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Carus, Carl Gustav: Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte der Seele. Pforzheim, 1846.

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vorgetretene Bestreben sich zeitweise wie zu einer Art von
Natur-Adoration hinauszustürzen in Wälder und Berge,
in Thäler und auf Felsen, wirklich gleichsam eine Art
von Instinkt ist um sich ein Heilmittel zu suchen gegen
die Krankheit des künstlichen Lebens und die Einwirkung
desselben auf geistige Entwicklung. Gewiß liegt denn auch
eine eigenthümliche Wahrheit und Bedeutung in diesem
Bestreben, und es kann ein solches zeitweises Eintauchen
in freie Natur allerdings wahrhaft erfrischend und mächtig
auf den Geist wirken; aber leider wird auch diese Richtung
durch die Art ihrer Ausführung oft genug zur entschiedenen
Carricatur und verfehlt dann ihrer heilsamen Einwirkung
gänzlich.

Erwägen wir nun mehr im Einzelnen wie die Natur,
die uns umgibt, die Seele anspricht und den Geist ent¬
wickelt, so wird begreiflich, daß diese Wirkung theils im
Allgemeinen durch die Gefühlsseite und das Anklingen der¬
selben in tausend verschiedenen Saiten und von den ver¬
schiedensten Richtungen aus bewirkt wird, theils aber dadurch
namentlich als Geistesbildung gefördert wird, daß in ihr
unendliche Gleichnisse erscheinen an deren Studium der
Mensch, wie das Kind an Fabeln, allmählig zur Erkennt¬
niß höherer Wahrheit heranzureifen bestimmt ist. Die
erstere Einwirkung, welche durch das Gefühl das Bewußt¬
sein in Anspruch nimmt, geht durch unendliche Nüancen.
Wie mannichfaltig ist nur die Einwirkung der Jahreszeiten,
welche dadurch den Menschen in gemäßigten Klimaten eine
gewisse Universalität der Erdnatur gewähren, daß sie an
einer und derselben Stelle ihm gleichsam die Zustände der
verschiedensten Himmelsstriche, von heißester Aequatorial¬
gegend bis zu den eisigsten Polarregionen im Kreise rastlos
vorüber führen, und dadurch ganz anders, man kann sagen
irdisch universeller, auf ihn wirken, als wenn ein und der¬
selbe Zustand der Atmosphäre ihn immer umgäbe. Gewiß!
welchen eigenthümlichen Einfluß schon dieser immer sich wie¬

vorgetretene Beſtreben ſich zeitweiſe wie zu einer Art von
Natur-Adoration hinauszuſtürzen in Wälder und Berge,
in Thäler und auf Felſen, wirklich gleichſam eine Art
von Inſtinkt iſt um ſich ein Heilmittel zu ſuchen gegen
die Krankheit des künſtlichen Lebens und die Einwirkung
deſſelben auf geiſtige Entwicklung. Gewiß liegt denn auch
eine eigenthümliche Wahrheit und Bedeutung in dieſem
Beſtreben, und es kann ein ſolches zeitweiſes Eintauchen
in freie Natur allerdings wahrhaft erfriſchend und mächtig
auf den Geiſt wirken; aber leider wird auch dieſe Richtung
durch die Art ihrer Ausführung oft genug zur entſchiedenen
Carricatur und verfehlt dann ihrer heilſamen Einwirkung
gänzlich.

Erwägen wir nun mehr im Einzelnen wie die Natur,
die uns umgibt, die Seele anſpricht und den Geiſt ent¬
wickelt, ſo wird begreiflich, daß dieſe Wirkung theils im
Allgemeinen durch die Gefühlsſeite und das Anklingen der¬
ſelben in tauſend verſchiedenen Saiten und von den ver¬
ſchiedenſten Richtungen aus bewirkt wird, theils aber dadurch
namentlich als Geiſtesbildung gefördert wird, daß in ihr
unendliche Gleichniſſe erſcheinen an deren Studium der
Menſch, wie das Kind an Fabeln, allmählig zur Erkennt¬
niß höherer Wahrheit heranzureifen beſtimmt iſt. Die
erſtere Einwirkung, welche durch das Gefühl das Bewußt¬
ſein in Anſpruch nimmt, geht durch unendliche Nüancen.
Wie mannichfaltig iſt nur die Einwirkung der Jahreszeiten,
welche dadurch den Menſchen in gemäßigten Klimaten eine
gewiſſe Univerſalität der Erdnatur gewähren, daß ſie an
einer und derſelben Stelle ihm gleichſam die Zuſtände der
verſchiedenſten Himmelsſtriche, von heißeſter Aequatorial¬
gegend bis zu den eiſigſten Polarregionen im Kreiſe raſtlos
vorüber führen, und dadurch ganz anders, man kann ſagen
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[394/0410] vorgetretene Beſtreben ſich zeitweiſe wie zu einer Art von Natur-Adoration hinauszuſtürzen in Wälder und Berge, in Thäler und auf Felſen, wirklich gleichſam eine Art von Inſtinkt iſt um ſich ein Heilmittel zu ſuchen gegen die Krankheit des künſtlichen Lebens und die Einwirkung deſſelben auf geiſtige Entwicklung. Gewiß liegt denn auch eine eigenthümliche Wahrheit und Bedeutung in dieſem Beſtreben, und es kann ein ſolches zeitweiſes Eintauchen in freie Natur allerdings wahrhaft erfriſchend und mächtig auf den Geiſt wirken; aber leider wird auch dieſe Richtung durch die Art ihrer Ausführung oft genug zur entſchiedenen Carricatur und verfehlt dann ihrer heilſamen Einwirkung gänzlich. Erwägen wir nun mehr im Einzelnen wie die Natur, die uns umgibt, die Seele anſpricht und den Geiſt ent¬ wickelt, ſo wird begreiflich, daß dieſe Wirkung theils im Allgemeinen durch die Gefühlsſeite und das Anklingen der¬ ſelben in tauſend verſchiedenen Saiten und von den ver¬ ſchiedenſten Richtungen aus bewirkt wird, theils aber dadurch namentlich als Geiſtesbildung gefördert wird, daß in ihr unendliche Gleichniſſe erſcheinen an deren Studium der Menſch, wie das Kind an Fabeln, allmählig zur Erkennt¬ niß höherer Wahrheit heranzureifen beſtimmt iſt. Die erſtere Einwirkung, welche durch das Gefühl das Bewußt¬ ſein in Anſpruch nimmt, geht durch unendliche Nüancen. Wie mannichfaltig iſt nur die Einwirkung der Jahreszeiten, welche dadurch den Menſchen in gemäßigten Klimaten eine gewiſſe Univerſalität der Erdnatur gewähren, daß ſie an einer und derſelben Stelle ihm gleichſam die Zuſtände der verſchiedenſten Himmelsſtriche, von heißeſter Aequatorial¬ gegend bis zu den eiſigſten Polarregionen im Kreiſe raſtlos vorüber führen, und dadurch ganz anders, man kann ſagen irdiſch univerſeller, auf ihn wirken, als wenn ein und der¬ ſelbe Zuſtand der Atmoſphäre ihn immer umgäbe. Gewiß! welchen eigenthümlichen Einfluß ſchon dieſer immer ſich wie¬

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Zitationshilfe: Carus, Carl Gustav: Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte der Seele. Pforzheim, 1846, S. 394. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_psyche_1846/410>, abgerufen am 22.11.2024.