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Carus, Carl Gustav: Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte der Seele. Pforzheim, 1846.

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Geist, das Hervortreten höhern Bewußtseins, und, mit
einem Wort, die eigentliche Menschenwerdung, sei nur un¬
ter Einwirkung der Menschheit -- d. h. unter Einfluß einer
oder mehrer anderer Seelen auf das Individuum gedenkbar
und möglich; -- und so darf ich denn jetzt nur ferner
bemerken, daß mit diesen Worten zugleich das ganze unge¬
heure Gewicht bezeichnet sei, welches das Verhältniß
zu anderen Seelen
für die Seele selbst immerfort hat
und haben muß.

Will man es sich jedoch jetzt im Einzelnen deutlich ma¬
chen, auf welche Weise dies Verhältniß von Seele zu Seele
insbesondere begründet werde, so muß man sogleich wieder
auf den überall bedeutungsvollen Unterschied zurückblicken,
daß alles Seelenleben sich theils im unbewußten, theils im
bewußten Wirken offenbare, und wenn wir dieses recht be¬
denken, so werden hieraus vier Arten der Beziehung der
Seelen auf einander sogleich hervorgehen: 1, Wechselwir¬
kung des einen Bewußten auf das Bewußte der andern
Seelen; 2, Wechselwirkung des einen Unbewußten auf das
Unbewußte der andern; 3, Wechselwirkung des einen Un¬
bewußten auf das Bewußte der andern; 4, Wechselwirkung
des einen Unbewußten auf das Unbewußte der andern.

Die Mannichfaltigkeit von Regungen, Vorgängen,
Begegnungen, Erhebungen, Anziehungen, Abstoßungen und
Depressionen, die sich in diesen verschiedenen Verhältnissen
begeben, ist wahrhaft ungeheuer, denn alle Historie und
alles Menschenleben spielt eigentlich nur in diesen verschie¬
denen Strahlungen. Es kann daher hier nicht die Aufgabe
sein, zu sehr ins Einzelne zu gehen, sondern nur den Be¬
obachter menschlicher Verhältnisse darauf aufmerksam zu
machen, aus wie viel verschiedenen Fäden das Verhältniß
zwischen Seele und Seele sich spinnt, welches man oft nur
so geradehin als ein einfaches zu nehmen gemeint ist.

1. Die Beziehung zwischen Seelen von Be¬
wußtem zu Bewußtem
, sie ist diejenige, welche ins¬

Geiſt, das Hervortreten höhern Bewußtſeins, und, mit
einem Wort, die eigentliche Menſchenwerdung, ſei nur un¬
ter Einwirkung der Menſchheit — d. h. unter Einfluß einer
oder mehrer anderer Seelen auf das Individuum gedenkbar
und möglich; — und ſo darf ich denn jetzt nur ferner
bemerken, daß mit dieſen Worten zugleich das ganze unge¬
heure Gewicht bezeichnet ſei, welches das Verhältniß
zu anderen Seelen
für die Seele ſelbſt immerfort hat
und haben muß.

Will man es ſich jedoch jetzt im Einzelnen deutlich ma¬
chen, auf welche Weiſe dies Verhältniß von Seele zu Seele
insbeſondere begründet werde, ſo muß man ſogleich wieder
auf den überall bedeutungsvollen Unterſchied zurückblicken,
daß alles Seelenleben ſich theils im unbewußten, theils im
bewußten Wirken offenbare, und wenn wir dieſes recht be¬
denken, ſo werden hieraus vier Arten der Beziehung der
Seelen auf einander ſogleich hervorgehen: 1, Wechſelwir¬
kung des einen Bewußten auf das Bewußte der andern
Seelen; 2, Wechſelwirkung des einen Unbewußten auf das
Unbewußte der andern; 3, Wechſelwirkung des einen Un¬
bewußten auf das Bewußte der andern; 4, Wechſelwirkung
des einen Unbewußten auf das Unbewußte der andern.

Die Mannichfaltigkeit von Regungen, Vorgängen,
Begegnungen, Erhebungen, Anziehungen, Abſtoßungen und
Depreſſionen, die ſich in dieſen verſchiedenen Verhältniſſen
begeben, iſt wahrhaft ungeheuer, denn alle Hiſtorie und
alles Menſchenleben ſpielt eigentlich nur in dieſen verſchie¬
denen Strahlungen. Es kann daher hier nicht die Aufgabe
ſein, zu ſehr ins Einzelne zu gehen, ſondern nur den Be¬
obachter menſchlicher Verhältniſſe darauf aufmerkſam zu
machen, aus wie viel verſchiedenen Fäden das Verhältniß
zwiſchen Seele und Seele ſich ſpinnt, welches man oft nur
ſo geradehin als ein einfaches zu nehmen gemeint iſt.

1. Die Beziehung zwiſchen Seelen von Be¬
wußtem zu Bewußtem
, ſie iſt diejenige, welche ins¬

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[375/0391] Geiſt, das Hervortreten höhern Bewußtſeins, und, mit einem Wort, die eigentliche Menſchenwerdung, ſei nur un¬ ter Einwirkung der Menſchheit — d. h. unter Einfluß einer oder mehrer anderer Seelen auf das Individuum gedenkbar und möglich; — und ſo darf ich denn jetzt nur ferner bemerken, daß mit dieſen Worten zugleich das ganze unge¬ heure Gewicht bezeichnet ſei, welches das Verhältniß zu anderen Seelen für die Seele ſelbſt immerfort hat und haben muß. Will man es ſich jedoch jetzt im Einzelnen deutlich ma¬ chen, auf welche Weiſe dies Verhältniß von Seele zu Seele insbeſondere begründet werde, ſo muß man ſogleich wieder auf den überall bedeutungsvollen Unterſchied zurückblicken, daß alles Seelenleben ſich theils im unbewußten, theils im bewußten Wirken offenbare, und wenn wir dieſes recht be¬ denken, ſo werden hieraus vier Arten der Beziehung der Seelen auf einander ſogleich hervorgehen: 1, Wechſelwir¬ kung des einen Bewußten auf das Bewußte der andern Seelen; 2, Wechſelwirkung des einen Unbewußten auf das Unbewußte der andern; 3, Wechſelwirkung des einen Un¬ bewußten auf das Bewußte der andern; 4, Wechſelwirkung des einen Unbewußten auf das Unbewußte der andern. Die Mannichfaltigkeit von Regungen, Vorgängen, Begegnungen, Erhebungen, Anziehungen, Abſtoßungen und Depreſſionen, die ſich in dieſen verſchiedenen Verhältniſſen begeben, iſt wahrhaft ungeheuer, denn alle Hiſtorie und alles Menſchenleben ſpielt eigentlich nur in dieſen verſchie¬ denen Strahlungen. Es kann daher hier nicht die Aufgabe ſein, zu ſehr ins Einzelne zu gehen, ſondern nur den Be¬ obachter menſchlicher Verhältniſſe darauf aufmerkſam zu machen, aus wie viel verſchiedenen Fäden das Verhältniß zwiſchen Seele und Seele ſich ſpinnt, welches man oft nur ſo geradehin als ein einfaches zu nehmen gemeint iſt. 1. Die Beziehung zwiſchen Seelen von Be¬ wußtem zu Bewußtem, ſie iſt diejenige, welche ins¬

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Zitationshilfe: Carus, Carl Gustav: Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte der Seele. Pforzheim, 1846, S. 375. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_psyche_1846/391>, abgerufen am 22.11.2024.