artiges, mit allem Wahrheitsgewissen Unvereinbares, ent¬ schieden Krankhaftes hervor! -- Das eigentliche Mittelglied dieser Reihe, die Monomanie oder die sogenannte fixirte Idee, ist unter diesen vielfältigen Formen die besonders charakteristische und verdient vornehmlich ins Auge gefaßt zu werden, wenn es vom Verhältniß dieser Zustände sich handelt. 1 Wie jedoch überhaupt von irgend einem bloß Lokalen, wirklich scharf Geschiedenen, bloß Partiellen in der Seele, als welche durch und durch auf einer Einheit beruht, nicht die Rede sein kann, so ergibt auch die genauere Beobachtung eines jeden solchen Falles von Monomanie, daß keinesweges hier etwa nur ein Strahl der Psyche krank, und alle andern gesund seien, sondern daß in Wahrheit durch eine eigenthümliche, an all' diesem Leben sich offenbarende und nur einseitig deutlicher werdende Krank¬ heitsidee, welche immer, als selbst unbewußte, nur im Un¬ bewußten wurzeln kann, auch diese Zustände bedingt sind. Dem Auge des scharfsehenden, tiefer untersuchenden Arztes entgeht in diesen Zuständen es nie, daß trotz dem Schimmer von Gesundheit, der den Laien vielfältig täuscht, allemal eine wahre eigenthümliche Krankheit hier vorhanden ist. Modificirt doch alles Verhältniß der unbewußten Lebens¬ erscheinungen sich in Kranken dieser Art auf besondere Weise: die eigenen Züge des Gesichts, der andere Blick, die andere Haltung, wodurch solche Personen selbst Laien auffallen, ihr sogar oft sehr deutlich veränderter Geruch, und ihre sonderbar wechselnde Temperatur, verrathen den Zustand auf ähnliche Art, wie etwa eine Hektik sich an jenen um¬ schrieben rothen Wangen und heißen Handflächen verräth, welche Unwissende wohl für Zeichen der vollsten Gesundheit zu nehmen gewohnt sind. Die Modalität indeß, deutlicher zu machen, wie nun Krankheiten, welche im Leiblichen so
1 Ein Werk, welches sehr geeignet ist, dergleichen einzelne wirkliche Zustände dem Leser recht anschaulich zu machen, sind die "Biographien Geisteskranker, von Dr. K. W. Ideler." Berlin 1841.
artiges, mit allem Wahrheitsgewiſſen Unvereinbares, ent¬ ſchieden Krankhaftes hervor! — Das eigentliche Mittelglied dieſer Reihe, die Monomanie oder die ſogenannte fixirte Idee, iſt unter dieſen vielfältigen Formen die beſonders charakteriſtiſche und verdient vornehmlich ins Auge gefaßt zu werden, wenn es vom Verhältniß dieſer Zuſtände ſich handelt. 1 Wie jedoch überhaupt von irgend einem bloß Lokalen, wirklich ſcharf Geſchiedenen, bloß Partiellen in der Seele, als welche durch und durch auf einer Einheit beruht, nicht die Rede ſein kann, ſo ergibt auch die genauere Beobachtung eines jeden ſolchen Falles von Monomanie, daß keinesweges hier etwa nur ein Strahl der Pſyche krank, und alle andern geſund ſeien, ſondern daß in Wahrheit durch eine eigenthümliche, an all' dieſem Leben ſich offenbarende und nur einſeitig deutlicher werdende Krank¬ heitsidee, welche immer, als ſelbſt unbewußte, nur im Un¬ bewußten wurzeln kann, auch dieſe Zuſtände bedingt ſind. Dem Auge des ſcharfſehenden, tiefer unterſuchenden Arztes entgeht in dieſen Zuſtänden es nie, daß trotz dem Schimmer von Geſundheit, der den Laien vielfältig täuſcht, allemal eine wahre eigenthümliche Krankheit hier vorhanden iſt. Modificirt doch alles Verhältniß der unbewußten Lebens¬ erſcheinungen ſich in Kranken dieſer Art auf beſondere Weiſe: die eigenen Züge des Geſichts, der andere Blick, die andere Haltung, wodurch ſolche Perſonen ſelbſt Laien auffallen, ihr ſogar oft ſehr deutlich veränderter Geruch, und ihre ſonderbar wechſelnde Temperatur, verrathen den Zuſtand auf ähnliche Art, wie etwa eine Hektik ſich an jenen um¬ ſchrieben rothen Wangen und heißen Handflächen verräth, welche Unwiſſende wohl für Zeichen der vollſten Geſundheit zu nehmen gewohnt ſind. Die Modalität indeß, deutlicher zu machen, wie nun Krankheiten, welche im Leiblichen ſo
1 Ein Werk, welches ſehr geeignet iſt, dergleichen einzelne wirkliche Zuſtände dem Leſer recht anſchaulich zu machen, ſind die „Biographien Geiſteskranker, von Dr. K. W. Ideler.“ Berlin 1841.
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artiges, mit allem Wahrheitsgewiſſen Unvereinbares, ent¬
ſchieden Krankhaftes hervor! — Das eigentliche Mittelglied
dieſer Reihe, die Monomanie oder die ſogenannte fixirte
Idee, iſt unter dieſen vielfältigen Formen die beſonders
charakteriſtiſche und verdient vornehmlich ins Auge gefaßt
zu werden, wenn es vom Verhältniß dieſer Zuſtände ſich
handelt. 1 Wie jedoch überhaupt von irgend einem bloß
Lokalen, wirklich ſcharf Geſchiedenen, bloß Partiellen in der
Seele, als welche durch und durch auf einer Einheit beruht,
nicht die Rede ſein kann, ſo ergibt auch die genauere
Beobachtung eines jeden ſolchen Falles von Monomanie,
daß keinesweges hier etwa nur ein Strahl der Pſyche krank,
und alle andern geſund ſeien, ſondern daß in Wahrheit
durch eine eigenthümliche, an all' dieſem Leben ſich
offenbarende und nur einſeitig deutlicher werdende Krank¬
heitsidee, welche immer, als ſelbſt unbewußte, nur im Un¬
bewußten wurzeln kann, auch dieſe Zuſtände bedingt ſind.
Dem Auge des ſcharfſehenden, tiefer unterſuchenden Arztes
entgeht in dieſen Zuſtänden es nie, daß trotz dem Schimmer
von Geſundheit, der den Laien vielfältig täuſcht, allemal
eine wahre eigenthümliche Krankheit hier vorhanden iſt.
Modificirt doch alles Verhältniß der unbewußten Lebens¬
erſcheinungen ſich in Kranken dieſer Art auf beſondere Weiſe:
die eigenen Züge des Geſichts, der andere Blick, die andere
Haltung, wodurch ſolche Perſonen ſelbſt Laien auffallen,
ihr ſogar oft ſehr deutlich veränderter Geruch, und ihre
ſonderbar wechſelnde Temperatur, verrathen den Zuſtand
auf ähnliche Art, wie etwa eine Hektik ſich an jenen um¬
ſchrieben rothen Wangen und heißen Handflächen verräth,
welche Unwiſſende wohl für Zeichen der vollſten Geſundheit
zu nehmen gewohnt ſind. Die Modalität indeß, deutlicher
zu machen, wie nun Krankheiten, welche im Leiblichen ſo
1 Ein Werk, welches ſehr geeignet iſt, dergleichen einzelne wirkliche
Zuſtände dem Leſer recht anſchaulich zu machen, ſind die „Biographien
Geiſteskranker, von Dr. K. W. Ideler.“ Berlin 1841.
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Carus, Carl Gustav: Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte der Seele. Pforzheim, 1846, S. 446. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_psyche_1846/462>, abgerufen am 24.11.2024.
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