in einer der drei bezeichneten Richtungen das Wesen der Seele wachsen oder verkommen ließe, im Gegentheil ist hier nur von einem vorwaltenden Einflusse die Rede, indem mannichfaltig und nothwendig, wie alles Seelenleben doch im Grunde nur ein einiges und untheilbares sein kann, so auch hier Alles wechselseitig sich fördert oder retardirt. So kann ein tieferes Erkennen nicht anders als hebend und fördernd sein der Gottinnigkeit, eben so wie die rechte Weltinnigkeit, das rechte Wirken auf andere Ideen, un¬ denkbar ist ohne höhere Erkenntniß. Nicht minder ist kaum zu sagen, wie mächtig die rechte Bethätigung des Lebens die Selbstinnigkeit und dadurch auch Gottinnigkeit fördere; das Bewußtsein einer durchgeführten großen That, der würdigen Vollendung eines bedeutenden wissenschaftlichen oder Kunstwerks, reift etwas in dem An-sich-sein der Idee des Menschen, das wiederum nicht bloß und allein durch das Erkennen oder durch die Tiefe der Gefühle gereift werden kann. Endlich darf eben so es ausgesprochen werden, daß Größe und Wärme des Gefühls allein es sind, welche durch das liebevolle Erfassen der mit uns zugleich in der Welt sich offenbarenden Ideen auch der Weltinnigkeit einen höhern Sinn geben, eben so wie denn auch die Selbst¬ innigkeit ihre rechte Weihe nur erst von hieraus erhalten kann. Es bedarf dabei nicht des Zusatzes, daß in umge¬ kehrten, die Seele abwärts ziehenden Richtungen diese wechsel¬ seitigen Einflüsse sich gerade auf dieselbe Weise geltend machen müssen: -- Lieblosigkeit und niedres Gefühl überhaupt wird Verweltlichung und Selbstnichtigkeit eben so fördern wie Unwissenheit die Verweltlichung und Gottlosigkeit, und wie falsches und gemeines Thun die Gottlosigkeit und Selbst¬ nichtigkeit entschieden herbeiführt. So also treten hier die verschiedensten Beziehungen hervor, und Jedem der mit scharfem seelenforschenden Blicke dem Entwicklungsgange ver¬ schiedener menschlicher Leben nachgeht, werden sich hier, von jenen Grundsätzen geleitet, nicht nur die wichtigsten Ver¬
in einer der drei bezeichneten Richtungen das Weſen der Seele wachſen oder verkommen ließe, im Gegentheil iſt hier nur von einem vorwaltenden Einfluſſe die Rede, indem mannichfaltig und nothwendig, wie alles Seelenleben doch im Grunde nur ein einiges und untheilbares ſein kann, ſo auch hier Alles wechſelſeitig ſich fördert oder retardirt. So kann ein tieferes Erkennen nicht anders als hebend und fördernd ſein der Gottinnigkeit, eben ſo wie die rechte Weltinnigkeit, das rechte Wirken auf andere Ideen, un¬ denkbar iſt ohne höhere Erkenntniß. Nicht minder iſt kaum zu ſagen, wie mächtig die rechte Bethätigung des Lebens die Selbſtinnigkeit und dadurch auch Gottinnigkeit fördere; das Bewußtſein einer durchgeführten großen That, der würdigen Vollendung eines bedeutenden wiſſenſchaftlichen oder Kunſtwerks, reift etwas in dem An-ſich-ſein der Idee des Menſchen, das wiederum nicht bloß und allein durch das Erkennen oder durch die Tiefe der Gefühle gereift werden kann. Endlich darf eben ſo es ausgeſprochen werden, daß Größe und Wärme des Gefühls allein es ſind, welche durch das liebevolle Erfaſſen der mit uns zugleich in der Welt ſich offenbarenden Ideen auch der Weltinnigkeit einen höhern Sinn geben, eben ſo wie denn auch die Selbſt¬ innigkeit ihre rechte Weihe nur erſt von hieraus erhalten kann. Es bedarf dabei nicht des Zuſatzes, daß in umge¬ kehrten, die Seele abwärts ziehenden Richtungen dieſe wechſel¬ ſeitigen Einflüſſe ſich gerade auf dieſelbe Weiſe geltend machen müſſen: — Liebloſigkeit und niedres Gefühl überhaupt wird Verweltlichung und Selbſtnichtigkeit eben ſo fördern wie Unwiſſenheit die Verweltlichung und Gottloſigkeit, und wie falſches und gemeines Thun die Gottloſigkeit und Selbſt¬ nichtigkeit entſchieden herbeiführt. So alſo treten hier die verſchiedenſten Beziehungen hervor, und Jedem der mit ſcharfem ſeelenforſchenden Blicke dem Entwicklungsgange ver¬ ſchiedener menſchlicher Leben nachgeht, werden ſich hier, von jenen Grundſätzen geleitet, nicht nur die wichtigſten Ver¬
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in einer der drei bezeichneten Richtungen das Weſen der
Seele wachſen oder verkommen ließe, im Gegentheil iſt hier
nur von einem vorwaltenden Einfluſſe die Rede, indem
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im Grunde nur ein einiges und untheilbares ſein kann,
ſo auch hier Alles wechſelſeitig ſich fördert oder retardirt.
So kann ein tieferes Erkennen nicht anders als hebend
und fördernd ſein der Gottinnigkeit, eben ſo wie die rechte
Weltinnigkeit, das rechte Wirken auf andere Ideen, un¬
denkbar iſt ohne höhere Erkenntniß. Nicht minder iſt kaum
zu ſagen, wie mächtig die rechte Bethätigung des Lebens
die Selbſtinnigkeit und dadurch auch Gottinnigkeit fördere;
das Bewußtſein einer durchgeführten großen That, der
würdigen Vollendung eines bedeutenden wiſſenſchaftlichen oder
Kunſtwerks, reift etwas in dem An-ſich-ſein der Idee des
Menſchen, das wiederum nicht bloß und allein durch das
Erkennen oder durch die Tiefe der Gefühle gereift werden
kann. Endlich darf eben ſo es ausgeſprochen werden, daß
Größe und Wärme des Gefühls allein es ſind, welche
durch das liebevolle Erfaſſen der mit uns zugleich in der
Welt ſich offenbarenden Ideen auch der Weltinnigkeit einen
höhern Sinn geben, eben ſo wie denn auch die Selbſt¬
innigkeit ihre rechte Weihe nur erſt von hieraus erhalten
kann. Es bedarf dabei nicht des Zuſatzes, daß in umge¬
kehrten, die Seele abwärts ziehenden Richtungen dieſe wechſel¬
ſeitigen Einflüſſe ſich gerade auf dieſelbe Weiſe geltend machen
müſſen: — Liebloſigkeit und niedres Gefühl überhaupt wird
Verweltlichung und Selbſtnichtigkeit eben ſo fördern wie
Unwiſſenheit die Verweltlichung und Gottloſigkeit, und wie
falſches und gemeines Thun die Gottloſigkeit und Selbſt¬
nichtigkeit entſchieden herbeiführt. So alſo treten hier die
verſchiedenſten Beziehungen hervor, und Jedem der mit
ſcharfem ſeelenforſchenden Blicke dem Entwicklungsgange ver¬
ſchiedener menſchlicher Leben nachgeht, werden ſich hier, von
jenen Grundſätzen geleitet, nicht nur die wichtigſten Ver¬
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Carus, Carl Gustav: Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte der Seele. Pforzheim, 1846, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_psyche_1846/249>, abgerufen am 21.11.2024.
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