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Carus, Carl Gustav: Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte der Seele. Pforzheim, 1846.

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eignen, es beweist die Nothwendigkeit sich durch Erkennen
in der Selbstinnigkeit zu steigern und mehr und mehr so
die Energie der Idee überhaupt zu erhöhen, denn der Geist
verlangt zuerst, wie Archimedes, daß ihm gegeben werde
wo er stehe -- wo er in sich Grund finde -- und dann
wird er das Aeußere bewegen. Obwohl daher die Seele
bis auf den Gipfel des Lebens des Fortschreitens durch
Erkenntniß bedarf, nach dem Ausspruche des Solon:

"Lernend ohn' Unterlaß schreit' ich im Alter voran"
so ist doch dies Bedürfniß im Beginn des Lebens insbe¬
sondere mächtig und ganz unabweisbar.

Um eine Stufe höher in der Entwicklung des Geistes
-- auf der Stufe, wo das Unbewußte die Gestaltung der
Reife der Pubertät näher bringt -- da wo, wie schon
früher gesagt wurde, über den Verstand die Phantasie mächtig
wird, tritt mit Macht auch das Gefühl hervor und wirkt
mächtig auf das Wachsthum der Seele. Die eigenthüm¬
liche göttliche schaffende Macht des Unbewußten -- des Un¬
bewußten welches eben durch das Gefühl sich im Geiste
geltend macht -- sie zeigt sich recht eigentlich als das nährende
ursprünglich bedingende Princip, als das von dem alle
geistige Wärme des Seelenlebens ausgehen muß. Im Ge¬
fühl der Bewunderung, der Liebe, reift daher die Gott¬
innigkeit, wie am Erkennen die Selbstinnigkeit -- und die
höchste Form des Bewußtseins, das Gottbewußtsein, würde
ohne Gefühl nicht zur Entwicklung kommen.

Noch eine Stufe weiter, wenn die völlige Reife des
Lebens erreicht ist, macht sich mehr und mehr das Bedürf¬
niß der That fühlbar, und hier ist es wo am Uebertragen
der innern Productivität auf die äußere Welt, am Schaffen
und Vollbringen, die Weltinnigkeit der eignen Idee sich
erhebt und erwächst. Ist es doch merkwürdig wie diese
Lebensäußerung, mittels welcher die im Geiste er¬
schaffenen Vorstellungen, ja die in der Idee aufsteigenden
Ideen auf ähnliche Weise, wie die göttlichen Ideen durch

eignen, es beweiſt die Nothwendigkeit ſich durch Erkennen
in der Selbſtinnigkeit zu ſteigern und mehr und mehr ſo
die Energie der Idee überhaupt zu erhöhen, denn der Geiſt
verlangt zuerſt, wie Archimedes, daß ihm gegeben werde
wo er ſtehe — wo er in ſich Grund finde — und dann
wird er das Aeußere bewegen. Obwohl daher die Seele
bis auf den Gipfel des Lebens des Fortſchreitens durch
Erkenntniß bedarf, nach dem Ausſpruche des Solon:

„Lernend ohn' Unterlaß ſchreit' ich im Alter voran“
ſo iſt doch dies Bedürfniß im Beginn des Lebens insbe¬
ſondere mächtig und ganz unabweisbar.

Um eine Stufe höher in der Entwicklung des Geiſtes
— auf der Stufe, wo das Unbewußte die Geſtaltung der
Reife der Pubertät näher bringt — da wo, wie ſchon
früher geſagt wurde, über den Verſtand die Phantaſie mächtig
wird, tritt mit Macht auch das Gefühl hervor und wirkt
mächtig auf das Wachsthum der Seele. Die eigenthüm¬
liche göttliche ſchaffende Macht des Unbewußten — des Un¬
bewußten welches eben durch das Gefühl ſich im Geiſte
geltend macht — ſie zeigt ſich recht eigentlich als das nährende
urſprünglich bedingende Princip, als das von dem alle
geiſtige Wärme des Seelenlebens ausgehen muß. Im Ge¬
fühl der Bewunderung, der Liebe, reift daher die Gott¬
innigkeit, wie am Erkennen die Selbſtinnigkeit — und die
höchſte Form des Bewußtſeins, das Gottbewußtſein, würde
ohne Gefühl nicht zur Entwicklung kommen.

Noch eine Stufe weiter, wenn die völlige Reife des
Lebens erreicht iſt, macht ſich mehr und mehr das Bedürf¬
niß der That fühlbar, und hier iſt es wo am Uebertragen
der innern Productivität auf die äußere Welt, am Schaffen
und Vollbringen, die Weltinnigkeit der eignen Idee ſich
erhebt und erwächſt. Iſt es doch merkwürdig wie dieſe
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Ideen auf ähnliche Weiſe, wie die göttlichen Ideen durch

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[235/0251] eignen, es beweiſt die Nothwendigkeit ſich durch Erkennen in der Selbſtinnigkeit zu ſteigern und mehr und mehr ſo die Energie der Idee überhaupt zu erhöhen, denn der Geiſt verlangt zuerſt, wie Archimedes, daß ihm gegeben werde wo er ſtehe — wo er in ſich Grund finde — und dann wird er das Aeußere bewegen. Obwohl daher die Seele bis auf den Gipfel des Lebens des Fortſchreitens durch Erkenntniß bedarf, nach dem Ausſpruche des Solon: „Lernend ohn' Unterlaß ſchreit' ich im Alter voran“ ſo iſt doch dies Bedürfniß im Beginn des Lebens insbe¬ ſondere mächtig und ganz unabweisbar. Um eine Stufe höher in der Entwicklung des Geiſtes — auf der Stufe, wo das Unbewußte die Geſtaltung der Reife der Pubertät näher bringt — da wo, wie ſchon früher geſagt wurde, über den Verſtand die Phantaſie mächtig wird, tritt mit Macht auch das Gefühl hervor und wirkt mächtig auf das Wachsthum der Seele. Die eigenthüm¬ liche göttliche ſchaffende Macht des Unbewußten — des Un¬ bewußten welches eben durch das Gefühl ſich im Geiſte geltend macht — ſie zeigt ſich recht eigentlich als das nährende urſprünglich bedingende Princip, als das von dem alle geiſtige Wärme des Seelenlebens ausgehen muß. Im Ge¬ fühl der Bewunderung, der Liebe, reift daher die Gott¬ innigkeit, wie am Erkennen die Selbſtinnigkeit — und die höchſte Form des Bewußtſeins, das Gottbewußtſein, würde ohne Gefühl nicht zur Entwicklung kommen. Noch eine Stufe weiter, wenn die völlige Reife des Lebens erreicht iſt, macht ſich mehr und mehr das Bedürf¬ niß der That fühlbar, und hier iſt es wo am Uebertragen der innern Productivität auf die äußere Welt, am Schaffen und Vollbringen, die Weltinnigkeit der eignen Idee ſich erhebt und erwächſt. Iſt es doch merkwürdig wie dieſe Lebensäußerung, mittels welcher die im Geiſte er¬ ſchaffenen Vorſtellungen, ja die in der Idee aufſteigenden Ideen auf ähnliche Weiſe, wie die göttlichen Ideen durch

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Zitationshilfe: Carus, Carl Gustav: Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte der Seele. Pforzheim, 1846, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_psyche_1846/251>, abgerufen am 27.11.2024.