbindungen vorhan¬ dener Vorstellungen unter sich.
Hiemit wäre denn mindestens die psychische Bedeutung der drei wesentlichen Substanzen des Gehirns mit entschie¬ dener Gewißheit nachgewiesen!
Dadurch also daß in Folge unbewußten Wirkens der Idee die bläschenförmige Ursubstanz des Gehirns und die Fasersubstanz desselben entsteht, dadurch daß fortwährend an diesen Gebilden durch ihre Wechselwirkung mit dem sie rastlos durchziehenden Blute und den aus diesem ausge¬ schiedenen Bildungssäften, jene geheimnißvolle Potenz sich entwickelt, welche wir Innervation und Innervationsströ¬ mung nennen -- dadurch ist fortwährend, als durch ein Unbewußtes, das höhere bewußte Seelen¬ leben bedingt, und es kann nicht irgend eine dieser
Verſchiedenheit des Vorſtellungslebens in ver¬ ſchiedenen Seelen, wird und muß ſich daher auch namentlich in der verſchiedenen Anordnung und Maſſe dieſer Subſtanzen des Gehirns be¬ dingt finden. Anzuerkennen iſt übrigens, daß nicht bloß Faſerſubſtanz im Gehirn ſei, welche Fortſetzung äuße¬ rer Nervenſtrahlung iſt, ſondern daß auch Faſerſubſtanz und zwar bedeutende, im ausgebildeten Hirn ſich finde, welche dem Hirn ſelbſt angehört und in den mannichfaltigſten Strahlungen die Verbindungen (Commissurae) herſtellt, zwiſchen den verſchiedenſten Anhäufungen der primitiven Zellſubſtanz. Noch kein Experiment hat hier nachweiſen können, daß auch an dieſen Faſern Strömungen der In¬ nervation vorhanden ſeien; aber, wenn entſchieden ausge¬ macht iſt, was die pſychiſche Bedeutung der Bläschenmaſſe, und was die der Faſermaſſe als Fortſetzung der Nerven ſei, ſo kann eigentlich durchaus kein Zweifel darüber ob¬ walten: daß nämlich in der Faſermaſſe der Com¬ miſſuren die pſychiſche Bedeutung nur gegeben ſei als organiſche Bedingung der tauſendfäl¬ tigen Beziehungen und Verbindungen vorhan¬ dener Vorſtellungen unter ſich.
Hiemit wäre denn mindeſtens die pſychiſche Bedeutung der drei weſentlichen Subſtanzen des Gehirns mit entſchie¬ dener Gewißheit nachgewieſen!
Dadurch alſo daß in Folge unbewußten Wirkens der Idee die bläschenförmige Urſubſtanz des Gehirns und die Faſerſubſtanz deſſelben entſteht, dadurch daß fortwährend an dieſen Gebilden durch ihre Wechſelwirkung mit dem ſie raſtlos durchziehenden Blute und den aus dieſem ausge¬ ſchiedenen Bildungsſäften, jene geheimnißvolle Potenz ſich entwickelt, welche wir Innervation und Innervationsſtrö¬ mung nennen — dadurch iſt fortwährend, als durch ein Unbewußtes, das höhere bewußte Seelen¬ leben bedingt, und es kann nicht irgend eine dieſer
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><hirendition="#g"><pbfacs="#f0197"n="181"/>
Verſchiedenheit des Vorſtellungslebens in ver¬<lb/>ſchiedenen Seelen</hi>, <hirendition="#g">wird und muß ſich daher<lb/>
auch namentlich in der verſchiedenen Anordnung<lb/>
und Maſſe dieſer Subſtanzen des Gehirns be¬<lb/>
dingt finden</hi>. Anzuerkennen iſt übrigens, daß nicht<lb/>
bloß Faſerſubſtanz im Gehirn ſei, welche Fortſetzung äuße¬<lb/>
rer Nervenſtrahlung iſt, ſondern daß auch Faſerſubſtanz und<lb/>
zwar bedeutende, im ausgebildeten Hirn ſich finde, welche<lb/>
dem Hirn ſelbſt angehört und in den mannichfaltigſten<lb/>
Strahlungen die Verbindungen (<hirendition="#aq">Commissurae</hi>) herſtellt,<lb/>
zwiſchen den verſchiedenſten Anhäufungen der primitiven<lb/>
Zellſubſtanz. Noch kein Experiment hat hier nachweiſen<lb/>
können, daß auch an dieſen Faſern Strömungen der In¬<lb/>
nervation vorhanden ſeien; aber, wenn entſchieden ausge¬<lb/>
macht iſt, was die pſychiſche Bedeutung der Bläschenmaſſe,<lb/>
und was die der Faſermaſſe als Fortſetzung der Nerven<lb/>ſei, ſo kann eigentlich durchaus kein Zweifel darüber ob¬<lb/>
walten: <hirendition="#g">daß nämlich in der Faſermaſſe der Com¬<lb/>
miſſuren die pſychiſche Bedeutung nur gegeben<lb/>ſei als organiſche Bedingung der tauſendfäl¬<lb/>
tigen Beziehungen und Verbindungen vorhan¬<lb/>
dener Vorſtellungen unter ſich</hi>.</p><lb/><p>Hiemit wäre denn mindeſtens die pſychiſche Bedeutung<lb/>
der drei weſentlichen Subſtanzen des Gehirns mit entſchie¬<lb/>
dener Gewißheit nachgewieſen!</p><lb/><p>Dadurch alſo daß in Folge unbewußten Wirkens der<lb/>
Idee die bläschenförmige Urſubſtanz des Gehirns und die<lb/>
Faſerſubſtanz deſſelben entſteht, dadurch daß fortwährend<lb/>
an dieſen Gebilden durch ihre Wechſelwirkung mit dem ſie<lb/>
raſtlos durchziehenden Blute und den aus dieſem ausge¬<lb/>ſchiedenen Bildungsſäften, jene geheimnißvolle Potenz ſich<lb/>
entwickelt, welche wir Innervation und Innervationsſtrö¬<lb/>
mung nennen —<hirendition="#g">dadurch iſt fortwährend</hi>, <hirendition="#g">als durch<lb/>
ein Unbewußtes</hi>, <hirendition="#g">das höhere bewußte Seelen¬<lb/>
leben bedingt</hi>, und es kann nicht irgend eine dieſer<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[181/0197]
Verſchiedenheit des Vorſtellungslebens in ver¬
ſchiedenen Seelen, wird und muß ſich daher
auch namentlich in der verſchiedenen Anordnung
und Maſſe dieſer Subſtanzen des Gehirns be¬
dingt finden. Anzuerkennen iſt übrigens, daß nicht
bloß Faſerſubſtanz im Gehirn ſei, welche Fortſetzung äuße¬
rer Nervenſtrahlung iſt, ſondern daß auch Faſerſubſtanz und
zwar bedeutende, im ausgebildeten Hirn ſich finde, welche
dem Hirn ſelbſt angehört und in den mannichfaltigſten
Strahlungen die Verbindungen (Commissurae) herſtellt,
zwiſchen den verſchiedenſten Anhäufungen der primitiven
Zellſubſtanz. Noch kein Experiment hat hier nachweiſen
können, daß auch an dieſen Faſern Strömungen der In¬
nervation vorhanden ſeien; aber, wenn entſchieden ausge¬
macht iſt, was die pſychiſche Bedeutung der Bläschenmaſſe,
und was die der Faſermaſſe als Fortſetzung der Nerven
ſei, ſo kann eigentlich durchaus kein Zweifel darüber ob¬
walten: daß nämlich in der Faſermaſſe der Com¬
miſſuren die pſychiſche Bedeutung nur gegeben
ſei als organiſche Bedingung der tauſendfäl¬
tigen Beziehungen und Verbindungen vorhan¬
dener Vorſtellungen unter ſich.
Hiemit wäre denn mindeſtens die pſychiſche Bedeutung
der drei weſentlichen Subſtanzen des Gehirns mit entſchie¬
dener Gewißheit nachgewieſen!
Dadurch alſo daß in Folge unbewußten Wirkens der
Idee die bläschenförmige Urſubſtanz des Gehirns und die
Faſerſubſtanz deſſelben entſteht, dadurch daß fortwährend
an dieſen Gebilden durch ihre Wechſelwirkung mit dem ſie
raſtlos durchziehenden Blute und den aus dieſem ausge¬
ſchiedenen Bildungsſäften, jene geheimnißvolle Potenz ſich
entwickelt, welche wir Innervation und Innervationsſtrö¬
mung nennen — dadurch iſt fortwährend, als durch
ein Unbewußtes, das höhere bewußte Seelen¬
leben bedingt, und es kann nicht irgend eine dieſer
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Carus, Carl Gustav: Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte der Seele. Pforzheim, 1846, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_psyche_1846/197>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.