bilde des Skeleton die ursprüngliche Gliederung des eingeschlossenen hohen Nervengebildes fest, und immerfort stellt sich die ursprüngliche mehr gleichgetheilte Dreifaltigkeit des Hirns in den ziemlich gleich großen drei Wirbeln des Schädels dar, nur daß letztere zu der einen Schädelhöhle verwachsen, so wie die Hirnmassen durch die einigende ver¬ bindende Faserbildung immer mehr synthetisch zu einer Ein¬ heit verschmelzen. Wie aber in den Verhältnissen der drei Hirnmassen unter einander bei einzelnen Individuen vom Anfange an unendliche Variationen und Abweichungen ge¬ setzt sind, so auch variirt schon bei höhern Thieren einer Gattung, am meisten aber beim Menschen zwischen mehrern Individuen das Verhältniß der drei Kopfwirbel unter sich und zum ganzen Organismus unendlich, und deutet da¬ durch ebenfalls auf die unendlichen Varietäten, deren die menschliche Persönlichkeit fähig ist und fähig sein muß, damit eben erst in allen diesen Ver¬ schiedenheiten die hohe Bedeutung des Mikrokosmus der Menschheit sich vollkommen darleben könne.
Nothwendig muß uns also nun jeder dieser drei knöcher¬ nen Wirbel zum Symbol werden, an welchem sich allezeit die Besonderheit der von ihm ursprünglich allein umschlosse¬ nen Hirnmasse verräth, und mittelbar also auch zum Symbol für den Strahl des Seelenlebens, der gerade in diesem Hirngebilde ursprünglich organisch sich darstellte. Nehmen wir Tausende von menschlichen Schädeln, so wird nie und nirgends die Bildung aller dieser einzelnen Ver¬ hältnisse der Wirbel vollkommen gleich sein, vielmehr werden allemal die drei großen Wirbel gegen einander irgend wie anders beschaffen erscheinen, wie denn auch jede geistige Individualität von der andern sich wesentlich unterscheiden muß. Freilich sind diese Verschiedenheiten des Symbols wie die des Wesens hier oft sehr fein, und wenn wir ver¬ suchen, diese Abweichungen der Schädelwirbel in Maßen auszudrücken, so kann immer nur von einer Schätzung en
bilde des Skeleton die urſprüngliche Gliederung des eingeſchloſſenen hohen Nervengebildes feſt, und immerfort ſtellt ſich die urſprüngliche mehr gleichgetheilte Dreifaltigkeit des Hirns in den ziemlich gleich großen drei Wirbeln des Schädels dar, nur daß letztere zu der einen Schädelhöhle verwachſen, ſo wie die Hirnmaſſen durch die einigende ver¬ bindende Faſerbildung immer mehr ſynthetiſch zu einer Ein¬ heit verſchmelzen. Wie aber in den Verhältniſſen der drei Hirnmaſſen unter einander bei einzelnen Individuen vom Anfange an unendliche Variationen und Abweichungen ge¬ ſetzt ſind, ſo auch variirt ſchon bei höhern Thieren einer Gattung, am meiſten aber beim Menſchen zwiſchen mehrern Individuen das Verhältniß der drei Kopfwirbel unter ſich und zum ganzen Organismus unendlich, und deutet da¬ durch ebenfalls auf die unendlichen Varietäten, deren die menſchliche Perſönlichkeit fähig iſt und fähig ſein muß, damit eben erſt in allen dieſen Ver¬ ſchiedenheiten die hohe Bedeutung des Mikrokosmus der Menſchheit ſich vollkommen darleben könne.
Nothwendig muß uns alſo nun jeder dieſer drei knöcher¬ nen Wirbel zum Symbol werden, an welchem ſich allezeit die Beſonderheit der von ihm urſprünglich allein umſchloſſe¬ nen Hirnmaſſe verräth, und mittelbar alſo auch zum Symbol für den Strahl des Seelenlebens, der gerade in dieſem Hirngebilde urſprünglich organiſch ſich darſtellte. Nehmen wir Tauſende von menſchlichen Schädeln, ſo wird nie und nirgends die Bildung aller dieſer einzelnen Ver¬ hältniſſe der Wirbel vollkommen gleich ſein, vielmehr werden allemal die drei großen Wirbel gegen einander irgend wie anders beſchaffen erſcheinen, wie denn auch jede geiſtige Individualität von der andern ſich weſentlich unterſcheiden muß. Freilich ſind dieſe Verſchiedenheiten des Symbols wie die des Weſens hier oft ſehr fein, und wenn wir ver¬ ſuchen, dieſe Abweichungen der Schädelwirbel in Maßen auszudrücken, ſo kann immer nur von einer Schätzung en
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0206"n="190"/>
bilde des Skeleton die <hirendition="#g">urſprüngliche</hi> Gliederung des<lb/>
eingeſchloſſenen hohen Nervengebildes feſt, und immerfort<lb/>ſtellt ſich die urſprüngliche mehr gleichgetheilte Dreifaltigkeit<lb/>
des Hirns in den ziemlich gleich großen drei Wirbeln des<lb/>
Schädels dar, nur daß letztere zu der <hirendition="#g">einen</hi> Schädelhöhle<lb/>
verwachſen, ſo wie die Hirnmaſſen durch die einigende ver¬<lb/>
bindende Faſerbildung immer mehr ſynthetiſch zu einer Ein¬<lb/>
heit verſchmelzen. Wie aber in den Verhältniſſen der drei<lb/>
Hirnmaſſen unter einander bei einzelnen Individuen vom<lb/>
Anfange an unendliche Variationen und Abweichungen ge¬<lb/>ſetzt ſind, ſo auch variirt ſchon bei höhern Thieren <hirendition="#g">einer</hi><lb/>
Gattung, am meiſten aber beim Menſchen zwiſchen mehrern<lb/>
Individuen das Verhältniß der drei Kopfwirbel unter ſich<lb/>
und zum ganzen Organismus unendlich, und deutet da¬<lb/>
durch ebenfalls <hirendition="#g">auf die unendlichen Varietäten</hi>,<lb/><hirendition="#g">deren die menſchliche Perſönlichkeit fähig iſt</hi><lb/>
und fähig ſein muß, damit eben erſt in allen dieſen Ver¬<lb/>ſchiedenheiten die hohe Bedeutung des Mikrokosmus der<lb/>
Menſchheit ſich vollkommen darleben könne.</p><lb/><p>Nothwendig muß uns alſo nun jeder dieſer drei knöcher¬<lb/>
nen Wirbel zum Symbol werden, an welchem ſich allezeit<lb/>
die Beſonderheit der von ihm urſprünglich allein umſchloſſe¬<lb/>
nen Hirnmaſſe verräth, und <hirendition="#g">mittelbar alſo</hi> auch zum<lb/>
Symbol für <hirendition="#g">den</hi> Strahl des Seelenlebens, der gerade<lb/>
in dieſem Hirngebilde urſprünglich organiſch ſich darſtellte.<lb/>
Nehmen wir Tauſende von menſchlichen Schädeln, ſo wird<lb/>
nie und nirgends die Bildung aller dieſer einzelnen Ver¬<lb/>
hältniſſe der Wirbel vollkommen gleich ſein, vielmehr werden<lb/>
allemal die drei großen Wirbel gegen einander irgend wie<lb/>
anders beſchaffen erſcheinen, wie denn auch jede geiſtige<lb/>
Individualität von der andern ſich weſentlich unterſcheiden<lb/>
muß. Freilich ſind dieſe Verſchiedenheiten des Symbols<lb/>
wie die des Weſens hier oft ſehr fein, und wenn wir ver¬<lb/>ſuchen, dieſe Abweichungen der Schädelwirbel in Maßen<lb/>
auszudrücken, ſo kann immer nur von einer Schätzung <hirendition="#aq">en<lb/></hi></p></div></div></body></text></TEI>
[190/0206]
bilde des Skeleton die urſprüngliche Gliederung des
eingeſchloſſenen hohen Nervengebildes feſt, und immerfort
ſtellt ſich die urſprüngliche mehr gleichgetheilte Dreifaltigkeit
des Hirns in den ziemlich gleich großen drei Wirbeln des
Schädels dar, nur daß letztere zu der einen Schädelhöhle
verwachſen, ſo wie die Hirnmaſſen durch die einigende ver¬
bindende Faſerbildung immer mehr ſynthetiſch zu einer Ein¬
heit verſchmelzen. Wie aber in den Verhältniſſen der drei
Hirnmaſſen unter einander bei einzelnen Individuen vom
Anfange an unendliche Variationen und Abweichungen ge¬
ſetzt ſind, ſo auch variirt ſchon bei höhern Thieren einer
Gattung, am meiſten aber beim Menſchen zwiſchen mehrern
Individuen das Verhältniß der drei Kopfwirbel unter ſich
und zum ganzen Organismus unendlich, und deutet da¬
durch ebenfalls auf die unendlichen Varietäten,
deren die menſchliche Perſönlichkeit fähig iſt
und fähig ſein muß, damit eben erſt in allen dieſen Ver¬
ſchiedenheiten die hohe Bedeutung des Mikrokosmus der
Menſchheit ſich vollkommen darleben könne.
Nothwendig muß uns alſo nun jeder dieſer drei knöcher¬
nen Wirbel zum Symbol werden, an welchem ſich allezeit
die Beſonderheit der von ihm urſprünglich allein umſchloſſe¬
nen Hirnmaſſe verräth, und mittelbar alſo auch zum
Symbol für den Strahl des Seelenlebens, der gerade
in dieſem Hirngebilde urſprünglich organiſch ſich darſtellte.
Nehmen wir Tauſende von menſchlichen Schädeln, ſo wird
nie und nirgends die Bildung aller dieſer einzelnen Ver¬
hältniſſe der Wirbel vollkommen gleich ſein, vielmehr werden
allemal die drei großen Wirbel gegen einander irgend wie
anders beſchaffen erſcheinen, wie denn auch jede geiſtige
Individualität von der andern ſich weſentlich unterſcheiden
muß. Freilich ſind dieſe Verſchiedenheiten des Symbols
wie die des Weſens hier oft ſehr fein, und wenn wir ver¬
ſuchen, dieſe Abweichungen der Schädelwirbel in Maßen
auszudrücken, ſo kann immer nur von einer Schätzung en
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Carus, Carl Gustav: Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte der Seele. Pforzheim, 1846, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_psyche_1846/206>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.