erfaßt werden kann, und daß diese Aequivalente in ei¬ nem sehr eigenthümlichen Verhältnisse stehen zu den Ae¬ quivalenten der Idee und der Vorstellung wie sie das Kunst¬ gebiet der Sprache in dem Worte darbietet. -- Diese Ae¬ quivalente des Gefühls sind theils unwillkürlich, und da¬ hin gehören die Umstimmungen des eigenen nach außen sich offenbarenden unbewußten Lebens, wie sie in Veränderung der Züge des Antlitzes, in der Schwebung der Stimme, in der veränderten Färbung und Temperatur der Haut, ja in der unwillkürlichen Haltung des ganzen Körpers sich ausdrücken; theils sind sie willkürlich, und dahin gehört das Kunstgebiet der Töne -- die Musik, ja die Kunst überhaupt. -- Will man diese beiden Kunstgebiete, das der Sprache und das der Musik, in dieser Beziehung sorgfältig vergleichen, so wird man zu sehr interessanten Resultaten gelangen. Vieles haben beide gemein, vieles ist auch jedem Gebiete eigenthüm¬ lich. Gemein haben sie, daß sie beide sowohl in Lauten als in Schriftzeichen sich ausdrücken lassen, und daß sie beide bald größter Klarheit und Erhabenheit, bald größter Verworren¬ heit und Gemeinheit dienen können, gemein haben sie jedes in sich den merkwürdigen kunstreichen Bau, den ihnen der menschliche Geist gegeben hat, gemein haben sie auch das, daß beide ihre höchste Schönheit erst erhalten, wenn sie in recht organischer in sich nothwendiger Folge den Ausdruck geben, hier für aufeinanderfolgende Stimmungen und Schwebungen, des Gefühls, dort für an einander sich rei¬ hende Vorstellungen und Ideen. Eigenthümlich dagegen ist einem jeden Kunstgebiete wesentlich die Art seines innern organischen Baues, indem für die Sprache es dem Geiste freigelassen war, bald diese bald jene willkürlich erfaßten Laute und Zeichen zu wählen um als Aequivalente der Vor¬ stellungen, Begriffe und Ideen zu gelten, während für die Musik die Wahl der Töne durch Naturgesetze vorgeschrieben ist, und für die gesammte Menschheit sie daher eben so ge¬ wiß überall eine und dieselbe sein muß, als es hinsichtlich
erfaßt werden kann, und daß dieſe Aequivalente in ei¬ nem ſehr eigenthümlichen Verhältniſſe ſtehen zu den Ae¬ quivalenten der Idee und der Vorſtellung wie ſie das Kunſt¬ gebiet der Sprache in dem Worte darbietet. — Dieſe Ae¬ quivalente des Gefühls ſind theils unwillkürlich, und da¬ hin gehören die Umſtimmungen des eigenen nach außen ſich offenbarenden unbewußten Lebens, wie ſie in Veränderung der Züge des Antlitzes, in der Schwebung der Stimme, in der veränderten Färbung und Temperatur der Haut, ja in der unwillkürlichen Haltung des ganzen Körpers ſich ausdrücken; theils ſind ſie willkürlich, und dahin gehört das Kunſtgebiet der Töne — die Muſik, ja die Kunſt überhaupt. — Will man dieſe beiden Kunſtgebiete, das der Sprache und das der Muſik, in dieſer Beziehung ſorgfältig vergleichen, ſo wird man zu ſehr intereſſanten Reſultaten gelangen. Vieles haben beide gemein, vieles iſt auch jedem Gebiete eigenthüm¬ lich. Gemein haben ſie, daß ſie beide ſowohl in Lauten als in Schriftzeichen ſich ausdrücken laſſen, und daß ſie beide bald größter Klarheit und Erhabenheit, bald größter Verworren¬ heit und Gemeinheit dienen können, gemein haben ſie jedes in ſich den merkwürdigen kunſtreichen Bau, den ihnen der menſchliche Geiſt gegeben hat, gemein haben ſie auch das, daß beide ihre höchſte Schönheit erſt erhalten, wenn ſie in recht organiſcher in ſich nothwendiger Folge den Ausdruck geben, hier für aufeinanderfolgende Stimmungen und Schwebungen, des Gefühls, dort für an einander ſich rei¬ hende Vorſtellungen und Ideen. Eigenthümlich dagegen iſt einem jeden Kunſtgebiete weſentlich die Art ſeines innern organiſchen Baues, indem für die Sprache es dem Geiſte freigelaſſen war, bald dieſe bald jene willkürlich erfaßten Laute und Zeichen zu wählen um als Aequivalente der Vor¬ ſtellungen, Begriffe und Ideen zu gelten, während für die Muſik die Wahl der Töne durch Naturgeſetze vorgeſchrieben iſt, und für die geſammte Menſchheit ſie daher eben ſo ge¬ wiß überall eine und dieſelbe ſein muß, als es hinſichtlich
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erfaßt werden kann, und daß dieſe Aequivalente in ei¬
nem ſehr eigenthümlichen Verhältniſſe ſtehen zu den Ae¬
quivalenten der Idee und der Vorſtellung wie ſie das Kunſt¬
gebiet der Sprache in dem Worte darbietet. — Dieſe Ae¬
quivalente des Gefühls ſind theils unwillkürlich, und da¬
hin gehören die Umſtimmungen des eigenen nach außen ſich
offenbarenden unbewußten Lebens, wie ſie in Veränderung
der Züge des Antlitzes, in der Schwebung der Stimme,
in der veränderten Färbung und Temperatur der Haut, ja
in der unwillkürlichen Haltung des ganzen Körpers ſich
ausdrücken; theils ſind ſie willkürlich, und dahin gehört das
Kunſtgebiet der Töne — die Muſik, ja die Kunſt überhaupt.
— Will man dieſe beiden Kunſtgebiete, das der Sprache und
das der Muſik, in dieſer Beziehung ſorgfältig vergleichen, ſo
wird man zu ſehr intereſſanten Reſultaten gelangen. Vieles
haben beide gemein, vieles iſt auch jedem Gebiete eigenthüm¬
lich. Gemein haben ſie, daß ſie beide ſowohl in Lauten als in
Schriftzeichen ſich ausdrücken laſſen, und daß ſie beide bald
größter Klarheit und Erhabenheit, bald größter Verworren¬
heit und Gemeinheit dienen können, gemein haben ſie jedes
in ſich den merkwürdigen kunſtreichen Bau, den ihnen der
menſchliche Geiſt gegeben hat, gemein haben ſie auch das,
daß beide ihre höchſte Schönheit erſt erhalten, wenn ſie in
recht organiſcher in ſich nothwendiger Folge den Ausdruck
geben, hier für aufeinanderfolgende Stimmungen und
Schwebungen, des Gefühls, dort für an einander ſich rei¬
hende Vorſtellungen und Ideen. Eigenthümlich dagegen iſt
einem jeden Kunſtgebiete weſentlich die Art ſeines innern
organiſchen Baues, indem für die Sprache es dem Geiſte
freigelaſſen war, bald dieſe bald jene willkürlich erfaßten
Laute und Zeichen zu wählen um als Aequivalente der Vor¬
ſtellungen, Begriffe und Ideen zu gelten, während für die
Muſik die Wahl der Töne durch Naturgeſetze vorgeſchrieben
iſt, und für die geſammte Menſchheit ſie daher eben ſo ge¬
wiß überall eine und dieſelbe ſein muß, als es hinſichtlich
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Carus, Carl Gustav: Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte der Seele. Pforzheim, 1846, S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_psyche_1846/351>, abgerufen am 22.11.2024.
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